„Er kennt sich aus, vertrauen Sie mir. Es ist James wichtig, über die Männer, die für ihn arbeiten, herauszufinden, was er kann.“
„Er wird mir keine Chance geben. Ich kenne diese Typen. Er ist wie Frankies Freund Austin. Alle warten nur darauf, dass ich es wieder versaue.“
Der Barkeeper stützte seine kräftigen Unterarme auf den Tresen. „Zuerst mal, was wollen Sie trinken?“
„Ähm, nichts, Mineralwasser.“
Er warf mir einen nachdenklichen Blick zu und füllte das Glas auf. „José.“ Er streckte mir seine Hand entgegen.
Ein bisschen überrascht schüttelte ich sie nach kurzem Zögern. „Aaron.“
„Ja, ich weiß.“ Er grinste mich an und ging nahtlos zum ‚Du‘ über. „Weißt du, ich habe Neuigkeiten für dich, Aaron. Ich sag es dir ja nur ungern, aber du bist nicht der Mittelpunkt der Welt für jeden hier.“
Ich blinzelte. „Hä?“
„Es bist nicht du, um den wir uns alle Sorgen machen. Sondern Frankie. Niemand wartet darauf, dass du es versaust. Wir wollen nur sichergehen, dass es Frankie gut geht.“
Ich fühlte mich doof und hasste das Gefühl. Bevor ich weg gewesen war, hätte ich einen Streit mit ihm angezettelt und wäre vermutlich rausgeflogen. Aber das war damals. Im Gefängnis zu sein, hatte mich eines gelehrt: Ich würde nie wieder etwas tun, was mich dorthin zurückbringen könnte. Die Therapie hatte mich gelehrt, meinen Kopf einzuschalten, bevor ich meine Fäuste benutze.
Würde es immer so sein? Dass ich mich wieder und wieder würde beweisen müssen, egal wohin ich ging?
Die Performance war zu Ende und ich beobachtete, wie Frankie und sein Partner ihr Trinkgeld einsammelten. Dann posierten sie für Fotos, und Frankie hörte nicht einen Moment lang auf zu lächeln. Egal wie müde er war, als Showman wusste er, dass er die Performance aufrechterhalten musste. Nur ich bekam den echten Frankie zu Gesicht.
Der große maskierte Mann wirkte ernster, und ob nun Teil seiner Rolle oder nicht, sein Lächeln schien eher schmerzvoll denn natürlich. Ich fragte mich, was seine Maske verbarg. Was auch immer er tat, es wirkte. Die Leute mochten das Mysteriöse und standen Schlange für Fotos mit ihm.
„Frankie wird gleich herkommen und mir sein Trinkgeld geben.“
Wie um José recht zu geben, begannen Frankie und der andere Mann, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen, immer wieder innehaltend, um sich zu unterhalten und den Leuten, die ihnen zuwinkten, Küsschen zuzuwerfen. Als Frankie mich erblickte, kam er sofort herübergerannt und umarmte mich. Es störte mich nicht, dass seine Haut verschwitzt und ölig war. Sobald er seine Arme um mich geschlungen hatte, konnte ich zum ersten Mal in dieser Nacht frei atmen.
„Was machst du denn hier?“ Er schob die Krone zurück und wischte seine Locken aus dem Gesicht. „Ich dachte, du wolltest nicht herkommen und mich hier sehen.“
„Ich mag es immer, dich zu sehen.“ Ich drückte ihn in Hüfthöhe. „Mir ist langweilig geworden, und ich wollte meinen Freund sehen.“
Auf diese Worte hin überzogen sich Frankies Wangen mit einer leichten Röte. Als der andere Tänzer José sein Trinkgeld gab, sagte er: „Wie süß. Frankie, du weißt ja immer noch, wie man errötet.“
Auch Frankie überreichte sein Geld, legte den Kopf schief und klimperte mit den Wimpern. „Ich erröte nicht, Tristan. Ich strahle, Baby.“
José gab Frankie einen Margarita und Frankie trank ihn mit einem Seufzen. „Ah, lecker.“ Er wand sich und schmiegte sich näher an mich. „Hübsch hier. Ich bin froh, dass du gekommen bist.“
„Ich auch.“ Ich nippte an meinem Mineralwasser und sah Frankies Augen auf meinem Glas ruhen. Er verspannte sich und ich fauchte, „Das ist nur Wasser, Mann. Ich habe dir doch gesagt, ich trinke nicht. Ich bin doch nicht blöd, weißt du.“ Ich biss die Zähne zusammen.
„Ich hab doch gar nichts gesagt.“
Frankie entfernte sich einen Schritt von mir. José runzelte die Stirn und schüttelte seinen Kopf.
Verdammt.
„Ich hätte das nicht sagen sollen.“ Ich berührte Frankie an der Schulter. „Tut mir leid. Wirklich.“
Frankie wusste, wie hässlich es werden konnte, wenn ich trank. Er legte seinen Kopf zurück an meine Brust und ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihn auf die Wange zu küssen. Sie war warm und glatt und es kostete mich all meine Selbstbeherrschung, um nicht seinen Mund mit meinem zu bedecken und jedem zu zeigen, zu wem er gehörte. Doch dann erinnerte ich mich daran, dass ich nicht das Recht dazu hatte. Das musste ich mir erst wieder verdienen, und ihn zu bedrängen, und sei es nur mit einem Kuss, würde das Vertrauen zerstören, das wir gerade dabei waren wieder aufzubauen. Vielleicht hatte sein Boss James doch recht.
Also hielt ich ihn, fuhr fort, seinen Hals zu liebkosen, und lauschte dem Puls, der unter meinen Lippen raste.
„Danke, dass du gekommen bist, um mir zuzusehen“, flüsterte er in mein Ohr. „Das bedeutet mir viel. Und mir tut es auch leid.“
„Was denn?“
Frankie stellte seinen angefangenen Drink zurück auf die Theke. „Ich sollte in deiner Gegenwart nicht so viel trinken. Ich werde es langsamer angehen lassen.“
„Du bist wundervoll. Danke. Ich will dich unterstützen. Ich weiß, das habe ich früher nicht getan und das war falsch. Du bist wirklich gut darin.“ Ich hob meinen Kopf, um Tristan mit einzubeziehen. „Der Tanz, den ihr zwei da hingelegt habt, war echt cool.“
Tristan nickte, wandte sich dann so schlagartig um, dass sein schwarzes Cape hinter ihm flatterte, und schlenderte davon, um sich einer Gruppe älterer Männer anzuschließen, die den Kellner herüberwinkten, um ihre Gläser auffüllen zu lassen. Er begann zu tanzen, rieb sich an einem Mann, der seine Hüften ergriff und ihn drängte, weiter zu machen.
„Was ist seine Geschichte?“ Ich stupste Frankie an.
„Keine Ahnung. Er redet nicht wirklich viel mit uns. Bleibt mehr für sich.“ Er drehte sich zu mir um und ich hielt ihn zwischen meinen Armen gefangen. „Ich muss wieder zurück, sonst kriege ich Ärger mit James.“
„Mmmh. Okay. Wie wäre es mit einem Kuss, um mich über Wasser zu halten, bis du fertig bist?“
„Wirst du bis zum Schluss bleiben?“
Eigentlich wollte ich seine Lippen nur leicht streifen, doch ich konnte nicht widerstehen und vertiefte den Kuss, bis wir aneinanderhingen, unsere Münder und Zungen für unsere Herzen sprechend, bis mir schwindelig wurde. Mein Herz pochte und als ich mich wieder beisammen hatte und wir uns trennten, umhüllte uns der Klang von Lachen und Beifallsrufen.
„Ähm, ja. Wenn du das möchtest.“
Ich hatte Frankie seit unserem ersten gemeinsamen Weihnachten nicht mehr so glücklich gesehen. „Ich möchte. Aber erst mal muss ich los.“ Er setzte das Lächeln, das, wie ich nun wusste, nur für die Menge bestimmt war, wieder auf, tanzte davon und war bald inmitten einer Gruppe von Mittdreißigern, die, den Flaschen auf ihrem Tisch nach zu urteilen, Geld loszuwerden hatten. Zugegebenermaßen brannte es in meinem Magen, als ich sah, wie diese Männer Frankies Arsch betatschten und ihn begrapschten. Als er einen von ihnen küsste und sich auf seinem Schoß wand, brauchte ich eine Abkühlung und verließ den Club, um draußen auf und ab zu wandern und die Abendluft mein erhitztes Gemüt kühlen zu lassen. Ich dachte, ich hätte mich im Griff, doch offenbar hatte ich falschgelegen.
„Aaron?“ Frankie stand fröstelnd vor mir, nackt bis auf ein paar dünne Shorts, ein purpurnes Cape und ein paar Stiefel.
„Mir geht’s gut. Geh wieder rein.“ Ich lehnte mich gegen die dreckige Ziegelsteinmauer und beobachtete, wie der Verkehr an uns vorbei zog.
„Nicht, bis ich nicht rausgefunden habe, warum du aus dem Club gelaufen bist, wie von der