Das behandelte grammatische Phänomen in Rothmans Forschungsarbeit ist die Semantik von attributiven Adjektivenattributives Adjektiv. Die getesteten Adjektive verändern ihre Semantik, je nachdem ob sie präpränominal- oder postnominal stehen. Los valientes soldados sind Soldaten, die sich durch ihren Mut als Charaktereigenschaft auszeichnen, wohingegen los soldados valientes diejenigen Soldaten aus einer Gruppe von Soldaten bezeichnet, die mutig sind. Die unterschiedliche Bedeutung wird durch eine unterschiedliche Position des Nomens in der syntaktischensyntaktisch Struktur dargestellt (vgl. GabrielGabriel, Christoph et al. 2018:173 zur Verschiebung des Nomens in der syntaktischensyntaktisch Struktur der romanischen Sprachen). Im Gegensatz zum Spanischen, Portugiesischen und Italienischen (den L3n und eine der L1n) wird für das Englische davon ausgegangen, dass beide Lesarten, die in romanischen Sprachen über die sichtbare präpränominal- und postnominalepostnominal Stellung des Adjektivs erzielt werden, durch pränominalepränominal Adjektive ausdrückbar sind. Im EnglischenEnglisch wird dementsprechend das Nomen in der syntaktischensyntaktisch Struktur immer nur so weit verschoben, wie es für romanische Wortgruppen mit einem Nomen als Kern und einem pränominalenpränominal Adjektiv notwendig ist.
Insgesamt wurden 60 Probanden getestet. 17 Sprecher mit Spanisch und 16 mit PortugiesischPortugiesisch als Muttersprache bildeten die Kontrollgruppe. Die L2 der Probanden wurde auf nahezu muttersprachlichem Niveau beherrscht. Der in der L3 erreichte Kompetenzgrad war mit intermediär angegeben. Die Probanden der ersten L3-Gruppe haben ItalienischItalienisch (L1) und Englisch (L2), die der zweiten Gruppe Englisch (L1) und Spanisch (L2) erworben. Ein Test überprüfte die Interpretation präpränominal- und postnominalerpostnominal Adjektive durch die L3-Lerner. Bei dem sogenannten Collocation Task sollten die Probanden Adjektive in Lücken einsetzen, entweder vor oder nach dem Nomen.
Das Hauptergebnis ist, dass alle L3-Lerner Testergebnisse auf einem Niveau erzielt haben, welches mit den Sprechern der Kontrollgruppe übereinstimmt. Dieses Ergebnis wird auf den Umstand zurückgeführt, dass die Lerner eine L1 oder eine L2 mitbringen, aus der sie ihr Wissen über die Syntax von Adjektiven übernehmen können. Die Ergebnisse sprechen gegen das L2 Status Factor ModellL2 Status Factor Modell (vgl. in 1.4), da die L2 (Englisch) keine Rolle gespielt hat. Das Ergebnis ist kompatibel mit dem CEMCumulative Enhancement Modell, RothmanRothman, Jason hat jedoch die Gültigkeit dieser Ansicht in anderen Studien widerlegt (wo gezeigt wurde, dass der negative Transfer aus der typologischTypologie nahen Sprache in die L3 existiert). Als ein Beispiel nennt RothmanRothman, Jason (2011) den Null-Subjekt-ParameterNull-Subjekt-Parameter (vgl. hierzu MüllerMüller, Natascha 2016:Kapitel 6.2). Aufgrund der (psycho)typologischenTypologie NäheNähe zwischen der L3 (hier ItalienischItalienisch, Französisch) und der L2 Spanisch (Englisch war die L1) wird die Null-Subjekt-Eigenschaft aus der L2 in die L3 Französisch transferiert, obwohl die L3 keine Null-Subjekt-Sprache ist. Wichtig zu erwähnen ist, dass die von RothmanRothman, Jason untersuchten Lerner keine Anfänger waren, wie die Lerner in der Studie von BardelBardel, Camilla & FalkFalk, Ylva (2007), die wir weiter unten vorstellen werden. RothmanRothman, Jason (2011) gibt in diesem Zusammenhang noch zu bedenken, dass die von ihm getesteten Studenten im ersten Studiensemester für die L3n waren, d.h. ihr (grammatisches) Wissen entsprach zwar schon einem fortgeschrittenen Niveau, sie waren der L3 aber erst eine sehr kurze Zeit ausgesetzt. Im dargestellten Experiment blockiert die typologischTypologie nähere Sprache die typologischTypologie entferntere Sprache, wenn die L3 aktiviert wird. Diese typologischTypologie entfernte Sprache spielt jedoch beim L2-Erwerb des Spanischen bzw. Portugiesischen eine Rolle; die L1 Englisch wirkt sich negativ auf die L2 Spanisch aus. Spracheneinfluss auf die L3 ist demnach nicht nur kumulativkumulativ, sondern auch selektivselektiv, d.h. die typologischeTypologie Nähe einer bereits erworbenen Sprache im Vergleich zur L3 wirkt wie ein Filter für den Transfer. Sehr vorsichtig dürfen wir auf der Basis des TPM vermuten, dass trilingual aufwachsende Kinder in bestimmten grammatischen Bereichen besser abschneiden als Kinder, die nur eine oder zwei Sprachen von Geburt an erwerben, wenn die involvierten Sprachen typologischTypologie nah sind.
1.4 Das L2 Status Factor Modell
L2 Status Factor ModellBardelBardel, Camilla & FalkFalk, Ylva (2007) gehen in einer Studie der Frage nach, ob der Einfluss der L1 und der L2 tatsächlich kumulativkumulativ oder (typologischTypologie) selektivselektiv ist oder aber, ob der L2 im L3-Erwerbsprozess eine Sonderstellung zukommt, weil sie auf ähnliche Weise wie die L3 erworben wird.
Die analysierten Drittsprachen in der Studie sind SchwedischSchwedisch und NiederländischNiederländisch. Das syntaktischesyntaktisch Phänomen ist die NegationNegation; in beiden Drittsprachen steht die Negationspartikel postverbal, eine typische Eigenschaft von Verb-Zweit- bzw. V2-SprachenV2-Sprache. Das bedeutet, dass die Negationspartikel dem finitenfinit Verb (das mit dem Subjekt hinsichtlich Person und Numerus kongruiert) folgt, welches strukturell die Position nach der ersten KonstituenteKonstituente (zusammengehörige Wortgruppe, vgl. 5.1.1.2) besetzt. Die Studie unterscheidet nun zwei Lernergruppen: Eine, bei der die L1 eine V2-SpracheV2-Sprache (Niederländisch, Schwedisch), die L2 aber keine V2-SpracheV2-Sprache (Englisch) ist, und eine zweite, bei der die L1 keine V2-Sprache (Englisch, UngarischUngarisch, ItalienischItalienisch, AlbanischAlbanisch), wohl aber die L2 eine V2-SpracheV2-Sprache (Deutsch, Niederländisch) ist. Die Studie befasst sich mit solchen Probanden, die die Drittsprache auf Anfängerniveau lernen.
Die Unterschiede zwischen den Sprachen hinsichtlich der Position der NegationNegation sollen am Beispiel von SchwedischSchwedisch und Deutsch, V2-SprachenV2-Sprache, und dem Italienischen, einer Nicht-V2-Sprache, illustriert werden. Die nachfolgenden Sätze sind Übersetzungen voneinander und stammen alle aus der Arbeit von BardelBardel, Camilla & FalkFalk, Ylva (2007). Das Negationsadverb ist kursiv hervorgehoben.
14. | Ginger pratar inte |
15. | Ungerska är inte svårt |
16. | Ginger har inte pratat |
17. | Ginger spricht nicht |
18. | Ungarisch ist nicht schwierig |
19. | Ginger hat nicht gesprochen |
20. | Ginger non parla |
21. | L'ungherese non è difficile |
22. | Ginger non ha parlato |
Es wird deutlich, dass in V2-SprachenV2-Sprache die Satznegation postverbal steht, in Nicht-V2-Sprachen steht das Negationsadverb nicht an dieser Position. Die SprachkonstellationSprachkonstellation erlaubt es nun, aus den Erwerbsdaten herauszulesen, ob die L1 oder die L2 den Erwerb der NegationNegation in einer Drittsprache beeinflusst, da die Drittsprachen immer V2-SprachenV2-Sprache waren und sich die L1 und die L2 in dieser Hinsicht und somit auch hinsichtlich der Position der Negation systematisch voneinander unterscheiden.
Wäre CEMCumulative Enhancement Modell das gültige Modell, so sollten alle Lerner ohne Probleme die postverbalepostverbal Positionierung der NegationNegation im Schwedischen bzw. Niederländischen lernen, da entweder die L1 oder die L2 der Lerner eine V2-SpracheV2-Sprache darstellt und dieses Wissen in die L3 übertragen werden könnte. Die Gruppen verhalten sich aber nicht einheitlich, was dem CEM widerspricht.
Wäre allein