Sprachliche Entwicklung (insbesondere die kindliche) wird im Sinne eines funktionalistischen Ansatzes als Erwerb von form-function mappings betrachtet. Funktionalistische Ansätze nehmen an – basierend auf einer gebrauchsorientierten Grundhypothese –, dass die von Sprechern (oder allgemeiner: von Interaktionspartnern) verwendeten Kodierungsmöglichkeiten eine zentrale Rolle im kindlichen Erwerbsprozess spielen (vgl. Tomlin 1990: 160f.). Spracherwerb ist in diesem Sinne dann erfolgreich, wenn Lerner die einzelsprachlichen Form-Funktions-Paare mühelos en- und dekodieren können. Lerner stehen vor der Aufgabe, passende Formen zum Ausdruck konkreter Inhalte und Konzepte aus dem Input zu filtern und sie in angemessener Weise, das heißt für den Kommunikationspartner verständlich zu gebrauchen. Kommunikative Funktionen und semantische Konzepte bestimmen dabei in Abhängigkeit von der kognitiven Entwicklung des Lerners den Erwerbsprozess und die Erwerbsverläufe, sodass Erwerbsprozesse zunächst „meaning-driven“ sind:
[C]ommunicative functions can drive the learner in a rather special way, by directing attention to regularities in the linguistic environment. The child is scanning the input for ways to convey interests and needs, trying to extract information that will help in predicting the behavior and attitudes of other people. (Bates/MacWhinney 1989: 31)
Kindliche Lerner mit einer uneingeschränkten physiologischen Entwicklung sind nicht nur in der Lage, sprachliche Laute als Möglichkeit der Kommunikation zu erkennen. Sie können (baiserend auf dem Ausbau semantischer Konzepte und kommunikativer Funktionen) in einem nächsten Schritt mittels konkreter kognitiver Fertigkeiten (Kategorisierung, Klassifizierung, Analogiebildung, Abstraktion) den sprachlichen Input analysieren und systematisieren. Lerner können in einer bestimmten Erwerbsphase spezifische Lexeme einzelnen Objekten zuordnen und im weiteren Erwerbsverlauf auch grammatische Strukturen als Ausdrucksmöglichkeiten für komplexere Konzepte nutzen. Funktionalistische Ansätze nehmen dabei an, dass das Suchen nach Formen eng mit der kognitiven Ausbildung dieser Konzepte verknüpft ist, was als zentrale Vorläuferfertigkeit betrachtet werden muss. Erst wenn ein Kind beispielsweise verstanden hat, dass belebte, meist menschliche Wesen in der Lage sind, unbelebte Objekte zu bewegen und ihren Zustand zu verändern, entsteht ein Konzept von Transitivität. Wenn dieses Grundverständnis kognitiv verankert ist, kann der Lerner den sprachlichen Input nach passenden Verpackungsmöglichkeiten durchsuchen und das Konzept verbalisieren (vgl. Mandler 1992, 2012). Im Rahmen des funktionalen Spracherwerbs wird diese Voraussetzung als functional readiness bezeichnet (vgl. Bates/MacWhinney 1987b, MacWhinney 1987b, 1988). Das Konzept der functional readiness ist stark angelehnt an die Annahme, dass Funktionen sprachungebunden und damit quasi funktional-semantische Universalien seien. Tomlin zufolge (1990: 165) ist es deshalb notwendig, diese zunächst systematisch zu erfassen, bevor untersucht werden könne, wie sie den Erwerb passender sprachlicher Kodierungsmöglichkeiten steuern.
Der Zugang über die functional readiness fragt danach, welche Konzepte ausgebildet sein müssen, damit sprachliche Mittel zur Realisierung dieser Konzepte überhaupt erst gebraucht werden können. Der Zugang über die Form fragt hingegen danach, mit welchen semantischen Konzepten spezifische sprachliche Formen verknüpft werden. Eine Fragestellung wäre in diesem Zusammenhang zum Beispiel, ob Kinder eine NVN-Konstruktion mit einer kausalen semantischen Relation zwischen zwei Aktanten verbinden. Ebenso kann danach gefragt werden, mit welchen semantischen Rollen Sprecher eine morphologische Artikelform wie die oder dem verknüpfen. Beide Zugänge gehen von der kognitiven Repräsentation von Form-Funktions-Relationen aus. Die Zielrichtung ist im ersten Fall das mapping von Form auf semantische Konzepte, im zweiten hingegen das mapping von semantischen Konzepten auf Form(en). Letzteres steht im Fokus dieser Arbeit.
Dass Lerner nicht nur über funktionales Wissen verfügen müssen, um sprachliche Mittel zu entdecken und zu gebrauchen, sondern dass die sprachliche Form an sich, das heißt losgelöst von kommunikativen Absichten und semantischen Konzepten, den Erwerbsprozess beeinflussen kann, ist wahrscheinlich. So kann davon ausgegangen werden, dass Lerner Strukturen und Konstruktionen wahrnehmen und abspeichern, ohne diese in Hinblick auf ihre Funktion zu analysieren. Denkbar wäre dazu folgendes Szenario: Ein Lerner könnte im Input ein Lexem wie Mann in unterschiedlichen syntaktischen Kontexten in NPs wie der Mann, aber auch dem Mann oder den Mann antreffen. Je häufiger das Item Mann also in unterschiedlichen Rollen und damit mit unterschiedlichen Kasusmarkern gebraucht wird, desto wahrscheinlicher wird es, dass ein Lerner ein Flexionsparadigma für dieses spezifische Lexem ausbildet. In diesem Paradigma würden die Artikelformen der, den und dem als potentiell zugehörige Bestandteile des Lexems Mann gespeichert, ohne dass dem Lerner klar sein muss, dass die jeweiligen Artikelformen als Indikatoren für divergierende Rollen verwendet werden. Das mapping zwischen den identifizierten Formen und ihrer Funktion als Marker für semantische Rollen könnte dann in einem nächsten Schritt erfolgen. Wenn Lerner also versuchen, Sprache in Hinblick auf ihren funktionalen Gehalt zu analysieren, so müssten auch identifizierte formale Regelmäßigkeiten und paradigmatische Charakteristika hinsichtlich ihrer Funktion ‚abgeklopft‘ werden, ohne dass das zugehörige Konzept vollständig ausgebildet sein muss. Bates/MacWhinney (1989: 31) fassen die Interdependenz zwischen funktionalen Voraussetzungen und formal-grammatischem Wissen so zusammen, dass beide Ebenen das Erlernen von mappings steuern: „[T]he