Diese höchste Mittelfeldposition muss allerdings nicht die Basisposition des versetzten Elements sein. Es kann auch erst durch eine vorangehende Bewegung in diese Position gelangt sein. Zum Beispiel kann der formalen Bewegung auch eine Umstellung im Mittelfeld (sogenanntes ScramblingScrambling) vorangehen. Aus (18a) wird durch Scrambling (18b), indem das instrumentale Adverbial vor das Subjekt gestellt wird. Nach dieser Umstellung weist mit der Axt die höchste Mittelfeldposition auf und kann durch Anwendung des Mechanismus der Formalen BewegungFormale BewegungFormale Bewegung ins Vorfeld gelangen (vgl. (18c)).
(18) | a. | (dass) Otto [mit der Axt] [den Baum] gefällt hat |
b. | (dass) [mit der Axt]1 Otto t1 [den Baum] gefällt hat | |
c. | [Mit der Axt]1 hat t1' Otto t1 [den Baum] gefällt. (Frey 2006: 241) |
Das Adverbial kann nur vorangestellt werden, indem es zunächst an den linken Mittelfeldrand gescrambelt wird. Andernfalls wäre nicht die höchste Mittelfeldposition die Position, aus der die Bewegung erfolgt. Da gescrambelte Strukturen ohnehin als markiert bewertet werden (vgl. (19a) vs. (19b)), ist die Struktur ebenfalls markiert, wenn die gescrambelte Phrase anschließend ins Vorfeld bewegt wird.
(19) | a. | Hans erzählt, dass Otto mit der Axt den Baum gefällt hat. |
b. | #Hans erzählt, dass [mit der Axt]1 Otto t1 den Baum gefällt hat. |
Formale Bewegung führt zu keiner semantisch-pragmatischen Veränderung. Der Status der ins Vorfeld angehobenen Konstituente bleibt erhalten, weshalb Formale Bewegung auch keinen Einfluss auf Markiertheitsgrade nimmt.
2.1.2 Basisgenerierung
Obwohl es – wie wir zu Beginn dieses Abschnitts gesehen haben – eine Standardannahme ist, dass das Vorfeld stets die Landeposition für eine vorangestellte Konstituente ist, führen Daten wie in (20) und (21) Frey zu der Annahme, dass das Vorfeld auch durch eine dort basisgenerierte PhraseBasisgenerierung gefüllt werden kann.
(20) | a. | Am Rande bemerkt bin ich etwas enttäuscht von dir. |
b. | Kein Wunder spricht Peter so gut Französisch. | |
c. | Ein Glück habe ich den Regenschirm dabei. |
(21) | a. | *Ich bin am Rande bemerkt etwas enttäuscht von dir. |
b. | *Peter spricht kein Wunder so gut Französisch. | |
c. | *Ich habe ein Glück den Regenschirm dabei. (Frey 2006: 243) |
Der Vergleich von (20) und (21) zeigt, dass es anscheinend Phrasen gibt, die im Vorfeld, nicht aber im MittelfeldMittelfeld stehen können. Die Sätze in (21) sind ungrammatisch, außer man verwendet die betroffenen Konstituenten als ParenthesenParenthese. In diesem Gebrauch werden die Ausdrücke dann intonatorisch abgesetzt. In der Schriftsprache würde man sie mit Gedankenstrichen oder Klammern absetzen.
Wenn die betroffenen Phrasen nicht im Mittelfeld stehen können, können sie folglich auch nicht dadurch ins Vorfeld gelangt sein, dass sie aus dem Mittelfeld ins Vorfeld vorangestellt wurden.
Neben der Formalen BewegungFormale Bewegung gibt es Frey zufolge deshalb eine zweite Möglichkeit, das Vorfeld im Deutschen zu füllen: Für eine Klasse von Elementen gilt, dass sie dort basisgeneriertBasisgenerierung sind.
Und es gibt s.E. auch eine dritte Möglichkeit für eine Konstituente ins Vorfeld zu gelangen. Die beteiligte Operation bezeichnet der Autor als echte A'-BewegungEchte A'-Bewegung.
2.1.3 Echte A'-Bewegung
Dieser Typ von Bewegung ist echt, weil auf diesen Fall zutrifft, was für Bewegung in aktueller Syntaxtheorie allgemeinhin angenommen wird: Die Umstellung ist motiviert. In diesem Fall geht mit dieser Operation ein bestimmter diskursstruktureller Status der Phrase im Vorfeld einher.
Die genaue diskursstrukturelle FunktionDiskursfunktion lässt sich illustrieren, indem man die Interpretation und Akzentuierung eines Satzes, in dem ein Topik das Vorfeld füllt, das aus dem Mittelfeld desselben Satzes stammt, mit der Interpretation eines Satzes vergleicht, in dem das Vorfeldtopik aus einem eingebetteten Satz stammt. Im ersten Fall wurde das Topik also kurzKurze A'-Bewegung, im zweiten langLange A'-Bewegung bewegt.
(22) | Ich erzähle dir was über Max. | |
a. | [Den Max]1 sollte der Chef t1 mitnehmen. | |
b. | [Den Max]1 meint Eva, dass der Chef t1 mitnehmen sollte. (Frey 2006: 244f.) |
In (22b) erhält den Max anders als in (22a) einen AkzentAkzentuierung, obwohl der Referent in beiden Sätzen gleichermaßen gegeben ist. Dass eine versetzte Konstituente bei langer Bewegung einen Akzent erhalten muss, ist unabhängig angenommen worden. Elemente, die nicht akzentuierbar sind, können nicht lang bewegt werden. In (23) z.B. kann das Pronomen es nicht aus dem dass-Nebensatz ins Vorfeld des Hauptsatzes umgestellt werden. Für dieses Pronomen gilt, dass es nicht akzentuiert werden kann.
(23) | Ich habe etwas über das Verbrechen in der Wrangelstraße gehört. | ||
a. | Es1 hat anscheinend keiner t1 bemerkt. | ||
b. | *Es1 sagt die Polizei, [dass anscheinend keiner t1 bemerkt hat]. | (Frey 2006: 245) |
Auch interpretatorisch unterscheiden sich (22a) und (22b). (22a) kann einfach eine Aussage über Max sein. (22b) scheint nur angemessen unter der Lesart, dass Max in einer KontrastrelationKontrast zu anderen Personen steht. Der Referent Max wird aus einer Menge von Alternativen ausgewählt. Zusätzlich tritt der Schluss ein, dass Max der einzige Referent ist, für den der Satzinhalt gilt. Es handelt sich hierbei um eine QuantitätsimplikaturQuantitätsimplikatur, die auf die folgende Weise zustandekommt: Der Sprecher teilt so viel Information mit, wie es ihm möglich