Kreuz Teufels Luder. Evelyna Kottmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Evelyna Kottmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная психология
Год издания: 0
isbn: 9783038550266
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      Vater Jakob hat seinen Wohnsitz immer noch in unserer Gemeinde.

      Mit vorzüglicher Hochachtung

      [Gemeindepolizei]

      9. November 1966,

       Schreiben der Leitung einer Organisation

      Mit einem Schreiben haben wir das Gerichtspräsidium der Stadt ersucht, im Ehescheidungsverfahren Mutter Lilith und Vater Jakob die vorsorglichen Massregeln gemäss Art. 145 ZGB in Bezug auf die Versorgung der Kinder zu treffen.

      Als Begründung für diese Massnahme haben wir festgestellt, dass der Stadtrat, als Vormundschaftsbehörde am 14. August 1962 die Wegnahme der Kinder verfügt hat. (Diese Verfügung wurde im ­Beschwerdeverfahren am 18. Februar 1963 sanktioniert)!

      Da sich für die Kinder in der Zeit nichts geändert hat, sei eine Wegnahme der Kinder dringend erforderlich.

      Das Gerichtspräsidium teilt uns nun mit, das bis heute kein Präliminarbegehren eingegangen sei, gestützt auf welches die Verhältnisse der Familie zu regeln wären.

      Wir bitten Sie, das administrative Verfahren im Sinne von Art. 283 und 284 ZGB durchzuführen und die Kinder zu versorgen!

      Mit freundlichen Grüssen

      7. Januar 1967,

       Bericht von Frau Alice

      Am 2. Januar 1967 besuchte ich gemeinsam mit mei­nem Mann die Familie Lilith in ihrer Wohnung. Bekanntlich lebt Vater Jakob nicht zuhause bei Lilith und Kindern, doch ist ein anderer Mann anwesend, ein Untermieter, wie Frau Lilith mir ­mitteilte.

      Obwohl wir unangemeldet vorsprachen, fanden wir eine gut aufgeräumte Wohnung vor. Die Kinder waren sauber gekleidet. Alle vier Kinder ent­wickeln sich nach unserem Dafürhalten absolut normal. Anzeichen einer Unterernährung oder seelischern Verwahrlosung konnten wir nicht beobachten. Mutter Lilith erwartet ihr fünftes Kind.

      Gesprächsweise sind wir auf die Frage der ­Versorgung der Kinder in einer Anstalt eingegangen. Mutter Lilith wehrte sich energisch.

      Wir haben Mutter Lilith in Anwesenheit des dort lebenden Mannes dringend gebeten, in Bezug auf die Ehe, nun endlich geordnete Verhältnisse anzustreben.

      Anschliessend möchten wir festhalten, dass sich eine Versorgung der Kinder aus den oben ­erwähnten Beobachtungen nicht aufdrängt, dass die finanziellen Mittel aber sehr knapp sein dürften (Miet­zinsrückstand) und sich Massnahmen eher in diesem Bereich aufdrängen dürften.

      Mit freundlichen Grüssen

      Frau Alice

      11. Januar 1967,

       Schreiben des Fürsorgeamtes

      Bekanntlich ist der Fall Mutter Lilith die am 18. Juni 1966 in eine andere Gemeinde fortzog, neuer­dings aktuell geworden.

      Folgende Erkenntnisse haben wir gewonnen

      1. Die Familie wurde von Frau Alice, die durch den Gemeinderat mit dem Schreiben vom 8. Nov. 1965 mit der Erziehungskontrolle über die vier Kinder ­beauftragt worden war, häufig besucht und intensiv betreut.

      Ich selber habe die Familie nur wenige Male besucht, dabei aber leider nie befriedigende ­Verhältnisse angetroffen. Die vier Kinder waren in einem Zimmer eingesperrt – die Mutter lag um 11 Uhr noch im Bett, ein andermal waren sie ebenfalls aus der Stube ausgeschlossen und hatten im kalten Gang, zum Teil dürftig bekleidet, sich zu verweilen, Küche und Stube in bedenklicher Unordnung.

      Als durch die Gegenwart sowohl von Vater Jakob als auch von einem anderen Mann im gleichen Haushalt immer grössere Probleme und Schwierigkeiten entstanden, tendierte das Fürsorgeamt in Richtung Wegnahme der beiden älteren Kinder.

      Vater Jakob war schliesslich mit einer Platzierung in ein Kinderheim einverstanden. Im letzten Moment weigerte er sich indessen, die entsprechende Erklärung zu unterzeichnen.

      Am 18. Juni 1966 zogen die Leute weiter und entzogen sich damit unserer Einflusssphäre.

      2. Aus dem Bericht von Frau Alice ist zu entnehmen, dass die Kinder im gegenwärtigen Milieu zu belassen seien.

      3. Unsere Stellungnahme ist folgende:

      Man tut der Mutter einen Dienst, wenn man Ihr die Kinder belässt. Ob aber auch den Kleinen?

      Die Familie stösst bei jeder Gemeinde an und fällt mir ihrem Verhalten auf. Mutter Lilith lebt mit verschiedenen Männern in unsittlicher Weise im Konkubinat. Vater Jakob teilt immer wieder ­Lilith mit den bei ihr lebenden vorbeikommenden Männern.

      Die Szenen spielen sich immer gleich ab, auch wenn sie weiterziehen.

      Dieses sich teilen von verschiedenen Männern ist ernstlich bedenklich.

      Ob das körperliche-seelische Wohl der Kleinen einigermassen gewährleistet ist, ist fraglich.

      Ein wichtiges Moment in unsere Frage spielt der Umstand, dass Mutter Lilith das 5te Kind erwartet. Sie hat verschiedentlich gedroht, dass ein Familiendrama entstehe, (sie meint damit, dass sie sich selber und die Kleinen umbringen würde), wenn man auch nur eines der Kinder wegzunehmen versuche.

      Das Problem um die Kinder kann nicht für sich gesondert behandelt werden, sondern steht in engstem Zusammenhang mit den Problemen der Eltern. Es muss eine Gesamtlösung angestrebt werden. Es ist für die Familie auch psychologisch erträglicher, wenn die Regelung der Kinderfrage im Rahmen des immer freiwillig angestrebten Entscheidungsprozesses geschieht. Wichtig aber, im Interesse der Kinder, ist nun unbedingt eine beschleunigte Prozessführung und eine rasche Entscheidung darüber, was mit den Kindern zu geschehen hat (bloss nicht vor der Geburt des 5. Kindes!). Aus menschlichen Erwägungen sollten sodann auf keinen Fall alle Kinder mit­einander weggenommen werden, – und bei auch nur einigermassen günstiger Weiterentwicklung nur als vorübergehende Massnahme.

      Mit vorzüglicher Hochachtung

      Fürsorgeamt

      12. Januar 1967,

       Brief von Frau Alice an das Fürsorgeamt

      Wie uns scheint dramatisiert der Gemeindeschreiber den ganzen Fall sehr, um das Konkubinat von Mutter Lilith bald aus seinem Arbeitsbereich herauszubekommen. Unsere Ansicht wird durch verschiedene Berichte von Gemeindemitgliedern bestärkt.

      Wir stellen fest, dass diese Leute weder mit materiellen noch mit geistigen Gütern gesegnet sind. Das Konkubinat von Mutter Lilith wird nicht von langer Dauer sein. Wir sind der Ansicht, dass man das ganze Problem reifen lassen muss.

      Auf eine Wegnahme der Kinder reagieren die Leute bitter. Hilfe aus der Armenkasse wirt nicht gewünscht.

      Neben der fürsorgerischen Seite, welche der materiellen wenn immer möglich vorgezogen werden sollte, ist auf die ernormen Auslagen, welche eine Versorgung der Kinder verursachen würde, hin­zu­weisen.

      Ich beantrage, dem Gemeinderat zu empfehlen, Frau Lilith und ihre Kinder armenrechtlich gem. Konkordat zu unterstützen. Eine solche Massnahme dürfte vorerst für die zahlungspflichtigen Gemeinden die billigste und nach Ansicht von mir für die Familie auch die beste Lösung sein.

      Mit freundlichen Grüssen

      Frau Alice

      10. Februar 1967,

       Schreiben der Vormundschaftsbehörde

      Frau Lilith und ihre Kinder wurden auf die Strasse gestellt. Die Frau und Ihre vier Kinder haben Un­ter­schlupf gefunden bei Vater Jakob.

      Hinsichtlich Hausrat ist folgendes festgestellt worden:

      Es ist ein einziges Bett vorhanden, in das sich Vater Jakob und die vier Kinder teilen, (3 Kinder schlafen auf der Obermatratze, nur dürftig bedeckt, – Vater Jakob und Luisa benützen die Untermatratze). Frau Lilith schläft auf dem alten Sofa im kleinen Stübli.

      Den Kindern fehlt es an Kleidern, sie tragen ­defekte, schmutzige Kleidchen.

      Das Dringendste haben wir den Kindern im Anschluss an den