Nach dem Maximum der Bremsverzögerung begann sich die Amplitude der Oszillationen des Raumfahrzeugs aufzubauen. Ich hielt sie mit dem manuellen Fly-by-Wire System unter Kontrolle bis der manuelle Treibstoff verbraucht war. Nach diesem Punkt war ich, ohne es zu wissen, nur mit dem (nun treibstofflosen: Der Übersetzer) Fly-by-Wire System verblieben und die Oszillationen nahmen wieder zu. Ich wechselte zum Hilfs-Dämpfungssystem, welches das Raumfahrzeug unter Kontrolle hielt, bis auch da der Treibstoff verbraucht war. Ich langte gerade zum Schalter, um den vorzeitigen Auswurf des Stabilisierungsschirms zu veranlassen um diese Schwingungen zu reduzieren, als er auch schon automatisch ausgeworfen wurde. Der Pilotschirm stabilisierte das Raumfahrzeug schnell. Bei 10.800 Fuß wurde der Hauptschirm ausgeworfen. Ich konnte ihn über mir herausströmen sehen, zunächst nur teilgefüllt. Als die Reff-cutter aktiviert wurden, füllte sich der Schirm komplett. Die Öffnung des Fallschirms verursachte einen Ruck, aber weniger stark, als ich erwartet hatte. Der Aufschlag bei der Landung war dagegen härter, als ich erwartet hatte. Zuvor hatte ich alle Anschlüsse zu meinem Raumanzug getrennt und mich für einen schnellen Ausstieg vorbereitet. Dafür war aber kein Bedarf. Ich erhielt die Nachricht, dass mich der Zerstörer Noa innerhalb von 20 Minuten aufnehmen würde. So lag ich ruhig im Raumfahrzeug und versuchte so kühl wie möglich zu bleiben. Die Temperatur im Inneren des Raumfahrzeugs schien nicht zu sinken. Das in Verbindung mit der hohen Feuchtigkeit der Luft, die jetzt ins Raumfahrzeug geleitet wurde, hielt mich unangenehm warm und ich schwitzte heftig. Als die Noah längsseits war, gab es ein wenig Verzögerung bei der Bergung. Das Raumfahrzeug wurde teilweise aus dem Wasser gehoben, um das Wasser aus dem Lande-Airbag herauslaufen zu lassen. Während des Anhebens des Raumfahrzeugs bekam ich einen heftigen Schlag. Es war wahrscheinlich der härteste Stoß der ganzen Reise, als das Raumfahrzeug beim Heraufziehen gegen die Seite des Schiffes prallte. Gleich danach war das Raumfahrzeug an Deck. Ich hatte ursprünglich geplant, durch die Spitze des Raumfahrzeugs auszusteigen, aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits für etwa 45 Minuten heftig geschwitzt. Ich entschied mich stattdessen, die seitliche Sprengluke zu aktivieren um auszusteigen.
NASA
John Glenn wird mit dem Hubschrauber von der Noah abgeholt und zur USS Randolph geflogen.
Schlussbemerkung
Was kann nun über den Menschen als Teil des Systems gesagt werden? Von erheblicher Bedeutung ist die Erkenntnis, dass auf den Menschen als zuverlässig handelndem Teil der Mensch-Raumfahrzeug-Kombination viel mehr Bedeutung gelegt werden kann. Auf vielen Gebieten kann seine sichere Rückkehr von seinem eigenen intelligenten Handeln abhängig gemacht werden. Obwohl bislang noch keine diesbezügliche Design-Philosophie etabliert wurde, betrachtete das Projekt Mercury dennoch den Astronauten nie als hauptsächlich passiven Passagier. Diese Gebiete müssen vorsichtig erwogen werden, denn der Mensch ist nicht unfehlbar, wie wir alle nur zu gut wissen. Ein Beispiel dafür aus dem Flugverlauf: Einige von ihnen mögen bemerkt haben, dass es eine kleine Diskrepanz der (mittels der automatisch laufenden Filmkamera – der Übersetzer) vom Piloten aufgenommenen Fotos beim Start und der Landung gibt. Beim Start war das Visier geschlossen. Während des Wiedereintritts war es offen. Wäre der Kabinendruck gefallen, dann hätte ich die Gesichtsplatte rechtzeitig schließen können, um eine Dekompression zu vermeiden. Nichtsdestotrotz war der Wiedereintritt mit offenem Visier nicht geplant gewesen. Auch auf dem Boden würde man nunmehr einiges anders machen. Als Beispiel halte ich es für ratsam, im Fall einer vermuteten Fehlfunktion, wie etwa den Problemen mit dem Hitzeschild-Retropack, die ausführliche Beratungen zwischen dem Bodenpersonal erfordern, dem Piloten jedes Bit an Information sofort weiterzugeben, anstatt darauf zu warten, dass man ihm am Ende eine finale, klar umrissene Empfehlung vom Boden aus geben kann. Dies würde den Piloten in jeder Phase voll informiert halten, vor allem für den Fall, wenn es im weiteren Verlauf des Fluges zu Kommunikationsproblemen käme, die es für ihn notwendig machen, alle seine Entscheidungen aufgrund der Informationen zu fällen, die er bereits verfügbar hat (Der Übersetzer: Die Bodenkontrolle informierte John Glenn nicht über ein mögliches Problem mit dem Hitzeschild, obwohl er aus den spezifischen Fragen, die ihm im Verlauf des Fluges gestellt wurden, darauf schließen musste, dass ein ihm unbekanntes ernstes Problem vorläge. Die „Geheimnistuerei“ um diesen Punkt wurde seinerzeit als der größter Fehler der Mission betrachtet).
Viele Dinge würden anders gemacht werden, wenn dieser Flug noch einmal unternommen werden könnte. Aber wir lernen aus unseren Fehlern. Ich habe nie einen Testflug mit einem Flugzeug durchgeführt, bei dem ich mir bei der Rückkehr nicht gewünscht hätte, dass ich manches anders gemacht hätte. Auch dort, wo automatische Systeme noch notwendig sind, wird die Missionszuverlässigkeit immens erhöht, wenn zur Sicherheit ein Mensch verfügbar ist. Der Flug von Friendship 7 ist ein gutes Beispiel dafür. Die Mission hätte fast sicher nicht ihre drei Orbits beendet, und das Raumfahrzeug wäre möglicherweise überhaupt nicht zurückgekommen, wäre nicht ein Mensch an Bord gewesen. Der Flug des Friendship 7 Mercury-Raumfahrzeugs hat bewiesen, dass sich der Mensch schnell an diese neue Umgebung anpassen kann. Seine Sinne und Fähigkeiten werden durch den Aufenthalt im Weltraum kaum verändert. Zumindest für die 4,5-stündige Dauer dieser Mission stellt die Schwerelosigkeit kein Problem dar. Die Flexibilität des Menschen wird durch seine Kraft der Beobachtung offenkundig. Er kann viel mehr und unterschiedlichere Experimente pro Mission bewältigen als man von einem unbemannten Vehikel erhalten könnte. Wenn das Unerwartete eintritt, wie es mit den leuchtenden Partikeln geschah oder mit den Beobachtungen der Atmosphärenschichtung, kann er Feststellungen treffen, die eine schnellere Untersuchung dieser Phänomene bei zukünftigen Flügen ermöglichen. Tatsächlich wären die genannten Beobachtungen bei einem unbemannten Flug gar nicht erst gemacht worden.
Unsere gegenwärtigen Bemühungen im Weltraum können mit den allerersten Flügen in Kitty Hawk verglichen werden. Sie waren zunächst unbemannt, doch bald kamen bemannte Flüge, vollständig vorgeplant und nur wenige Sekunden lang. Aber bald schon folgten längere und komplexere bemannte Flüge. Das ist in etwa die Entwicklungsstufe, auf der sich die Weltraumforschung derzeit befindet.
John Glenn verließ die NASA im Jahre 1964 und ging zunächst in die Wirtschaft. Nach einer erfolglosen Kandidatur im Jahre 1970 wurde er 1974 für den US-Bundesstaat Ohio in den Senat gewählt. In diesem Amt blieb er bis 1999. 1984 bewarb er sich für die demokratische Partei um die Kandidatur für das Amt des US-Präsidenten, schied aber in den Vorwahlen aus. Im Jahre 1998 kehrte Glenn in den Weltraum zurück, als er bei der Mission STS-95 an Bord des Shuttles Discovery als Nutzlastspezialist mitflog. Seit dieser