Gesammelte Werke . Joseph von Eichendorff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joseph von Eichendorff
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4066338118448
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Kühnheit sah man ihn, sich an die Sträucher haltend, geschickt von Fels zu Fels über die Abgründe immer höher hinaufschwingen; er hatte bald alle Jäger weit unter sich und verschwand in der Wildnis. Mehrere von der Gesellschaft schrien dabei ängstlich auf. Romana sah ihm furchtlos mit unverwandten Blicken nach; wie sind die Männer beneidenswert! sagte sie, als er sich verloren hatte.

      Die Gesellschaft hatte sich unterdes nach allen Richtungen hin zerstreut, und die Jagd ging wie ein Krieg durch das Gebirge. In tiefster Abgeschiedenheit, wo Bäche in hellen Bogen von den Höhen sprangen, sah man die Gemsen schwindlig von Spitze zu Spitze hüpfen, einsame Jäger dazwischen auf den Klippen erscheinen und wieder verschwinden, einzelne Schüsse fielen hin und her, das Hifthorn verkündigte von Zeit zu Zeit den Tod eines jeden Tieres. Da sah Friedrich auf einem einsamen Fleck nach mehreren Stunden seinen Leontin wagehalsig auf der höchsten von allen den Felsspitzen stehen, daß das Auge den Anblick kaum ertragen konnte. Er erblickte Friedrich und rief zu ihm hinab: Das Pack da unten ist mir unerträglich; wie sie hinter mir drein quiekten, als ich vorher hinaufstieg! Ich bleibe in den Bergen oben, lebe wohl, Bruder! Hierauf wandte er sich wieder weiter und kam nicht mehr zum Vorschein.

      Der Abend rückte heran, in den Tälern wurde es schon dunkel. Die Jagd schien geendigt, nur einzelne kühne Schützen sah man noch hin und wieder an den Klippen hängen, von den letzten Widerscheinen der Abendsonne scharf beleuchtet. Friedrich stand eben in höchster Einsamkeit an seine Flinte gelehnt, als er in einiger Entfernung im Walde singen hörte:

      Dämmrung will die Flügel spreiten,

       Schaurig rühren sich die Bäume,

       Wolken ziehn wie schwere Träume

       Was will dieses Graun bedeuten?

      Hast ein Reh du lieb vor andern,

       Laß es nicht alleine grasen,

       Jäger ziehn im Wald und blasen,

       Stimmen hin und wieder wandern.

      Hast du einen Freund hienieden,

       Trau ihm nicht zu dieser Stunde,

       Freundlich wohl mit Aug und Munde,

       Sinnt er Krieg im tück'schen Frieden.

      Was heut müde gehet unter,

       Hebt sich morgen neugeboren.

       Manches bleibt in Nacht verloren

       Hüte dich, bleib wach und munter!

      Es wurde wieder still. Friedrich erschrak, denn es kam ihm nicht anders vor, als sei er selber mit dem Liede gemeint. Die Stimme war ihm durchaus unbekannt. Er eilte auf den Ort zu, woher der Gesang gekommen war, aber kein Laut ließ sich weiter vernehmen.

      Als er eben so um eine Felsenecke bog, stand plötzlich Rosa in ihrer Jägertracht vor ihm. Sie konnte der Sänger nicht gewesen sein, denn der Gesang hatte sich nach einer ganz andern Richtung hin verloren. Sie schien heftig erschrocken über den unerwarteten Anblick Friedrichs. Hochrot im Gesicht, ängstlich und verwirrt, wandte sie sich schnell und sprang wie ein aufgescheuchtes Reh, ohne der Gefahr zu achten, von Klippe zu Klippe die Höhe hinab, bis sie sich unten im Walde verlor. Friedrich sah ihr lange verwundert nach. Später stieg auch er ins Tal hinab.

      Dort fand er die Gesellschaft auf der schönen Wiese schon größtenteils versammelt. Das Zelt in der Mitte derselben schien von den vielen Lichtern wie in farbigen Flammen zu stehn, eine Tafel mit Wein und allerhand Erfrischungen schimmerte lüstern lockend zwischen den buntgewirkten Teppichen hervor, Männer und Frauen waren in freien Scherzen ringsumher gelagert. Die vielen wandelnden Windlichter der Jäger, deren Scheine an den Felsenwänden und am Walde auf und nieder schweiften, gewährten einen zauberischen Anblick. Mitten unter den fröhlichen Gelagerten und den magischen Lichtern ging Romana für sich allein, eine Gitarre im Arm, auf der Wiese auf und ab. Friedrich glaubte eine auffallende Spannung in ihrem Gesichte und ganzem Wesen zu bemerken. Sie sang:

      In goldner Morgenstunde,

       Weil alles freudig stand,

       Da ritt im heitern Grunde

       Ein Ritter über Land.

      Rings sangen auf das beste

       Die Vöglein mannigfalt,

       Es schüttelte die Äste

       Vor Lust der grüne Wald.

      Den Nacken, stolz gebogen,

       Klopft er dem Rösselein

       So ist er hingezogen

       Tief in den Wald hinein.

      Sein Roß hat er getrieben,

       Ihn trieb der frische Mut;

       ›Ist alles fern geblieben,

       So ist mir wohl und gut!‹

      Sie ging während des Liedes immerfort unruhig auf und ab und sah mehrere Male seitwärts in den Wald hinein, als erwartete sie jemand. Auch sprach sie einmal heimlich mit einem Jäger, worauf dieser sogleich forteilte. Friedrich glaubte manchmal eine plötzliche, aber ebenso schnell wieder verschwindende Ähnlichkeit ihres Gesanges mit jener Stimme auf dem Berge zu bemerken, da sie wieder weiter sang:

      Mit Freuden mußt' er sehen

       Im Wald ein grüne Au,

       Wo Brünnlein kühle gehen,

       Von Blumen rot und blau.

      Vom Roß ist er gesprungen,

       Legt sich zum kühlen Bach,

       Die Wellen lieblich klungen,

       Das ganze Herz zog nach.

      So grüne war der Rasen,

       Es rauschte Bach und Baum,

       Sein Roß tät stille grasen,

       Und alles wie ein Traum.

      Die Wolken sah er gehen,

       Die schifften immerzu,

       Er konnt' nicht widerstehen

       Die Augen sanken ihm zu.

      Nun hört' er Stimmen rinnen,

       Als wie der Liebsten Gruß,

       Er konnt' sich nicht besinnen

       Bis ihn erweckt ein Kuß.

      Wie prächtig glänzt' die Aue!

       Wie Gold der Quell nur floß,

       Und einer süßen Fraue,

       Lag er im weichen Schoß.

      Herr Ritter! wollt Ihr wohnen

       Bei mir im grünen Haus:

       Aus allen Blumenkronen

       Wind ich Euch einen Strauß!

      Der Wald ringsum wird wachen,

       Wie wir beisammen sein,

       Der Kuckuck schelmisch lachen,

       Und alles fröhlich sein.'

      Es bog ihr Angesichte

       Auf ihn, den süßen Leib,

       Schaut mit den Augen lichte

       Das wunderschöne Weib.

      Sie nahm sein'n Helm herunter,

       Löst Krause ihm und Bund,

       Spielt mit den Locken munter,

       Küßt ihm den roten Mund.

      Und spielt' viel süße Spiele

       Wohl in geheimer Lust,

       Es flog so kühl und schwüle

       Ihm um die offne Brust.

      Friedrichs Jäger trat hier eiligst zu seinem Herrn und zog ihn abseits in den Wald, wo er sehr bewegt mit ihm zu sprechen schien. Romana hatte es bemerkt. Sie verwandte gespannt kein Auge von Friedrich und folgte ihm in einiger Entfernung langsam in den Wald nach, während sie dabei weiter sang:

      Um ihn nun tät sie schlagen