Es ist immer sinnvoll, sich einen derartigen Ausdruck daraufhin anzusehen, ob er vielleicht eine bekannte physikalische Größe enthält. Der Differenzialquotient auf der rechten Seite der Gleichung ist die Steigung des Volumens als Funktion der Temperatur bei konstantem Druck. Diesen Wert findet man tabelliert als Koeffizienten der thermischen Ausdehnung α eines Stoffs. Er ist als
definiert und beschreibt die relative Volumenänderung bei Änderung der Temperatur. Je größer α ist, desto ausgeprägter ist die Reaktion des Stoffs auf eine Temperaturänderung. In Tab. 2.8 sind einige experimentelle Werte von α sowie von κT, der isothermen Kompressibilität
gezeigt. Die isotherme Kompressibilität ist ein Maß für die relative Volumenänderung bei einer infinitesimalen Änderung des Drucks. Da eine Druckerhöhung (dp positiv) eine Volumenabnahme (dV negativ) bewirkt, stellt das Vorzeichen in Gl. (2.41) sicher, dass κT selbst eine positive Größe ist.
Tab. 2.8 Koeffizienten der thermischen Ausdehnung (α) und der isothermen Kompressibilität (κT) bei 298 K.*)
Substanz | α/(10−4 K−1) | κT/(10−6 bar−1) |
Flüssigkeiten: | ||
Benzol | 12,4 | 90,9 |
Wasser | 2,1 | 49,0 |
Festkörper: | ||
Blei | 0,861 | 2,18 |
Diamant | 0,030 | 0,185 |
*) Weitere Werte finden Sie im Tabellenteil im Anhang dieses Buchs.
Beispiel 2.7: Berechnung des Koeffizienten der thermischen Ausdehnung eines Gases
Leiten Sie einen Ausdruck für den Koeffizienten der thermischen Ausdehnung eines idealen Gases her.
Vorgehensweise Der Koeffizient der thermischen Ausdehnung ist durch Gl. (2.40) definiert. Um diese Beziehung anzuwenden, drücken wir V unter Verwendung der Zustandsgleichung des idealen Gases durch T aus. Wie der Index in Gl. (2.40) anzeigt, behandeln wir den Druck p als Konstante.
Lösung Wegen pV = nRT ist
Die physikalische Interpretation dieses Ergebnisses lautet: Je höher die Temperatur ist, desto weniger verändert sich das Volumen eines idealen Gases bei einer Temperaturänderung.
Selbsttest 2.7
Leiten Sie einen Ausdruck für die isotherme Kompressibilität eines idealen Gases her.
[Antwort: κT = 1/p]
Durch Einsetzen der allgemeinen Definitionsgleichung für α in die Beziehung für (∂U/∂T)p erhält man
(2.42)
Diese Gleichung gilt allgemein für geschlossene Systeme mit konstanter Zusammensetzung. Sie beschreibt die Abhängigkeit der Inneren Energie von der Temperatur bei konstantem Druck als Funktion von Cv (experimentell messbar), α (durch eine weitere Messung erhältlich) und πT. Für ein ideales Gas ist bekanntlich πT = 0 und damit
Mit anderen Worten: Für ideale Gase ist die Wärmekapazität bei konstantem Volumen gleich der Steigung der Funktion U(T) sowohl (definitionsgemäß) bei konstantem Volumen als auch bei konstantem Druck.
Mithilfe von Gl. (2.43) lässt sich leicht eine Beziehung zwischen CV und CP für ideale Gase herleiten.
In Abschn. 2.2 hatten wir gesehen, dass sich diese beiden Größen vom Betrag her unterscheiden, weil ein Teil der Energie, die in Form von Wärme übertragen wurde, als Volumenarbeit an die Umgebung abgegeben wird, wenn wir das Volumen nicht konstant halten. Zunächst drücken wir beide Wärmekapazitäten als Differenzialquotienten bei konstantem Druck aus:
In den ersten Term setzen wir dann H = U + pV = U + nRT ein und erhalten so
Dies entspricht Gl. (2.25). Mithilfe des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik, den wir in Fokus 3 intensiv besprechen werden, lässt sich zeigen, dass allgemein gilt
Gleichung (2.45) gilt „universell”, d.h. für beliebige Substanzen. Für ein ideales Gas reduziert sie sich wegen α = 1/T und κT = 1/p auf Gl. (2.44). Bekanntlich sind die Ausdehnungskoeffizienten von Flüssigkeiten und Feststoffen klein; es scheint daher verlockend, aus Gl. (2.45) zu schließen, dass in diesen Fällen Cp