Prinz der Wölfe. Dave Gross. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dave Gross
Издательство: Bookwire
Серия: Pathfinder Saga
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783867622783
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etwas über Deinen derzeitigen Aufenthaltsort herauszufinden. Natürlich schickte ich eine Anfrage an meine persönlichen Kontaktleute in Caliphas, doch als ich entdeckte, dass die Wisperlilien in meinem Gewächshaus – die verwandt mit den Blumenzwiebeln sind, die Du bei Dir trägst – alle verwelkt waren, verwandelte sich meine Sorge in Furcht. Ich bete, dass es sich nur um ein Missgeschick handelt, welches unseren letzten Kommunikationsweg unterbrochen hat. Ich werde in dem Glauben und in der Hoffnung fortfahren, dass Du auf meine Unterstützung wartest.

      Ich muss zugeben, dass meine Besorgnis durch Deine beunruhigenden Andeutungen hinsichtlich des Ziels Deiner Expedition bestärkt wird. Meine Recherchen sowohl bei der Loge in Egorian als auch in meiner eigenen Bibliothek haben nur einige wenige Bezüge auf diesen Lacuna-Kodex zu Tage gefördert. Es scheint, als hätte dieses Werk eine Rolle in dem frühesten Konflikt zwischen den letzten Königen von Ustalav und den Agenten dieses grauenerregenden Leichnams gespielt, der als Wispernder Tyrann bekannt ist. Wenn dem so ist, so würde man allerdings erwarten, den Kodex in der Beuteliste von ­Finismur wenigstens erwähnt zu finden, doch meine Korrespondenten haben nichts dergleichen berichtet.

      Die einzige Information, die ich sammeln konnte, bevor ich nach Grünkirchen aufbrach, war ein Hinweis auf einen Folianten eines ähnlichen, grob aus dem Alt-Thassilonischen übersetzten Titels. Wenn dies beides Hinweise auf dasselbe Buch sind, dann ist das darin enthaltene Wissen weit älter, als Du vielleicht annimmst. Schlimmer noch – die mir vorliegenden Informationen weisen darauf hin, dass das Buch seinen Ursprung in den frühesten bekannten Schriften des Kultes von Urgathoa, der Fahlen Fürstin, hat. Meine größte Furcht ist, dass Du in einen Konflikt mit den Anhängern einer neuzeitlichen Zelle dieses schrecklichen Kultes geraten bist, denn die Gräueltaten dieser Nekromanten werden nur noch von der Verderbtheit ihrer Schüler übertroffen. Man kann natürlich nur schwerlich wissen, womit Du rechnest, da seit dem Eingang Deines letzten Berichts mehr als acht Monate vergangen sind.

      Selbstverständlich hat solch langes Schweigen nach dem Erhalt so beunruhigender Hinweise meine Sorge nur verstärkt. Du kannst Dir jedoch meine Überraschung vorstellen, als der Zehnerrat selbst Kontakt zu mir aufnahm, um mich über Deinen letzten Bericht zu befragen – eine Anfrage, die ich unglücklicherweise aufgrund des Informationsmangels nicht befriedigen konnte. Zugegeben, zunächst war ich verärgert darüber, dass Du Deine Berichte doppelt gesendet hattest, sodass, wenn auch unabsichtlich, bei meinen Vorgesetzten in der Gesellschaft der Eindruck entstand, dass ich Dich nicht sonderlich bei Deinen Unternehmungen unterstützen würde. Gepaart mit Gerüchten über die jüngsten unglücklichen Ereignisse in meiner Heimatstadt Egorian, unterminierten solche Schreiben das Vertrauen, das der Zehnerrat seit mehr als sechzig Jahren in mich setzt.

      Es ist nicht meine Absicht, meiner Sorge außerhalb unseres persönlichen Rapports, der nun schon seit der Zeit besteht als mir Deine Berichte zum ersten Mal überantwortet wurden, Luft zu machen, und ich versichere Dir, dass ich in erster Linie an Deiner Sicherheit und Deinem Erfolg interessiert bin.

      Daher bin ich, nur in Begleitung eines Dieners und eines Leibwächters, nach Caliphas gekommen. Ich werde weiteres Dienstpersonal vor Ort in meine Dienste nehmen und Deiner Spur folgen, da ich sicher bin, dass Du sie gründlich und geschickt platziert hast. Wenn ich Dich finde, werde ich Dir dieses Tagebuch übergeben, und Du wirst es als Beweis des großen Wertes sehen, den Deine Arbeit sowohl für die Gesellschaft der Kundschafter als auch für mich, Deinen Freund und Kollegen, Kundschafterhauptmann Varian Jeggare, hat.

      Obwohl es ihm an Erfahrung jenseits der Grenzen von Cheliax mangelt, hat mein neuer Diener eine vorbildliche Begabung im Umgang mit Bürokratie an den Tag gelegt, sodass ich die ermüdenden Angelegenheiten, die Reisen durch fremde Lande so mit sich bringen, größtenteils in seine Hände gelegt habe. Unglücklicherweise gingen für das Reisen wichtige Annehmlichkeiten während eines Vorfalls verloren, über den ich immer noch gewisse Verdächtigungen hege, und der Rest der Fahrt nach Caliphas verlief alles andere als angenehm. Für den Moment werde ich es dabei belassen.

      Meine Hoffnung ist, dass uns in der Zeit, die wir uns außerhalb unserer Heimatstadt aufhalten, eine Atempause nach den jüngsten Unannehmlichkeiten vergönnt sein wird. Du erinnerst Dich vielleicht, dass mein langjähriger Leibwächter Radovan, eine Waise, eigentlich aus Ustalav stammt. Man kann nur hoffen, dass er, auch wenn er in Cheliax geboren und aufgezogen wurde, etwas Trost bei seinem Volk findet. Ich wünschte mir, er könnte seine Einbeziehung in dieses Unterfangen als Belohnung ansehen, so wie es gedacht war. Hoffen wir, dass er mir keinen Grund liefert, es zu bereuen, ihn in meinen Diensten behalten zu haben.

      Es wird mir nun bewusst, dass wir drei – Du, ich und Radovan – den zweifelhaften Segen einer gemischten Abstammung teilen. Sieht man von der geerbten roten Kutsche ab, ist mein elfischer Vater mir unbekannt. Da er bereits in jungen Jahren zur Waise wurde, erinnert Radovan sich kaum an seine Eltern – zumindest hat er mir das gesagt –,

      und natürlich weiß er nichts über den infernalischen Vorfahren, der seiner Blutlinie auf ewig den Fluch der Höllenbrut auferlegt hat. Ich verwende bewusst den Begriff „Fluch“, denn obwohl viele sich mit dieser Bezeichnung gedankenlos auf Dich oder mich beziehen würden, hegt das Volk von Cheliax, so verdammt es dafür ist, dass es dem Fürst der Lügen dient, einen akuten Abscheu gegenüber jenen, in deren Adern das Blut der Hölle fließt. Ich für meinen Teil habe mich nie gänzlich in die menschliche Gesellschaft aufgenommen gefühlt, nicht einmal als Kind. Nicht seit dem Tod meiner Mutter und ganz sicher nicht seit dem Aufstieg der Teufelsanbeter des Hauses Thrune. Vielleicht sollten Du und ich die Angelegenheit einmal weiter diskutieren. Ich bezweifle, dass das Thema bei Radovan auf Interesse stößt; er bemüht sich meist, als Mensch durchzugehen.

      Unser Schiff erreichte Caliphas vor zwei Tagen, und meine erste geschäftliche Pflicht war eine Unterredung mit Doktor Trice in diesem Irrenhaus, das er als Loge für Kundschafter führt. Sein Gebaren ließ darauf schließen, dass er drauf und dran war, eines Tages selbst zu den Bewohnern seines Hauses zu zählen, und mir ist nicht entgangen, dass die Ortsansässigen ein zynisches Vergnügen daran finden, dass die meisten seiner Patienten ehemalige Kundschafter sind. Unnötig zu sagen, dass ich aufs Äußerste erleichtert war, Dich nicht in seiner Obhut vorzufinden.

      Trice bestätigte lediglich, dass Du ihn kurz nach Deiner Ankunft aufgesucht hattest. Er konnte mir jedoch nicht sagen, wohin Dich Deine weitere Suche führen würde. Ich will Dich nicht dafür tadeln, dass Du es unterlassen hast, weitere Informationen mit ihm zu teilen, denn trotz des Kodexes unserer Gesellschaft wird Dich nicht jedes Mitglied so unterstützen, wie ich es bisher getan habe. Ich weiß nicht genug über Trice, um sagen zu können, ob er verlässlich ist, und somit muss ich mich in dieser Sache auf Dein Urteil verlassen.

      Nachdem ich von Trice fortgegangen war, dachte ich daran, Radovan loszuschicken, um möglichst viele Informationen auf den Märkten und in den Wirtshäusern zu sammeln, während ich mich wieder mit den Adligen Ustalavs bekanntmachte. Leider hat Radovan nie auch nur das geringste Interesse an der Gesellschaft der Kundschafter gezeigt; im Gegenteil, seine Scherze über unseren „kleinen Verein“, wie er es nennt, grenzen an Unverschämtheiten. Möglicherweise bin ich noch immer verärgert über die Freiheiten, die er sich bei der Erfüllung seiner Pflichten herausnimmt. Von einem Leibwächter erwartet man nicht, dass er einen vor sich selbst schützt.

      Bevor ich Grünkirchen in der Obhut meines Vetters Leonzio zurückließ, hatte ich bereits einige Briefe per Eilpost verschickt, und ich hatte das Glück, just vor einer großen gesellschaftlichen Zusammenkunft einzutreffen, bei der Vertreter der meisten Adelshäuser Ustalavs zugegen waren. Viele von ihnen waren mir vorher unbekannt, da die meisten der menschlichen Frauen und Männer, die nun an der Macht sind, während meines früheren Besuches noch Kinder waren. Ich hatte gehofft, jemand unter ihnen hätte Neuigkeiten über Deinen Besuch vernommen. Unglücklicherweise war die derzeitige Generation der ­Adligen Ustalavs weniger gastfreundlich als ihre ­Vorgänger.

      Vielleicht bin ich über die Maßen empfindlich, was dieses Thema angeht, doch konnte ich nicht anders als zu argwöhnen, dass ihre Fragen über die reichen Besitztümer in Cheliax verdeckte Anschuldigungen betreffend meines völlig unangebrachten Geschenkes für Fürst Aduard waren. Hätte Radovan nicht solchen Unfug getrieben, hätte ich Seiner Hoheit statt dieses scheußlichen Samowars, den Nicola im Goldviertel gekauft hatte,