Urteil der Jury
von Sven Aretz und Jakob Dürr
Bestehende Gebäude nach Möglichkeit weiterhin zu nutzen, wo nötig zu ändern und zu ergänzen, kann unter Berücksichtigung der baulichen Angemessenheit ein guter Beitrag zum nachhaltigen Bauen sein. Dieser Vorgang hat gute Tradition und findet sich auch im Bestandsgebäude selbst wieder, das 1929 erbaut und 1935 baulich erweitert wurde.
Es ist eine Qualität, in einem Bestandsgebäude nicht das zu sehen, was es ist, sondern was es sein kann. Konzeptionell schlüssig legt das österreichische Architekturbüro aus Dornbirn das funktionale und räumliche Potenzial des Bestandsgebäudes in der Wohnung vom ersten Obergeschoss bis in den Dachraum frei und ergänzt die neu organisierte Wohnung durch eine Art begehbares „Gartenregal“. Dadurch gewinnen die jeweiligen Wohnräume einen witterungsgeschützten Außenraum mit direktem Gartenzugang.
Die Verwendung des zeitgenössischen Baumaterials Stahl macht den baulichen Eingriff ablesbar und trägt gleichwohl der gesellschaftlichen Entwicklung mit dem Bedürfnis nach erlebbarem Außenwohnraum Rechnung. Holzdielen als Außenbelag spannen den materiellen und zugleich zeitlichen Bogen zum Dielenboden des Bestandsgebäudes. Ein hauchdünnes Metallgewebe als Absturzschutz verleiht dem „Gartenregal“ ein Gefühl von Leichtigkeit ohne Barriere zum Naturraum. Es ist immer wieder erfrischend zu sehen, wie wenig Eingriff notwendig ist, um Gutes zu schaffen.
„Dass wir Planer und Bauherr in Personalunion waren“, so Rike Kress, „hatte den Vorteil, dass viele Entscheidungen sehr spontan getroffen werden konnten und wir auf Kostenentwicklung und vorgefundene Überraschungen im Bestand sehr schnell reagieren konnten.“
Die Architekten sehen den Wunsch nach dem Bau eines Einfamilienhauses kritisch: Es sorgt für Zersiedelung, hat einen hohen Flächenverbrauch und ist oftmals unflexibel. „Daher kann der ständige Neubau von Einfamilienhäusern unseres Erachtens nicht die Antwort auf die Wohnungsfrage sein. Zumal es gleichzeitig so viel Leerstand bei bestehenden (Wohn-) Gebäuden gibt. Bei unserer Suche nach einem geeigneten Wohnraum waren wir deshalb immer auf der Suche nach gemeinschaftlichen Wohnformen einerseits oder einem interessanten Bestandsgebäude. Mit der „Villa Fleisch“ hatten wir dann schließlich Glück. Die Bausubstanz ist sehr robust und in der Struktur äußerst flexibel nutzbar. Auch, dass mehrere Wohneinheiten prinzipiell schon angelegt waren (Familienwohnung oben, Einliegerwohnung unten, Jokerzimmer für Gäste und als Zwischenlösung für Freunde und Bekannte), hat uns sehr gereizt.“
Ansicht
Querschnitt
Grundriss Dachgeschoss
Grundriss Obergeschoss
Grundriss Erdgeschoss
Hersteller: Absturzsicherung beim Stahlanbau: Webnet, Firma Wüstner
Maßstab
M 1:400
1Eingang
2Wohnen
3Kochen, Essen
4Bad
5Schlafen
6Gast
7Terrassenanbau
8WC
9Arbeiten
10Wohnküche
„Ein wichtiges Anliegen bei diesem Projekt war es für uns, das Gebäude neu zu beleben, ohne ihm den Perfektionismus eines Neubaus überzustülpen. Keine Totsanierung, sondern eine Revitalisierung.“
Frank Stasi, Rike Kress
ARSP ZT GmbH, Dornbirn (A)
Anzahl der Bewohner:
3 + 1
Wohnfläche (m2):
165 + 58
Grundstücksgröße (m2):
615
Standort: Dornbirn (A)
Bauweise:
Bestand: Mauerwerkswände, Dachstuhl aus Holz, Anbau: Stahlbau
Fertigstellung: 10/2018
Architekturfotografie:
Zooey Braun, Stuttgart
Lageplan
Das Haus am See
Anerkennungen
von Thomas Kröger Architekten GmbH
in Wandlitz, Barnim
Den Bau einer Kirche vermuteten die Nachbarn während der Bauzeit. Heute ist die Villa Lebensraum für eine Familie und Wallfahrtsort für Architekten.
Der Barnim ist eine eiszeitlich gebildete Hochfläche und eine historische Landschaft im mittleren und nordöstlichen Brandenburg. Bis zum starken Wachstum Berlins im ausgehenden 19. Jahrhundert war der Barnim nur dünn besiedelt. Das änderte sich 1901 mit der Einweihung der Eisenbahnlinie Berlin-Groß Schönebeck – der sogenannten Heidekrautbahn –, an deren Strecke auch Wandlitz liegt. Damals entstanden dort Landhäuser und Villen, später zog es Erich und Margot Honecker, Egon Krenz oder Walter Ulbricht an den Wandlitzer See. Das denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude von 1928 im Stil der Neuen Sachlichkeit stammt vom Architekten Wilhelm Wagner. Heute verbindet zudem die Bundesstraße 109 mit dem 25 Kilometer entfernten Berliner Stadtzentrum.
Glücklich, wer hier 1800 Quadratmeter Grund besitzt, in einem Wäldchen aus hochaufragenden Kiefern am See. Glücklich auch, wer die eigenwilligen Häuser in der Uckermark aus dem Berliner Büro von Thomas Kröger kennt, von denen viele mit Preisen und Auszeichnungen auch in den Häusern des Jahres prämiert wurden, und ihn für den Auftrag, ein Einfamilienhaus zu entwerfen, begeistern kann. Denn,