Hohe Zugbrücke
Quellenverzeichnis
Der Autor
Vorwort
Vor ungefähr 20 Jahren habe ich den Begriff „Zero Accident“ auf den Bereich Hochseilgarten/Ropes Courses übertragen. Als Bergführer war ich bei meiner Tätigkeit immer mehr in die Zwickmühle geraten: Ich konnte einerseits meinen Kunden tolle Erlebnisse ermöglichen, andererseits war ich alljährlich mit schweren Unfällen konfrontiert. Umso begeisterter war ich, als ich von meinem Freund Bill Daniels das Konzept „Zero Accident“ lernte. Meine Begeisterung wollte ich mit anderen Kollegen teilen – und erntete großteils Ablehnung.
Umso erfreulicher, dass Philipp Strasser mit diesem Buch ein oft vorgebrachtes Argument widerlegt: Es ist tatsächlich möglich, unzählige Übungen nach diesem Konzept zu bauen.
Allerdings wird er sich damit nicht nur Freunde machen.
Ein Beispiel: Er empfiehlt, den Mohawk Walk und ähnliche Low Elemente durch 4 Sicherer pro übende Person zu sichern (spotten, wie es im englischen heißt). Nun ist bekannt, dass diese Übung häufig völlig ohne Sicherung gemacht wird. Wie geht es so einem Trainer, der dieses Buch liest? Das Logische wäre, das Sicherheitskonzept zu verändern und fortan mit Vierer-Sicherungsteams zu arbeiten. Doch meine Erfahrung ist leider eine andere. Obwohl Unfälle passieren, wird darauf oft nicht reagiert. Wenn sich ein Kind einen Arm bricht, „gehört das einfach dazu“.
Dieses Buch könnte ein Beitrag sein, dass es einfach nicht mehr dazugehört, und dass dennoch das Erlebnis nicht leidet. Es sind übrigens immer nur Trainer, die mit „so viel Sicherheit“ ein Problem haben (abgesehen von undisziplinierten Gruppen, die sowieso mit jedem System ein Problem haben, egal ob redundant oder nicht).
Philipp Strasser hat nur bewährte Konstruktionen und Prozesse aufgenommen. Somit besteht die Hoffnung und Chance, dass sich in diesem Bereich etwas verändert: Tolle Erlebnisse mit lediglich erlebtem Risiko.
Walter Siebert
Einleitung
Die Nutzung der Natur als Raum für Erholung und Abenteuer hat lange Tradition. Zunächst wurde sie genau so verwendet wie sie sich selber gestaltet, lediglich Wege verschafften Zugang. Erst im zwanzigsten Jahrhundert entwickelte sich der Trend, die Natur weitläufig zu verändern, um sie noch besser und vor allem für die breite Masse und damit für die Freizeitwirtschaft nutzbar zu machen. Die Errichtung von Liftanlagen und das Anlegen von Skipisten sind eines der am deutlichsten sichtbaren Beispiele für diese Art der Eingriffe.
In den letzten Jahren wird diese Entwicklung auch im Sommerfreizeitbereich immer deutlicher sichtbar, der Bau von Sommerrodelbahnen aber ebenso Waldseilparks boomt. Diskussionen über die Verwendung von Beton im Wald oder die Notwendigkeit von Kernbohrungen in Bäumen sind in Fachkreisen in der Zwischenzeit an der Tagesordnung. Wie weit ist es ethisch vertretbar, die Natur zu verändern, um sie besser für Freizeitzwecke nutzen zu können?
Auch die temporäre Seilarbeit nutzt primär die Natur als Raum für Abenteuer und Erlebnis. Sie bietet jedoch die Möglichkeit, jeden verwendeten Ort genau so zu verlassen, wie er vorgefunden wurde. Natürlich ist es unvermeidbar, dass alleine durch die Anwesenheit von Menschen die Tiere des Waldes gestört werden können, der Boden sich verdichten kann und auch trotz der Verwendung von Baumschonern jede Berührung eines Baumes leichte Spuren hinterlassen kann.
Der berühmte Bergsteiger Edmund Hillary brachte dieses Thema auf den Punkt: „Nichts mitnehmen außer Fotos – nichts hinterlassen außer Fußspuren“.
Die temporäre Seilarbeit ermöglicht es, herausfordernde Seilelemente in die verschiedensten Örtlichkeiten zu zaubern. Bäume, Felsen, Brücken oder Häuser können ebenso integriert werden wie Beton- und Stahlkonstruktionen in Sporthallen oder Einkaufzentren.
Die Seilelemente können bodennah konstruiert werden oder Teilnehmer in Schwindel erregenden Höhen den Atem stocken lassen. In der Abgeschiedenheit von Wäldern und Bergen oder im Tumult der Städte, für temporäre Seilelemente ist (fast) überall Platz.
Doch nicht nur von den Räumlichkeiten her bietet die temporäre Seilarbeit unendliche Möglichkeiten. Auch die einzelnen Elemente bieten Variationen für alle Arten von Zielgruppen. Kleinkinder oder Fünfzig-Plus, Rollstuhlfahrer oder Menschen mit anderen besonderen Ausgangslagen, Kletterer oder Büroangestellte, einzelne Personen oder große Gruppen, in der temporären Seilarbeit gibt’s für jede Zielgruppe das passende Element. Teambildung, Kommunikation, Aggressionsbewältigung, das Kennen lernen und möglicherweise Überschreiten eigener Grenzen oder einfach nur Spaß am Klettern, an der Bewegung und an der Höhe – auch die Motive und Ziele verschiedener Übungen lassen sich mannigfaltig aufbereiten.
Das verwendete Material wie Seile, Verschlusskarabiner, Abseilgeräte oder Rollen stammen ursprünglich zum Großteil aus dem Alpinismus, jedoch gerade bei stark frequentierten Elementen empfehlen sich teilweise besser geeignete Gerätschaften aus dem Industrieklettern und aus der Arboristik. Gerade im bodennahen Bereich, insbesondere bei der Verwendung von Schwerlastgurten, kann die Belastungsgrenze von herkömmlichen Klettermaterialien oftmals nicht mehr ausreichen.
Weiters lassen sich Rundlinge und andere Hölzer ebenso integrieren wie Autoreifen, Luftballons, Stoffe und so weiter – solange die Regeln der Sicherheit befolgt werden, sind der Phantasie nahezu keine Grenzen gesetzt.
In diesem Buch werden zahlreiche neue Elemente vorgestellt, herkömmliche Elemente wurden überarbeitet und auf den neuesten Stand der Technik und Sicherheitsanforderungen gebracht. Der Schwerpunkt dieses Buches liegt beim Bau und bei der Konstruktion dieser Elemente.
Für diese zweite Auflage wurden einige Tipps und Tricks verbessert und Darstellungen leicht adaptiert. Aufgrund einiger Hinweise von Lesern, wurde der unterschiedliche Gebrauch von Schraubgliedern und Verschlusskarabinern in der temporären Seilarbeit in einem eigenen Kapitel herausgearbeitet.
Zunächst werden niedrige Elemente ohne Seilsicherung vorgestellt. Mithilfe zahlreicher hier vorgestellter Tricks können etliche niedere Elemente errichtet werden, ohne während des Baus den Boden zu verlassen. Dies kann besonders für Personen relevant sein, die im Zuge ihrer Arbeitstätigkeit aus rechtlichen Gründen nicht in der Höhe arbeiten dürfen.
Im Anschluss werden hohe Elemente beschrieben, die an den Erbauer noch relativ geringe Anforderungen stellen, so ist etwa beim Kistenklettern lediglich eine Toprope-Sicherung zu verlegen. Weiters werden Elemente mit aufwändigeren Konstruktionen gezeigt, wie etwa die hohe Zugbrücke oder die Feuerleiter, die sowohl klettertechnisch als auch architektonisch den Erbauer vor weit höhere Anforderungen stellen. Passend zu den jeweils besprochenen Übungen werden zahlreiche Tricks und Sicherungshinweise erläutert.
Das Buch baut insgesamt chronologisch auf. Sie erhalten Tipps und Tricks zur Konstruktion eines Elements, aber auch zu dessen Betrieb und Sicherung und jeweils im Anschluss die Elemente, bei denen das Gelernte Anwendung findet.
Knoten, Bünde oder Bauweisen, die besonders in der temporären Seilarbeit Anwendung finden, werden detailliert und mit zahlreichen Darstellungen erklärt, Anwendungen, die auch in anderen Bereichen angewandt werden, wie etwa der Achterknoten oder der Halbmastwurf, werden in diesem Buch nicht näher erörtert.
Besonders erfreulich ist, dass der Outdoorbereich keine reine Männerdomäne mehr darstellt. Frauen am Berg, egal ob Bergführerinnen oder Skilehrerinnen, waren noch bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts eine Ausnahmeerscheinung. Heute dürfte die Zahl der Frauen beziehungsweise Männer, die im Outdoorbereich tätig sind, annähernd gleich hoch sein. Trotzdem wird aus Gründen der leichten Lesbarkeit auf genderneutrale Formulierungen in diesem Buch verzichtet. Eine Formulierung wie „Der (Die) Trainer/Trainerin ist dafür zuständig, den jeweiligen aktiven Teilnehmer/die jeweilige aktive Teilnehmerin bzw. die Spotter/Spotterinnen auf diese Gefahren hinzuweisen und das richtige bodennahe Sichern bereits „im Trockenen“