Das Geheimnis von Nevermore. C.S. Poe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: C.S. Poe
Издательство: Bookwire
Серия: Snow und Winter
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960894834
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ziehst heute schlechtes Karma an.«

      »Es war kein Streit. Es war … Weißt du was? Ich werde nicht darüber reden, während der Geruch von Verwesung meinen Laden durchzieht.« Ich drehte mich um und beugte mich hinunter, um das lose Brett zu begutachten. Eine schlechte Idee. Der beißende Geruch von Verwesung stieg in meine Nase und ich musste den Drang zu würgen unterdrücken.

      »Ich glaube, du hast es gefunden«, raunte Max und blickte über meine Schulter auf den Fußboden. »Ich hole eine Tüte.«

      Ich nickte still, hielt meine Nase zu und starrte in das Loch im Boden. Es, das Ding, war nicht dunkel wie eine tote Ratte. Es machte mir nicht den Anschein, als hätte es Fell, aber es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich einen guten Blick für Details hatte. »Max? Komm mal her.«

      »Was?« Seine Stimme drang aus dem kleinen Büro, aus dem er kurze Zeit später mit einer Mülltüte bewaffnet zurückkehrte. »Was gibt’s?«

      »Sieh dir das mal an.«

      »Oh komm schon, dafür zahlst du mir nicht genug.«

      »Nein, ich denke nur nicht, dass es eine Ratte ist.«

      Max kniete sich hin und warf einen kurzen Blick in das Loch, bevor er sich schnell zurücksinken ließ. »Was zum Teufel?«

      Ich starrte den Boden an. »›Reißt die Dielen auf! Hier! Hier! Es ist das grauenhafte Klopfen seines Herzens!‹«

      »Was?«

      »Poe«, antwortete ich.

      »Gott, du bist so seltsam, Seb«, murmelte Max.

      »Was soll ich sonst sagen?« Ich deutete auf das verrottende Fleisch. »Es ist ein Herz.«

      »Wen hast du umgebracht?«

      »Ich rufe die Polizei.«

      Dem Beamten am Telefon erklären zu müssen, dass ich die Polizei nicht wegen einer Leiche rief, sondern weil es irgendwo eine Leiche gab, der ein wichtiger Teil fehlte, war mit Sicherheit das Seltsamste, das ich je getan hatte. Zugegebenermaßen hatte die Situation mein Interesse geweckt, allerdings gab es 101 andere Dinge in meinem Leben, für die ich keinerlei Motivation verspürte; und jemandes verwesendes Herz unter meinem Fußboden zu finden, schoss direkt an die Spitze dieser Liste.

      Max versprühte fast eine ganze Dose Lufterfrischer, während wir auf die Polizei warteten. »Riecht nach frisch gewaschener Kleidung«, bemerkte er und fing an die Schrift auf der Dose zu lesen.

      »Oh, sehr gut«, sagte ich.

      »Frische Wäsche und Tod«, korrigierte Max sich nach einer Pause. »Manchmal möchte ich auch lieber sterben, als meine Schmutzwäsche zum Waschsalon bringen zu müssen.«

      »Max«, seufzte ich.

      »Sorry.«

      Ich verschränkte meine Arme, blickte in den hinteren Bereich des Ladens und sah den Berg an Kartons, den ich dort hatte stehen lassen. Wenn neue Ware bei uns ankam, mussten wir die Gegenstände gewissenhaft prüfen, mit einem Preis versehen und im Laden platzieren. Wenn etwas zu wertvoll war, um es einfach im Laden auszustellen, legten wir es für Auktionen beiseite. Die Kartons, und ein paar weitere, die ich in meiner Wohnung gelagert hatte, waren schon dabei, einzustauben. So viel zu meinem Vorhaben, mich endlich darum zu kümmern.

      Jemand klopfte an unsere Tür und ich stand auf, um sie aufzuschließen. »Guten Morgen.«

      »Guten Morgen«, begann einer der uniformierten Polizisten. »Wir haben einen Anruf erhalten.«

      »Es befindet sich ein Körperteil unter meinem Fußboden«, antwortete ich schnell und führte sie rasch durch die Gänge in Richtung Kasse. Ich war mir ziemlich sicher, dass der Polizist am Telefon gedacht hatte, ich wäre verwirrt oder hätte eine Panikattacke. Diese Beamten waren offensichtlich hier, um mich zu beruhigen, aber sie folgten mir widerstandslos. Der Polizist nahm seine Mütze ab, als er vor dem Loch im Boden in die Hocke ging. Er blickte nur schnell hinein, bevor er den Kopf schüttelte und sich wieder aufrichtete.

      »Brigg!« Er drehte sich zu seiner Partnerin um und sie kam ein bisschen näher.

      Ich beobachtete die beiden, als sie kurz miteinander sprachen, bevor die Beamtin ihr Funkgerät in die Hand nahm. »Also«, sagte ich, »müssen wir den Katastrophenschutz holen oder so was?«

      »Sagen Sie mir Ihren Namen?« Der Polizist griff nach dem Notizbuch, das an seinem Gürtel befestigt war.

      »Sebastian Snow.«

      »Und Ihnen gehört der Laden?«

      »Ja.«

      »Gehört Ihnen das Gebäude?«

      »Nein, schön wär’s.«

      Er sah auf. »Wann ungefähr hatten Sie das Gefühl, dass sich etwas im Laden befindet?«

      »Meinen Sie … das?« Ich ließ meinen Blick Richtung Boden wandern. »Als ich die Tür heute Morgen öffnete. Ich konnte es riechen, das war so um sieben Uhr.«

      »Hat noch jemand anderes Zugang zu dem Laden?« Der Beamte warf Max über meine Schulter einen Blick zu.

      »Max hat die Schlüssel, aber ich bin der Einzige, der den Sicherheitscode kennt«, erklärte ich.

      In Wahrheit hatte auch mein Partner Neil Millett, mit dem ich nun seit vier Jahren zusammen war, die Schlüssel und den Code, aber seinen Namen in der Gegenwart von Polizisten zu nennen, wäre ein bisschen kompliziert. Er war ein Kriminalbeamter bei der Spurensicherung der NYPD und weit davon entfernt, sich zu outen. So weit sogar, dass die einzigen Menschen, die wussten, dass wir zusammenlebten, Max und mein Vater waren. Neil wollte nicht, dass andere Polizisten wussten, dass er schwul war, und als ich mit 29 eine Schwäche für diesen sexy Kriminalbeamten entwickelt hatte, war mir das egal gewesen. Aber jetzt war ich 33 und es ging mir ein bisschen an die Substanz.

      Der Polizist machte ein paar Notizen. »Haben Sie Kameras? Sie haben viele Gegenstände hier, die sehr teuer aussehen.«

      »Ich habe eine, aber die hat vor einem Monat den Geist aufgegeben.« In letzter Zeit war ich ein bisschen mental angeschlagen und hatte nicht die Energie gefunden, mich um bestimmte Dinge zu kümmern, inklusive der Kamera. Was eigentlich überhaupt nicht in meiner Natur lag. Neil hatte es sich zur Aufgabe gemacht, meine angeschlagene Stimmung ständig zu thematisieren. Was mich nur noch wütender machte.

      Der Beamte notierte sich meine Kontaktdaten und fragte dann auch nach Max’. Es folgten noch ein paar Fragen, bevor Brigg zwei Polizisten durch den Laden führte, die keine Uniform trugen. Als ich mich nun in dem überfüllten Gang umsah, bemerkte ich, dass noch eine Frau hereingekommen war, die einen medizinisch aussehenden Koffer bei sich trug.

      Ohne Vorwarnung wurde die Deckenbeleuchtung eingeschaltet und der ganze Raum verschwand. Ich bedeckte schnell meine Augen und wandte mich ab. Ich stolperte und tastete herum, um Halt am Tresen zu finden. Max, der versuchte, das Herz und die Polizei zu meiden, reichte mir schnell meine Sonnenbrille, als jemand meinen Namen rief.

      »Mr. … Snow, richtig?«

      Ich drehte mich zu der Stimme um, während ich meine Sonnenbrille aufsetzte, und stellte fest, dass noch zwei weitere Polizisten eingetreten waren. Die Frau, die mich angesprochen hatte, war vielleicht in meinem Alter und konnte nicht viel größer als 1,50 m sein. Der Mann war groß und breit und es war offensichtlich, dass er unter seinem Anzug sehr muskulös war. Er sah älter aus als Neil, der 37 Jahre alt war, und seine Haare waren hell, also ging ich von blond aus. Schnell verengte ich meine Augen, um ihn besser sehen zu können. Er hatte Sommersprossen. Viele davon. Irgendwie hatte ich eine Schwäche für Männer mit Sommersprossen. Wangen, Nase, Stirn, er hatte sie überall, was ihn auf den ersten Blick sehr lieb erscheinen ließ. Vielleicht waren seine Haare doch rot.

      »Sebastian Snow«, bestätigte ich.

      Die Beamtin streckte mir ihre Hand entgegen. »Ich bin Detective Quinn Lancaster und das hier ist mein Partner Detective Calvin Winter.«