Das Geheimnis von Nevermore. C.S. Poe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: C.S. Poe
Издательство: Bookwire
Серия: Snow und Winter
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960894834
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schob ich meine Sonnenbrille hoch und verschränkte meine Arme. Auf einmal war mir saukalt, aber das lag nicht an der Temperatur. Angst war es, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Okay, ich sollte mal einen Schritt zurücktreten und die ganze Situation objektiv betrachten. Neil hatte mir einiges über Verbrechen und Beweisstücke beigebracht und ich musste das irgendwie zu meinem Vorteil nutzen. Es war absolut nicht in meinem Interesse, als Verdächtiger zu gelten oder, noch schlimmer, von Winter verhaftet zu werden.

      Rigor Mortis, also die Leichenstarre, setzt ungefähr zwei Stunden nach dem Tod ein und der menschliche Körper verliert im Schnitt 1,5 Grad Körpertemperatur in der Stunde. Ich musste allerdings bedenken, dass die Tür zum Laden für eine fraglich lange Zeit offen stand, was die Körpertemperatur der Leiche hatte beeinflussen können. Wenn die Leichenstarre aber wie üblich nach zwei Stunden eingesetzt hatte, konnte ich davon ausgehen, dass der arme Mike seit …

      Hastig drehte ich mich um und blinzelte, um die Zeit auf der Uhr hinter mir abzulesen.

      Der Polizeibeamte, der mich schon die ganze Zeit beobachtet hatte, fragte: »Haben Sie etwas Besseres zu tun?«

      »Ich kann die Uhrzeit nicht lesen.«

      Er warf einen kurzen Blick an die Wand hinter mir. »Es ist kurz nach zwölf.«

      In Ordnung, ich war bereits seit fast einer Stunde hier. Das hieß, dass es ungefähr 11 Uhr war, als ich Mike gefunden hatte. Also war es gut möglich, dass er heute Morgen um 8 Uhr umgebracht worden war. Ich hatte ein Alibi. Meinen Vater, den Mitarbeiter bei Little Earth … Ich würde sogar Neil mit hineinziehen, wenn es meine Unschuld bewies.

      Als ich wieder aufsah, nachdem ich mögliche Alibis an meinen Fingern abgezählt hatte, stand Winter vor mir. Er hatte einen komischen Gesichtsausdruck, den ich nicht genau deuten konnte. War er amüsiert? Nachsichtig? Neugierig? Schwer zu sagen.

      »Hi«, sagte ich.

      »Ich habe noch ein paar Fragen.«

      Im Hintergrund gab Lancaster Befehle, als eine Trage hereingebracht wurde, um Mikes Körper abzutransportieren.

      Mach’s gut, Mike …

      »Wo waren Sie heute Morgen um sieben Uhr?«, fragte Winter.

      Aha. »Mike ist erst seit ein paar Stunden tot?«

      »Beantworten Sie mir einfach die Frage.«

      Hatte ich es doch gewusst. Rigor Mortis fing im Gesicht an. Bei den Augen, dem Kiefer, den Nacken hinunter. Mikes ganzer Körper war noch nicht steif, was bedeutete, dass er angegriffen worden war, als ich mit anderen Menschen zusammen gewesen war. Wenn man außerdem den Schnee in Betracht zog, der sich im Eingangsbereich angesammelt hatte, passte das ungefähr mit den vorausgesagten Schneefällen zusammen.

      »Sieben? Da war ich zu Hause.«

      »Was haben Sie gemacht?«

      »Da müsste ich gerade aufgewacht sein und darüber nachgedacht haben, aufzustehen.«

      »Leben Sie allein, Mr. Snow?«

      Ich konnte den Muskel in meinem Hals spüren, der sich zusammenzog. Wenn ich ja sagte, würde ich einen Detective belügen, was nie gut war. Wenn ich verneinte, würde Winter die Kontaktinformationen von der zweiten Person haben wollen. Würde es Neil etwas ausmachen? Natürlich, aber wenn es darum ging, seinen Freund zu schützen, würde er sich sicherlich einem Kollegen gegenüber outen, von dem er dachte, dass er homophob war … Oder? Es machte mir zu schaffen, dass ich die Antwort auf diese Frage nicht wusste. »Nein, nicht direkt«, hörte ich mich selbst sagen.

      Winter sah mich erwartungsvoll an.

      »Mein … mein Freund. Ich lebe mit meinem Freund zusammen. Er war zu Hause, er wird das bestätigen.«

      »Da bin ich mir sicher«, sagte Winter in einem Ton, den ich nicht genau deuten konnte. »Geben Sie mir bitte seine Kontaktdaten.« Er holte einen Notizblock und einen Kugelschreiber aus seiner inneren Jackentasche hervor.

      Leise gab ich ihm Neils Handynummer. Ich beobachtete Winter, als er sie aufschrieb. Es gab nun keinen Weg mehr zurück. »Neil Millett.«

      Er hielt inne und sah mich an. »Von der Spurensicherung?«

      »Ja.«

      Winter machte ein Geräusch, das wie eine Mischung aus Gelächter und einem Grunzen klang, als er Neils Namen aufschrieb.

      »Was?«

      »Nichts, ich bin nur nicht überrascht.«

      »Was? Davon, dass ich schwul bin?«

      »Das war offensichtlich«, bemerkte er, ohne aufzusehen.

      Das war mir neu. Ich dachte eigentlich nicht, dass ich stereotypisch schwul rüberkam. »Mir war nicht bewusst, dass ich mein Neonlicht noch an habe.«

      »Ich werde mich bei Mr. Millett melden«, sagte Winter.

      »Oh, toll«, murmelte ich sarkastisch.

      »Erzählen Sie mir von Ihrem Morgen.«

      »Ab sieben?« Als er nickte, holte ich tief Luft. »Na gut. Also, ich lag für eine Weile im Bett. Neil stand auf, um zu duschen. Nach einer Weile ging ich in die Küche und machte mir einen Kaffee und Frühstück. Dann sah ich mir die Nachrichten an. Kurz vor acht ging Neil zur Arbeit. Mein Vater rief an, nachdem er gerade weg war, und ich zog mich an, um ihn besuchen zu gehen. Auf dem Weg machte ich kurz Halt bei Little Earth und kaufte ein paar Donuts und Hundekuchen. Es war so kurz vor elf, als ich die Wohnung meines Vaters verließ.« Geduldig gab ich Winter die Nummer und Adresse meines Vaters, dann die vom Café. »Es wäre mir unmöglich gewesen, Mike etwas anzutun, und das wissen Sie«, sagte ich. »Oder? Er wurde so gegen sieben getötet. Davon geht der Gerichtsmediziner aus.«

      Winter antwortete mir nicht, als er Notizblock und Stift wieder in seine Tasche steckte.

      »Ich kann nicht Auto fahren und überhaupt: Neil hatte das Auto. Sie wissen, dass ich zu all diesen Orten gelaufen bin. Ich kann gar nicht genug Zeit gehabt haben. Es ist genau so passiert, wie ich es gesagt habe«, versuchte ich, ihm klar zu machen.

      »Haben Sie das alles von Millett gelernt?«

      »Nein, das basiert alles auf den untrüglichen Fakten, die ich bei CSI und Law & Order gesehen habe«, erwiderte ich.

      Überraschenderweise erdrosselte Winter mich nicht an Ort und Stelle.

      »Ich habe absolut keinen Grund, Mike etwas anzutun«, versuchte ich es weiter. »Überhaupt keinen. Was wäre das Motiv?«

      »Das Motiv ist nicht immer der ausschlaggebende Punkt.«

      »Natürlich ist es das«, sagte ich defensiv.

      »Sie sind kein Verdächtigter«, murmelte Winter und wechselte damit das Thema.

      Die Erleichterung, die mich durchfuhr, ließ mich fast zu Boden sinken. »Wirklich?«

      Tu nicht so überrascht.

      »Wirklich«, bestätigte er. »Aber ich will trotzdem nicht, dass Sie die Stadt verlassen, haben Sie verstanden?«

      »Wo sollte ich denn hin? Nach Jersey laufen?«

      »Ich sollte Sie allein schon für Ihre Klugscheißerei verhaften.«

      »Vermutlich«, bestätigte ich. Ich hielt meine Hände hoch. »Kann ich mir das Blut jetzt endlich abwaschen?«

      »Gehen Sie raus zum Krankenwagen.« Winter nickte kurz dem uniformierten Polizisten zu, der weiterhin in meiner Nähe stand. »Stellen Sie sicher, dass Mr. Snow sich ordentlich waschen kann, und fahren Sie ihn dann nach Hause.«

      Der Polizist nickte und sagte mir, ich sollte ihm folgen.

      Es war bereits Mittag, als ich zu Hause ankam.

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