Wachtmeister Studer / Вахтмистр Штудер. Книга для чтения на немецком языке. Фридрих Глаузер. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Фридрих Глаузер
Издательство: КАРО
Серия: Kriminalroman
Жанр произведения: Полицейские детективы
Год издания: 1939
isbn: 978-5-9925-1519-0
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Eine, die er im ›Bären‹ gewechselt hat, und zwei, die ich ihm abgenommen habe. Wo ist die Brieftasche hingekommen?«

      »Sie haben recht, Wachtmeister. Der Fall hat einige dunkle Punkte…«

      »Dunkle Punkte!« Studer zuckte die Achseln. Ein ungemütlicher Mann, dachte der Untersuchungsrichter. Er war nervös wie seinerzeit beim Staatsexamen.

      Vielleicht war dieser Wachtmeister für Schmeichelei empfänglich… Darum sagte er:

      »Ich sehe, Wachtmeister, daß Ihre praktische kriminologische Schulung der meinigen überlegen ist…«

      Studer brummte irgend etwas.

      »Was wollten Sie sagen?« Der Untersuchungsrichter legte die Hand ans Ohr, als wolle er kein Wort seines Gegenübers verlieren.

      Aber Studer schien auf einmal vergessen zu haben, wo er sich befand. Denn er zündete umständlich eine Brissago an.

      »Rauchen Sie nicht lieber eine Zigarette?« wagte der Untersuchungsrichter schüchtern zu fragen, denn er haßte den Brissagorauch. Er reichte dem Wachtmeister ein geöffnetes Etui über den Tisch. Studer schüttelte ablehnend den Kopf. Ihm, dem Wachtmeister Studer, Zigaretten mit Goldmundstück!…

      Der Untersuchungsrichter fragte in die Stille:

      »Wo haben Sie sich Ihre praktischen Kenntnisse angeeignet, Herr Studer?« Aber nicht einmal der Wechsel in der Anredeform – Herr Studer statt Wachtmeister – vermochte den schweigenden Mann aus seinem Grübeln zu wecken.

      »Wie kommt es, daß Sie es mit Ihren Kenntnissen nicht wenigstens zum Polizeileutnant gebracht haben?«

      Studer fuhr auf:

      »Was?… Wie meinen Sie?… Haben Sie einen Aschenbecher?«

      Der Untersuchungsrichter lächelte und schob eine Messingschale über den Tisch.

      »Ich hab seinerzeit beim Professor Groß in Graz gearbeitet. Und warum ich es nicht weiter gebracht habe? Wissen Sie, ich hab' mir einmal die Finger verbrannt an einer Bankaffäre. Damals war ich Kommissär bei der Stadtpolizei… ja, und während des Krieges… Nach der Bankaffäre bin ich in Ungnade gefallen und hab' wieder von unten anfangen müssen… Das gibt es… Aber was ich sagen wollte: wie gedenken Sie die Angelegenheit zu behandeln? Was für Schritte werden Sie unternehmen?«

      Zuerst wollte der Untersuchungsrichter den Mann an seinen Platz verweisen, ihm klarmachen, hier habe er zu befehlen, ertrage schließlich die Verantwortung für die Untersuchung… Aber dann verwarf er diese Aufwallung. Der Blick Studers hatte etwas so Erwartungsvoll-Ängstliches… Darum sagte er ziemlich versöhnlich:

      »Nun, wie gewohnt, denk ich. Die Familie Witschi vorladen, den Meister des… des… Angeklagten…«

      »Schlumpf Erwin«, unterbrach Studer, »vorbestraft wegen Einbruch, Diebstahl und anderer kleinerer Delikte…«

      »Ganz richtig. Im Grunde also eine Persönlichkeit, der man das Verbrechen gut zutrauen könnte, nicht wahr?«

      »Schon… möglich…« Pause. »Aber auch ein Vorbestrafter kann nicht zaubern… Und der Schlumpf wird nicht das Maul auftun… Sie werden lange fragen können. Der läßt sich lebenslänglich nach Thorberg schicken – und wenn er einmal dort ist, hängt er sich wieder auf. Im Grund ist es schad' um den Burschen… ja, es ist schad' um ihn…«

      »Ihre Menschlichkeit in Ehren, Herr Studer, aber… Wir haben eine Untersuchung zu führen, oder?«

      »Ja, ja… übrigens ist die Leiche noch in Gerzenstein?«

      Wieder blätterte der Untersuchungsrichter in den Akten.

      »Sie ist am Mittwochabend ins Gerichtsmedizinische Institut überführt worden. Der Regierungsstatthalter von Roggwil hat das angeordnet…«

      Studer zählte an den Fingern ab:

      »Am Mittwoch, dem dritten Mai um halb acht Uhr morgens wird die Leiche gefunden. Gegen Mittag die erste Obduktion von Doktor… Doktor… Wie heißt er schon?«

      »Dr. Neuenschwander«

      »Neuenschwander. Gut. Mittwochabend wechselt Schlumpf die Hunderternote im ›Bären‹. Donnerstag Flucht. Heute, Freitag, verhafte ich ihn bei seiner Mutter. Wann ist die Leiche ins Gerichtsmedizinische Institut gebracht worden?«

      »Mittwochabend…«

      »Wann glauben Sie, können wir den Rapport vom Institut haben?«

      »Ich habe gedacht, wir könnten den Angeklagten mit der Leiche konfrontieren. Was meinen Sie dazu?« Die Frage war höflich, aber der Untersuchungsrichter dachte dabei: Wenn der Kerl nur bald abschieben würde, die Brissago stinkt, er ist aufdringlich, ich werde mich bei der Behörde beschweren, aber was nützt mir das? Deswegen werd' ich ihn doch nicht so bald los. Also seien wir freundlich…

      »Konfrontieren?« wiederholte Studer. »Damit er wieder einen Fluchtversuch macht?«

      »Was? Er hat Ihnen durchbrennen wollen? Und Sie haben mir nichts davon gesagt?«

      Studer sah den Untersuchungsrichter mit seinen ruhigen Augen an. Er zuckte die Achseln. Was sollte man auf solche Fragen antworten?

      »Ich will ganz offen mit Ihnen sein, Herr Untersuchungsrichter«, sagte Studer plötzlich, und seine Stimme klang merkwürdig dumpf und erregt. »Wir haben lange genug herumgeredet. Sie denken bei sich: Dieser alte, abgesägte Fahnder, der knapp vor der Pensionierung steht, will sich wichtig machen. Er drängt sich auf. Ich werd ihm aber schon aufs Dach geben lassen. Heut am Abend noch, sobald er fort ist, telephoniere ich an die Polizeidirektion und beschwere mich…«

      Schweigen. Der Untersuchungsrichter hatte einen Bleistift in der Hand und zeichnete Kreise aufs Löschblatt. Studer stand auf, packte die Lehne des Stuhles, schwang den Stuhl herum, bis er vor ihm stand, stützte sich auf die Lehne – und die Brissago qualmte, die zwischen zwei Fingern stak – und dann sagte er:

      »Ich will Ihnen etwas sagen, Herr Untersuchungsrichter. Ich reiche gern meine Demission ein, wenn der Fall nicht so untersucht wird, wie ich es wünsche. Aber wenn ich dann demissioniert habe, dann kann ich machen, was ich will. Es wird lustig werden. Ich hab' dem Schlumpf versprochen, seine Sache in die Hand zu nehmen…«

      »Sind Sie Fürsprech geworden, Wachtmeister?« warf der Untersuchungsrichter spöttisch ein.

      »Nein. Aber ich kann ja einen nehmen. Einen, der die ganze Anklage über den Haufen wirft – während der Schwurgerichtsverhandlung. Wenn Sie das lieber wollen? Aber Sie müssen sich das recht lebhaft vorstellen! Sie werden als Zeuge von der Verteidigung vorgeladen werden, und dann wird man Ihnen alle Fehler der Voruntersuchung vorhalten… Wird Ihnen das gefallen?«

      Der Kerl ist ja ganz verrückt! dachte der Untersuchungsrichter. Der richtige Querulant! Warum hat man gerade diesen Studer zur Verhaftung abkommandiert! Ein Gerechtigkeitsfanatiker! Daß es so etwas noch gibt! Ich habe die ganze Zeit eingelenkt… Kann der Mann denn Gedanken lesen? Dumme Geschichte! Und wenn dieser Schlumpf unschuldig ist, dann gibt es womöglich einen Skandal, Leute geraten in Verdacht. Es wird doch besser sein, ich arbeite mit dem Kerl… Laut sagte er:

      »Das hat ja alles keinen Sinn, Wachtmeister. Ich weiß nur wenig von der Sache. Und drohen? Warum fahren Sie gleich so schweres Geschütz auf? Hab' ich mich geweigert, Sie anzuhören? Sie sind ungeduldig, Herr Studer. Wir können doch ganz ruhig die Sache besprechen. Sie sind sehr empfindlich, Wachtmeister, scheint mir, aber Sie müssen denken, daß andere Leute manchmal auch Nerven haben…«

      Der Untersuchungsrichter wartete, und während des Wartens starrte er auf die qualmende Brissago in Studers Hand…

      »Ach so!« sagte Studer plötzlich. »Das also…« Er ging zum Fenster, stieß die Läden auf und warf die Brissago hinaus. »Ich hätt' daran denken sollen. Leute wie Sie… War das der Grund? Ich hab's gespürt, daß Sie etwas gegen mich haben, und gedacht, es sei wegen dem Schlumpf… Und dann war's nur die Brissago?« Studer lachte.

      Komischer Mensch! dachte der Untersuchungsrichter. Versteht doch allerhand! … Der Brissagorauch! Kann so etwas eine feindliche Stimmung auslösen?… In diese Gedanken hinein