A. Vorbemerkungen
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Im Laufe der letzten 20–30 Jahre hat sich die weltweite Einstellung zur Korruption markant gewandelt. Eine ganze Reihe von internationalen Instrumenten befasst sich nun mit dem Thema, nationale Rechte sind weltweit angepasst worden. Nach wie vor uneinheitlich bleibt aber die Praxis der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte zur Korruption.[1] Trotzdem sind die Risiken vor allem für Unternehmen dramatisch gestiegen. Immer wieder werden Unternehmen und Manager zu harten Strafen verurteilt; Unternehmen mussten zum Teil hunderte von Millionen Dollar oder Euro als Strafe oder Verfallszahlungen entrichten. Bei einer Vielzahl von Fällen (z.B. ABB/Gazprom, Alstom, Eni, Ferrostahl, FIFA, 1MDB, Panalpina, Petrobras/Odebrecht, Shell, Siemens, Statoil[2]) geht es um sog. Auslandsbestechung, das heißt die Bestechung von ausländischen Amtsträgern durch Exportfirmen.[3]
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Unternehmen schützen sich vor dem Risiko der Verurteilung und vor Reputationsschäden durch die Einführung differenzierter Complianceprogramme. Compliance Officer ist zu einem neuen Beruf avanciert. Um das Thema herum ist eine eigentliche Compliance-Industrie[4] entstanden. Beraterheere stehen den Unternehmen und ihren internen Complianceabteilungen bei der Einrichtung von kunstgerechten Programmen bei.
I. Korruption ist ein altes Thema
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Korruption ist keineswegs ein neues Thema. Es ist ein klassisches Instrument zur Erlangung und zur Erhaltung von Macht. Eine Alternative zu brutaler Gewalt. Bereits die Theoretiker des Absolutismus Niccolò Machiavelli[5] und Thomas Hobbes[6] haben klargestellt, daß Machterhaltung die Sicherung der Loyalität von Gefolgsleuten voraussetzt. Alle Autokraten, selbst absolute Herrscher, brauchen die Kooperation von Helfern. Das zeigen bereits frühe Beispiele. Louis XIV (1638–1715) etwa musste seine Herrschaft durch Schaffung einer neuen Kaste von Höflingen und durch die Kontrolle der alten Garde sichern. Die Nobelleute wurden gezwungen, permanent am Hof präsent zu sein.[7]
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Im England des 18. Jahrhunderts wurden, zur Abwendung von permanenten gewaltsamen Auseinandersetzungen, Parlamentssitze ganz offiziell an den Meistbietenden versteigert.[8]
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Auch in der Gegenwart, und selbst in etablierten Demokratien, besteht das Bedürfnis, Gefolgsleute mithilfe von Ämtern und anderen Vorteilen bei Stimmung zu behalten.[9] Was sich in schwachen Staaten des Südens (zumal in Afrika) besonders krass zeigt, ist auch etwa in Südeuropa zu beobachten: Parallel zur formellen Demokratie und zur Rechtsstaatlichkeit wird Macht mithilfe informeller Mechanismen auf bestimmte Gruppen konzentriert.[10] Zu denken ist insbesondere an die Funktion von Familien, Studentenverbindungen, Parteien etc.
II. Ist Korruption wirklich schädlich?
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Immer wieder hatten Investoren und Exporteure Sätze verwendet wie when in Rome do as the Romans do[11] oder business as usual, um darzutun, daß in gewissen schwierigen Märkten ohne Bestechung kein Geschäft zu machen sei und daß Korruption das Schmiermittel sei, daß es im Geschäftsleben in Entwicklungsländern eben brauche.[12]
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Nun ist relativ leicht nachzuvollziehen, daß die Unternehmen des Nordens – zumal aus ehemaligen Kolonialstaaten –, die die neuen Eliten des Südens nach der Entkolonialisierung mittels privater Vorteilsleistungen dazu bewegen konnten, die Reichtümer ihrer Staaten günstig zu verkaufen, diesen Staaten enorm schadeten. Nicht zufällig ist vom „Rohstofffluch“ die Rede: Gerade in den rohstoffreichsten Staaten ist oftmals die Durchschnittsbevölkerung vollkommen verarmt, während eine kleine Elite die Gewinne in Banken des Nordens anlegt (Bsp. Republik Kongo). Typischerweise gelingt zudem den Rohstoffunternehmen, die Gewinne vom Ort der Wertschöpfung und dem Ort wo die sozialen Kosten anfallen, weg in Steuerparadiese zu verlagern.[13] Kurz: Korruption ist eng verbunden mit Armut und trägt dazu bei, daß Volkswirtschaften sich nicht entwickeln können, daß Gesundheits- und Bildungssysteme nicht funktionsfähig werden. In extremis führt die Fehlallokation von Ressourcen zu Nahrungsmittelknappheit und zu Hunger.[14]
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Im Norden mögen die Konsequenzen der Korruption weniger dramatisch erscheinen. Die Korruption führt zum einen zur Verschleuderung von Steuergeldern (z.B., wenn öffentliche Bauwerke künstlich verteuert oder wenn Privatisierungsprozesse manipuliert werden). Zum anderen stellt Korruption, wie im Süden, das Vertrauen in die Institutionen des Staates in Frage.[15] Als besonders gravierend wird (im Norden wie im Süden) die Bestechlichkeit der Justiz empfunden.[16]
III. Korruption als Wettbewerbsthema
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Am Anfang des neuen Interesses an Korruption stand ein Gesetz, dessen Entstehung schwer einzuordnen ist: die US Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) von 1977.[17] Die Entstehungsgeschichte geht unmittelbar auf den Watergate-Skandal zurück. Die Strafuntersuchung, die auf den Einbruch in das Hauptquartier