Der Leser als Laie misst dem redaktionellen Text (eines Arztes), der für sich Vertrauen in seine Sachkompetenz als im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel erfahrener Arzt in Anspruch nimmt, als fachlich orientierter und neutraler Instanz größere Bedeutung bei und steht ihm unkritischer gegenüber als den werbenden Behauptungen von Inserenten. Dieser Fall zeigt darüber hinaus exemplarisch, wie wichtig es ist, klar zwischen Eigenwerbung des Arztes, mit der sich die Entscheidung nicht vorrangig auseinandersetzt, und (gewerblicher) Produktwerbung zu unterschieden. Die Eigenwerbung des Arztes wäre im Hinblick auf die zunehmend liberale Rechtsprechung des BVerfG möglicherweise noch zu tolerieren. Wettbewerbswidrig und damit unlauter wird die Darstellung dadurch, dass der Arzt seinen „Fachbonus“ einsetzt, um den Absatz Dritter zu fördern und daraus letztlich wieder eigenen Vorteil zu ziehen. Wer sich schon so in der Öffentlichkeit positionieren will, muss wenigstens darauf achten, dass seine fachlichen Aussagen nicht nur inhaltlich nicht verschleiernde Werbung beinhalten, sondern auch graphisch/örtlich von Werbeanzeigen oder sonstigen Produktplatzierungen abgesetzt sind.
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So hat auch der BGH[84] in einem ähnlichen Fall entschieden:
Der Leser erwartet nicht, dass in einem derartigen Text Werbung enthalten ist und kann sie nicht klar als solche erkennen. Seine Platzierung im redaktionellen Teil der Broschüre verschleiert daher den Werbecharakter dieses Texts (Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Auflage 2004, § 4 UWG Rn. 3.11). Das erfüllt den Tatbestand des § 4 Nr. 3 UWG und ist damit unlauter i.S.d. § 3 UWG. Diese Vorgehensweise trifft auch der Vorwurf der Sittenwidrigkeit i.S.d. § 1 UWG a.F., denn wer unter der redaktionellen Tarnkappe Wirtschaftswerbung betreibt, handelte auch nach altem Recht wettbewerbswidrig (BGH – I ZR 154/95 – BRAK 1997, 267 = MDR 1997, 1144 = CR 1997, 691 = GRUR 1997, 914 – Die Besten II, m.w.N.). Die angegriffene unlautere Wettbewerbshandlung ist geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil sowohl der Verbraucher als auch anderer Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln, die sonstige Marktteilnehmer sind, nicht nur unerheblich, sondern wesentlich zu beeinträchtigen und ist deshalb gem. § 3 UWG unzulässig. Wegen dieser Eignung zur wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs begründete sie auch nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. einen Anspruch auf Unterlassung. Die Inanspruchnahme von Vertrauen in seine Eigenschaft als Arzt ermöglicht es, bei medizinisch nicht fachkundigen Lesern, an die sich die Broschüre richtet, in besonders wirksamer Weise den Eindruck zu erwecken, gerade das anschließend offen beworbene Produkt verdiene besondere Wertschätzung. Da einem Arzt wegen seiner Verpflichtung, in Gesundheitsfragen ausschließlich im Interesse seiner Patienten zu handeln, auf diesem Gebiet ein erhöhtes Vertrauen entgegengebracht wird, beeinflusst der Beklagte durch das Ausnutzen dieses Vertrauens besonders wirksam die freie Entschließung des Lesers als Kunden, ohne dass der sich dessen bewusst würde, und gefährdet damit die Funktionsfähigkeit des an der Leistung orientierten Wettbewerbs nachhaltig (BVerfG – 1 BvR 580/02, MDR 2003, 344 = NJW 2003, 277 – JUVE-Handbuch, m.w.N.).
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Ziel von § 3 Abs. 2 MBO ist die Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes.[85] Das besondere Vertrauen in den Arztberuf soll darüber hinaus nicht zur Verkaufsförderung solcher Produkte und Dienstleistungen „missbraucht“ werden, die der Patient nicht notwendigerweise im Zusammenhang mit seiner Betreuung benötigt. Die Grenzen sind sicher fließend. Unzulässig dürfte nach dieser Vorschrift wohl der Verkauf solcher Produkte sein, die auch andere Marktteilnehmer feilbieten, sofern sie nicht zwingend für die ärztliche Therapie benötigt werden (z.B. „Sportlernahrung“).[86] Zulässig ist dies wie bei gewerblichen Ernährungsberatung nur, wenn die Abgabe deutlich von der ärztlichen Tätigkeit getrennt ist.[87]Ein typisches Beispiel zulässiger Tätigkeit ist die Abgabe bzw. der Verkauf von Kontaktlinsen in Augenarztpraxen[88] oder auch (allerdings mit erheblichen Einschränkungen) orthopädischer Hilfsmittel beim Orthopäden (siehe aber unten § 128 SGB V Rn. 163).[89] Stets muss bei derartigen Geschäften aber die steuerrechtliche Problematik mitbedacht werden. Während nämlich z.B. die Anpassung von Kontaktlinsen durch den Augenarzt noch zu Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit führen, gelten Einkünfte aus Verkäufen derartiger Gegenstände ohne individuelle Anpassung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb; sie unterliegen der Gewerbesteuer. Bei Gemeinschaftspraxen ist die Gefahr der Infizierung der freiberuflichen Einkünfte durch diese gewerbliche Tätigkeit zu vermeiden („Abfärbetheorie“).[90] Dies geht nur durch eine klare Trennung beider Tätigkeiten. Die Tätigkeit der gewerblichen Gesellschaft bürgerlichen Rechts muss sich eindeutig von der Tätigkeit der ärztlichen Gemeinschaftspraxis abgrenzen lassen. Eine Personenverschiedenheit zwischen den Gesellschaftern dieser verschiedenen Gesellschaften wird nicht mehr verlangt.[91] Das Bundesministerium der Finanzen hat diejenigen Gesichtspunkte aufgeführt, die der juristische Berater bei der Vertragsgestaltung berücksichtigen sollte.[92]
c) Zusammenarbeit mit bestimmten (ausgewählten) Gesundheitshandwerkern
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Ohne sachlich gebotenen Grund soll der Arzt bei der Verordnung von Heil- oder Hilfsmitteln keinen bestimmten Hersteller benennen (siehe auch § 34 Abs. 5 MBO a.F., § 31 Abs. 2 MBO n.F.). Die Entscheidungsfreiheit des Arztes wird dadurch aber nicht berührt. Denn selbstverständlich kann der Arzt positive Erfahrungen mit einem Hilfsmittelhersteller oder einem Heilmittelerbringer in eine Empfehlung an den Patienten umsetzen;[93] allerdings sollte diese Empfehlung mit dem Hinweis gekoppelt werden, dass der Patient in der Einlösung der Verordnung selbstverständlich völlig frei sei und auch andere Anbieter aufsuchen könne. Eindeutig unzulässig wäre aber, die Empfehlung an die Bezahlung eines bestimmten Betrages durch den Techniker zu koppeln. Dies wäre eine unzulässige Provision. Zwischen diesen beiden Polen gibt es eine Grauzone. Manche versuchen sich damit zu behelfen, dass sie „Beraterverträge“ abschließen, die jedoch oftmals nur vorgeschoben sind, um Provisionszahlungen zu kaschieren. Eine unzulässige Umgehung und damit Anstiftung des Arztes zu einem Verstoß gegen §§ 3 Abs. 2, 31 Abs. 1, Abs. 2, 33 MBO kann auch in der Veranlassung des Arztes zur Teilnahme an „Pseudostudien“ gesehen werden, wenn diese Studien überwiegend oder ausschließlich dazu dienen, Bandagen eines bestimmten Sanitätshauses abzugeben.[94] Zum Teil findet man auch Lager- und Bereithaltungsverträge, die in nicht wenigen Fällen demselben Zweck dienen. Schließlich sind bei derartigen Geschäften die Grenzen des § 128 SGB V zu beachten (siehe unten § 128 SGB V, Rn. 164); Sinnvolle, dem Patienten dienende Kooperationen sind aber nicht verboten. So kann ein Orthopäde selbstverständlich einem Orthopädietechniker z.B. einen halben Tag in der Woche einräumen, an dem dieser dann direkt seine Arbeit in der Praxis verrichtet.[95] Hierfür eine Vergütung zu verlangen, ist in keiner Weise anstößig oder berufsrechtlich problematisch, wenn die Vergütung dem Wert der Raumnutzung entspricht.[96]
d) Handwerk und Hilfsmittelabgabe, verkürzter Versorgungsweg
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Lange Zeit bestanden unterschiedliche Auffassungen zwischen Vertretern der Gesundheitshandwerker-Berufe und Ärzten über die Frage, in welchem Umfang „Nicht-Handwerker“ Leistungen in diesem Bereich erbringen dürfen.[97] Maßstäbe hat diesbezüglich eine vom BGH[98] mit dem Schlagwort „verkürzter Versorgungsweg“ begründete neue Rechtsprechung gesetzt. Der Arzt übe bei der Anpassung des Ohrabdrucks ärztliche Tätigkeit und kein Handwerk aus.