F wusste wegen einer längeren Dienstreise von dem Vorgang zunächst nichts und sagt dem K, sie wolle mit diesem Geschäft nichts zu tun haben. K fordert die F schließlich schriftlich zur Übereignung und Übergabe des Pkw auf. Kann K von F die Übereignung und Übergabe des Pkw verlangen?
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Lösung
Ein solcher Anspruch könnte sich aus einem zwischen K und F geschlossenen Kaufvertrag gemäß § 433 Abs. 1 ergeben.
1. Zustandekommen eines Kaufvertrages zwischen K und F
a) Angebot
F selber hat keine auf Abschluss eines solchen Vertrages gerichtete Willenserklärung abgegeben. Möglicherweise ist aber durch das Verhalten des V ein Kaufvertrag zwischen K und F zustande gekommen.
V hat unter dem Benutzernamen der F ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages über einen Porsche zu einem Preis von 74 000 € abgegeben. Fraglich ist aber, wer nach diesem Angebot auf Verkäuferseite Vertragspartner sein sollte. V handelte unter dem Benutzernamen der F und hat seine wahre Identität nicht offen gelegt. Ob nun F oder V tatsächlich Vertragspartner werden sollten, ist im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 aus der Sicht eines redlichen Empfängers in der Position des K zu bestimmen. Im Rahmen einer eBay-Auktion weist der Nutzername ausschließlich auf die Person hin, die von eBay nach Auktionsende als Inhaber dieses registrierten Namens auch namentlich identifiziert wird. Ein anonymer Dritter, der unter einem fremden Nutzernamen auftritt, ist als Vertragspartner später überhaupt nicht identifizierbar. Die Tatsache, ob ein anonymer Dritter das Höchstgebot tatsächlich abgegeben hat, kann der Verkäufer nicht mehr verifizieren. Außerdem ist aufgrund des bei eBay geführten Bewertungssystems davon auszugehen, dass die bietenden Teilnehmer auf einen Vertragsschluss mit dem wahren Inhaber des Benutzernamens Wert legen. Andernfalls würden fremde Personen vom „guten Ruf“ des wahren Trägers des Benutzernamens profitieren können. Aus diesem Grunde ergibt sich aus dem Angebot des V, dass der wahre Träger des Nutzernamens „Susi77“, also die F, als Verkäuferin aus dem Vertrag berechtigt und verpflichtet werden sollte.
Wird bei der Nutzung eines fremden Namens beim Geschäftspartner der Anschein erweckt, der Vertrag komme mit dem Namensträger zustande, finden die Regeln über die Stellvertretung entsprechende Anwendung, obwohl dem Handelnden ein Vertretungswille fehlte. Ob V berechtigt war, mit seinem Handeln einen Vertrag zwischen K und F herbeizuführen, ist analog § 177 Abs. 1 keine Frage der Einigung, sondern der Wirksamkeit des Vertrages. Die Berechtigung des V ist daher sogleich im Anschluss an die Prüfung des Vertragsschlusses zu untersuchen.
b) Annahme
Das von V unter dem Nutzernamen des F abgegebene Angebot hat der K auch inhaltsgleich und fristgerecht angenommen, so dass nach der Einigung ein Kaufvertrag zwischen K und F zustande kommen soll.
2. Wirksamkeit des Vertrages, §§ 164, 177 Abs. 1 (analog)
Ob der von V unter dem Namen der F mit K geschlossene Vertrag wirksam ist, entscheidet sich wegen der hier vergleichbaren Situation zur offenkundigen Stellvertretung analog §§ 164, 177 danach, ob V bei Abgabe des Angebots kraft einer ihm zustehenden Vertretungsmacht für die F handeln durfte oder ob F dem Geschäft wenigstens nachträglich zugestimmt hat.
a) Vollmacht
Eine Vollmacht hat F dem V nicht erteilt. Es käme also allenfalls eine Vertretungsmacht nach den Grundsätzen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht in Betracht.
b) Duldungsvollmacht
Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene es willentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt, und der Geschäftspartner dieses Dulden nach Treu und Glauben darin versteht und auch verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde zu den vorgenommenen Erklärungen bevollmächtigt ist. Im vorliegenden Fall des Handelns unter fremden Namen ist dabei auf das Dulden des Namensträgers abzustellen.[16]
Einen solchen Duldungstatbestand hat die F jedoch nicht begründet, da sie dem V ihre Zugangsdaten nicht zur Verfügung gestellt hatte und von seinem Vorgehen auch keine Kenntnis hatte. V hatte sich vielmehr die Zugangsdaten der F während deren Abwesenheit verschafft.
Eine Duldungsvollmacht scheidet damit aus.
c) Anscheinsvollmacht
Eine Anscheinsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertretene das Handeln des scheinbaren Vertreters zwar nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und wenn der Geschäftspartner annehmen durfte, der Vertretene kenne und billige das Handeln des Vertreters.
Ob die F die Verwendung ihrer Zugangsdaten durch V hätte erkennen und verhindern können, ist bereits fraglich. Dies kann aber dahingestellt bleiben, weil es jedenfalls an einer anderen Voraussetzung fehlt. Damit der Geschäftspartner annehmen darf, der Vertretene bzw. der Namensträger kenne und billige das Handeln des Vertreters, ist ein Verhalten von einer gewissen Dauer und Häufigkeit notwendig. Anderenfalls fehlt es am erforderlichen Vertrauenstatbestand. Im vorliegenden Fall der Identitätstäuschung aufgrund Handelns unter fremden Namen ist dabei auf das Verhalten des Namensträgers abzustellen.[17] Hier trat V jedoch zum ersten Mal unter dem Namen der F auf. Ein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand hatte sich so noch gar nicht bilden können.
d) Genehmigung
Der Vertrag war damit analog § 177 zunächst schwebend unwirksam. Da F den Vertragsschluss nicht genehmigt, sondern die Genehmigung verweigert hat, ist der Kaufvertrag endgültig unwirksam.
3. Ergebnis
Ein Anspruch des K gegen F gem. § 433 Abs. 1 ist mangels wirksamen Kaufvertrages nicht entstanden.
Anmerkungen
Palandt-Ellenberger § 164 Rn. 4.
BGH Urteil vom 1.3.2013 (Az: V ZR 92/12) unter Tz. 7 ff. = NJW 2013, 1946 ff. (Gebrauchtwagenkauf vom angeblichen Eigentümer) und Urteil vom 11.5.2011 (Az: VIII ZR 289/09) unter Tz. 10 = BGHZ 189, 346 ff. = NJW 2011, 2421 ff. (Verkauf über „eBay“ unter fremden Nutzerkonto, beide Entscheidungen unbedingt nachlesen – Klausurfälle!); Palandt-Ellenberger § 164 Rn. 10.
BGH Urteil vom 1.3.2013 (Az: V ZR 92/12) unter Tz. 7 ff. = NJW 2013, 1946 ff. (Gebrauchtwagenkauf vom angeblichen Eigentümer) und Urteil vom 11.5.2011 (Az: VIII ZR 289/09) unter Tz. 10 = BGHZ 189, 346 ff. = NJW 2011, 2421 ff. (Verkauf über „eBay“ unter fremden Nutzerkonto, beide Entscheidungen unbedingt nachlesen – Klausurfälle!); Palandt-Ellenberger § 164 Rn. 10.
BGH