2. Teil Die Funktion und Struktur von Rechtsgeschäften › D. Aufbau von Rechtsgeschäften › II. Wirksamkeitserfordernisse von Rechtsgeschäften
II. Wirksamkeitserfordernisse von Rechtsgeschäften
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Obwohl das Rechtsgeschäft zustande gekommen ist, werden die mit ihm verfolgten Rechtsfolgen („Wirkungen“) noch nicht unbedingt ausgelöst. Das Rechtsgeschäft kann aus besonderen Gründen noch unwirksam sein. Es müssen oft (aber nicht immer!) noch weitere Voraussetzungen erfüllt sein, damit das Rechtsgeschäft wirksam ist. Wir unterscheiden streng zwischen dem Zustandekommen eines Rechtsgeschäfts und seiner Wirksamkeit.
Je nach Art des Rechtsgeschäfts und der an ihm beteiligten Personen kennt das Gesetz besondere Wirksamkeitserfordernisse.
Wirksamkeitserfordernisse werden durch solche Normen begründet, die die Wirksamkeit eines konkret zustande gekommenen Rechtsgeschäfts von weiteren Voraussetzungen abhängig machen.[9]
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Ein fehlendes Wirksamkeitserfordernis führt nicht zur endgültigen Unwirksamkeit (= Nichtigkeit) des Rechtsgeschäfts, sondern zu seiner schwebenden Unwirksamkeit. Das Rechtsgeschäft kann noch keine Wirkungen entfalten, weil es noch nicht wirksam ist.[10]
Beispiele Wirksamkeitserfordernisse:
• | Genehmigungen nach §§ 108 Abs. 1, 177 Abs. 1, 180 S. 2, 3, 1365 Abs. 1, 1366 Abs. 1, 1369 Abs. 1, Abs. 3, 1829 Abs. 1, |
• | Realakte wie die Übergabe i.S.d. § 929 S. 1, |
• | Eintragung im Grundbuch i.S.d. § 873 Abs. 1. |
Die aufschiebende Bedingung i.S.d. § 158 Abs. 1 fällt dagegen nicht hierunter. Der Eintritt einer vereinbarten aufschiebenden Bedingung ist kein Wirksamkeitserfordernis. Das liegt daran, dass die Geltung einer solchen Bedingung ihrerseits bereits eine gewünschte Rechtsfolge des Rechtsgeschäfts ist. Die Geltung einer aufschiebenden Bedingung setzt die Wirksamkeit ihrer Vereinbarung logisch voraus. Das mit aufschiebender Bedingung zustande gekommene Rechtsgeschäft ist also auch vor Bedingungseintritt notwendigerweise wirksam – das Rechtsgeschäft entfaltet nur vor Bedingungseintritt noch nicht seine sonstigen inhaltlichen Wirkungen; die vom Eintritt der Bedingung abhängig gemachten Rechtsfolgen werden hinausgezögert.[11]
2. Teil Die Funktion und Struktur von Rechtsgeschäften › D. Aufbau von Rechtsgeschäften › III. Wirksamkeitshindernisse bei Rechtsgeschäften
III. Wirksamkeitshindernisse bei Rechtsgeschäften
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Je nach Art und Inhalt des Rechtsgeschäfts und der an ihm beteiligten Personen können außerdem besondere Wirksamkeitshindernisse für das Rechtsgeschäft bestehen.[12] In diesen Fällen wird das Rechtsgeschäft von der Rechtsordnung von Anfang an nicht anerkannt und soll deshalb wirkungslos bleiben. Das Rechtsgeschäft kann die mit ihm gewünschten Folgen von Anfang an nicht herbeiführen. Dies wird regelmäßig als „Nichtigkeit“ bezeichnet.[13]
Wirksamkeitshindernisse für ein Rechtsgeschäft werden durch solche Normen begründet, die zur Nichtigkeit eines konkret zustande gekommenen Rechtsgeschäfts führen.[14]
Anders als die Wirksamkeitserfordernisse fällen die Wirksamkeitshindernisse das endgültige Urteil über die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts, indem sie es für nichtig (= endgültig unwirksam) erklären. Wirksamkeitshindernisse können sich aus Gesetz oder früheren Vereinbarung ergeben.
Beispiele
Gesetzliche Nichtigkeitsanordnungen in §§ 111 S. 1, 125 S. 1, 134, 138, 142 Abs. 1, 174 S. 1, 180 S. 1, 248 Abs. 1, 494 Abs. 1, 925 Abs. 2;
Verstoß gegen vertraglich vereinbartes Formerfordernis (vgl. Auslegungsregel in § 125 S. 2), z.B. formlose Kündigung eines Mietvertrages über Büroräume, obwohl dafür im Vertrag Schriftform vereinbart wurde.
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In Ausnahmefällen gibt es gesetzlich angeordnete Heilungsmöglichkeiten.
Beispiele
§§ 311b Abs. 1 S. 2, 494 Abs. 2, 518 Abs. 2, 766 S. 3.
Gibt es keine Heilungsmöglichkeit, ist das Rechtsgeschäft unheilbar nichtig, d.h. wirkungslos. Es muss unter Beachtung der Wirksamkeitshindernisse neu vorgenommen oder bestätigt (§ 141) werden.[15] Teilwirkungen des nichtigen Rechtsgeschäfts lassen sich möglicherweise noch über seine Umdeutung in ein wirksames Rechtsgeschäft nach § 140 „retten“.[16]
Anmerkungen
Dem Gesetz lässt sich die systematische (Prüfungs-)Struktur von Willenserklärung und Rechtsgeschäft nicht eindeutig entnehmen, so dass verschiedene Aufbauvorschläge existieren, die allesamt vertretbar sind. Bei der Prüfung von Willenserklärung und Rechtsgeschäft folgt dieses Skript dem z.B. von Leenen in seinem Lehrbuch zum BGB AT vertretenen Aufbau. Dieser hat sich in meiner langjährigen Praxis als Repetitor als der günstigste Weg erwiesen, um alle Prüfungsschritte gedanklich sauber abzuschichten und möglichst nahe und widerspruchsfrei (!) am Gesetzestext zu arbeiten.
Man kann auch vom „Tatbestand eines Rechtsgeschäfts“ sprechen, vgl. Leenen BGB AT vor § 8 Rn. 1 ff.; § 11 Rn. 11 ff.
Vgl. Leenen BGB AT § 6 Rn. 1 ff.; Petersen JURA 2009, 183.
Vgl. Leenen BGB AT vor § 8 Rn. 1 ff.; § 11 Rn. 11 ff.
Vgl. etwa Palandt-Ellenberger Überbl. v. § 104 Rn. 3, wo sämtliche Aspekte, die die Wirksamkeit von Willenserklärung und Rechtsgeschäft betreffen, unter dem Begriff „Wirksamkeitsvoraussetzungen“