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Gleichwohl herrscht weitgehend Einigkeit über den Gegenstand des Regulierungsrechts. Zusammengefasst werden unter diesem Begriff mindestens die Bereiche, für die die Bundesnetzagentur zuständig ist, dh neben dem Telekommunikationsrecht, an dem man den juristischen Begriff des Regulierungsrechts zunächst zu entwickeln versuchte, auch das Energiewirtschafts- und das Eisenbahn- und Postrecht[99]. Aus diesem Blickwinkel scheint naheliegend, von Netzregulierung zu sprechen[100]. Zunehmend wird aber dieses Verständnis als zu eng erachtet. Aus ökonomischer Sicht, aber auch von denjenigen Autoren, die von Wirtschaftslenkung sprechen, wird die Aufsicht über Finanzdienstleistungen einbezogen[101]; auch das Börsenrecht spricht seit 2007 vom „regulierten Markt“. Angesichts der Lissabon-Strategie (s. bereits Rn 17) ist es daher auch kein Zufall, dass es sich gleichermaßen um die zentralen Bereiche des europäisierten Wirtschaftsrechts handelt. Was die wirkliche Bedeutung eines Regulierungsrechts ausmacht, wird sich nicht am Begriff, sondern erst anhand der Strukturen ermitteln lassen (s. näher Rn 495 ff).
Die Regelungsmuster lassen die gewerberechtlichen Wurzeln erkennen, auch die eingesetzten Handlungsformen sind nicht neu, gilt doch als typisches Instrument des Regulierungsrechts insbesondere der Verwaltungsakt. Allerdings macht das Regulierungsrecht deutlich, dass die Intensität der Wirtschaftsaufsicht bzw -überwachung variiert. Sie reicht von der mehr punktuellen gewerberechtlichen Überwachung bis hin zur Ausbildung von „Dauerrechtsverhältnissen“, etwa in der Kapitalmarktaufsicht, von der bloßen Pflicht zur Anzeige eines Gewerbes bis zu unterschiedlichen Formen der Genehmigungspflicht, von einer Zuverlässigkeitsprüfung (s. zum Grundmodell der GewO Rn 250 ff) bis hin zu Sachkunde- und Solvabilitätsnachweisen (s. Rn 123, 263, 305). Aus diesem Blickwinkel könnte man die eher punktuelle Wirtschaftsüberwachung und die intensivere, dauerhaft angelegte Regulierungsüberwachung zu unterscheiden versuchen[102] bzw von Wirtschaftsaufsicht mit zusätzlichem Gestaltungsauftrag[103] sprechen. Bei näherer Hinsicht zeigt sich jedoch, dass selbst innerhalb der regulierten Bereiche – insbesondere im Bereich der Regulierung des Marktzutritts – unterschiedlich intensive Formen der Wirtschaftsaufsicht nebeneinander bestehen (s. unten Rn 510, 531 ff). Andererseits gleichen sich die eingesetzten Instrumente, die sich allerdings weitgehend am Vorbild der GewO als dem Grundmodell staatlicher Wirtschaftsaufsicht orientieren[104].
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Insgesamt lassen sich drei Stufen der Wirtschaftsaufsicht unterscheiden. Die intensivste Form findet sich dort, wo – wie besonders deutlich im Kapitalmarkt- und Versicherungsaufsichtsrecht, aber auch im Energie- und Telekommunikationsrecht – die Geschäftstätigkeit im Einzelnen behördlich überwacht und bestimmender Einfluss auf die Geschäftsorganisation genommen wird, was nach der hier vertretenen Auffassung den zentralen Aspekt des sog. Regulierungsrechts darstellt. Auf der mittleren Stufe stehen die „geregelten Berufe“ wie das Handwerk, aber beispielsweise auch die Freien Berufe, bei denen allerdings auch die Möglichkeit einer Selbstregulierung durch Kammern im Zentrum steht. Die geringste Regelungsdichte findet sich im allgemeinen Gewerberecht, wo sich die Überwachung des nicht genehmigungspflichtigen Gewerbes auf nachträgliche Maßnahmen für den Fall der Unzuverlässigkeit beschränkt (s. Rn 250 ff, 280 ff). An dieser Trias orientiert sich auch das unionale Regelungsregime: Im Bereich der ersten, regelungsintensivsten Stufe erfolgte eine Sachrechtsangleichung auf der Grundlage von Richtlinien, auf der mittleren Ebene favorisiert das Europarecht das Modell der gegenseitigen Anerkennung, (nur) auf der untersten Stufe gilt im Interesse des Binnenmarkts weitgehend das Herkunftslandprinzip ohne Rechtsvereinheitlichung[105].
3. Wirtschaftslenkung und Marktteilnahme
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Staatliche Marktteilnahme wird traditionell als Ausfluss der Daseinsvorsorge[106] verstanden. Diese motiviert sich weniger aus der Gewinnerzielungsabsicht als aus dem Bestreben, bestimmte Leistungen „allen Bürgern gleichmäßig und zu gleichen, billigen Bedingungen zuteil werden“ zu lassen[107]. Der Übergang zur fiskalischen Tätigkeit ist freilich eher fließend[108]. Die Teilnahme öffentlicher Unternehmen am Wirtschaftsverkehr (§ 8) unterliegt bestimmten Schranken, insbesondere des Haushalts- und kommunalen Wirtschaftsrechts (s. Rn 702 ff), deren gerichtliche Kontrolle freilich eher rudimentär geblieben ist. Der zentrale Stellenwert von Daseinsvorsorge auch im Unionsrecht wird deutlich (Art. 14 AEUV). Danach sind Union und Mitgliedstaaten zur Gewährleistung funktionierender Grundstrukturen der Daseinsvorsorge verpflichtet[109]. Dieser Bereich betrifft vor allem „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ (s. dazu Rn 735 ff), „die in den Augen des Staates auch dann erbracht werden müssen, wenn der Markt unter Umständen nicht genügend Anreize dafür gibt“[110], also Konstellationen außerökonomischen Marktversagens[111]. Allerdings müssen solche Dienstleistungen gerade nicht zwangsläufig vom Staat erbracht werden. Damit verschiebt sich die Abgrenzung zur Wirtschaftsaufsicht, nachdem infolge der Privatisierung beispielsweise der Telekommunikation aus staatlicher Leistungserbringung eine Gewährleistungsverantwortung (s. Rn 23) und Wirtschaftsaufsicht wurde[112].
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Gleichzeitig erweisen sich staatliche Leistungen durchaus als Eingriff „in den Wettbewerb“ oder werden sogar bewusst als Lenkungsmittel eingesetzt werden. Dies gilt für Subventionen (§ 9), öffentliche Aufträge (§ 10). Als derartige „janusköpfige“ Materien lassen sich das Subventionsrecht aber beispielsweise auch das Recht der Auftragsvergabe verstehen, das außer seinem Hauptzweck des „günstigen Einkaufs“ für den Staat zunehmend dem Schutz von Wirtschaftsteilnehmern[113] dient und sich unter bestimmten Voraussetzungen auch zur Durchführung von Sekundärzwecken, etwa der Mittelstandsförderung, einsetzen lässt (s. dazu ausf Rn 1071 ff). Dadurch formt es einen wichtigen Teilbereich des privatrechtsförmigen Handelns um und ergänzt gleichzeitig das Spektrum der klassischen Verwaltungsverfahren[114].
4. Öffentliches und privates Wirtschaftsrecht als komplimentäre Rechtsdurchsetzungsregime
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Das öffentliche Wirtschaftsrecht steht –