Jesus lud sie ein und sie kamen zu ihm und sie wohnten bei ihm. Sie begaben sich freiwillig an seinen Platz. Sie sahen einen ganz anderen Menschen als Johannes den Täufer, der laut ausrief: „Tut Buße, tut Buße, tut Buße! Die Zeit ist angebrochen!“ Stattdessen sagte Jesus bloß: „Kommt und seht, wo ich lebe.“
Sie sahen Jesus, das Lamm Gottes. Den demütigen Knecht. Arm, sanftmütig, warm, Frieden stiftend, reinen Herzens. Sie sahen ihn. Schon damals. Sie sahen das Lamm Gottes.
Das ist alles sehr behutsam. Man spürt eine Zärtlichkeit, eine Demut.
„Kommt und seht.“
„Sie blieben den Rest des Tages bei ihm.“
Jesus lädt sie ein, sich einfach bloß umzusehen.
Sei da. Sieh dir mit den Augen deines Herzens diese Geschichte an, die du gehört hast.
Wir sind eingeladen
Jesus spricht die Einladung aus, ins Haus Gottes zu kommen. Das ist eine Einladung dazu, Gottes Wohnort zu betreten.
Das ist keine Einladung mit barschen Aufforderungen. Es ist die Geschichte vom Lamm Gottes, das zu uns sagt: „Komm. Komm in mein Haus. Sieh dich um. Fürchte dich nicht.“ Lange vor seinem radikalen Aufruf, alles hinter sich zu lassen, sagt Jesus: „Kommt und seht, wo ich bin.“
Jesus ist ein Gastgeber, der sich wünscht, dass wir um ihn sind. Jesus ist der Gute Hirte des Alten Testaments, der sein Volk an seinen Tisch einlädt, auf dem der Becher des Lebens überfließt.
Dieses Bild, dass Gott uns in sein Haus einlädt, findet sich in der gesamten Heiligen Schrift.
Der Herr ist mein Haus. Der Herr ist meine Zufluchtsstätte.
Der Herr ist die Decke über mir. Der Herr ist meine Zuflucht. Der Herr ist mein Zelt. Der Herr ist mein Tempel. Der Herr ist mein Wohnort. Der Herr ist mein Heim. Der Herr ist die Stätte, an der ich alle Tage meines Lebens leben möchte.
Gott möchte unser Raum sein, unser Haus. Er möchte, dass wir alles haben, das uns das Gefühl gibt, daheim zu sein. Er ist wie ein Vogel, der uns unter seinen Flügeln birgt. Er ist wie eine schwangere Frau, die uns in ihrem Schoß trägt. Er, sie ist die grenzenlose Mutter, die liebevolle Gastgeberin, der umsichtige Vater, der fürsorgliche Beschützer, der uns einlädt, bei ihm zu sein.
Das gibt das Gefühl, in einem sicheren Bereich zu sein, worin alles gut ist. In unserer gefährlichen Welt voller Gewalttätigkeit, Chaos und Vernichtung gibt es diesen Ort, an dem wir sein möchten. Wir möchten im Haus Gottes sein – um uns sicher zu fühlen, umarmt, geliebt, versorgt. Wir sagen mit dem Psalmisten: „Wo anders möchte mein Herz denn verweilen als im Hause des Herrn?“ (vgl. Psalm 84 und 27).
Da gewinnt das Wort „Heim“ an Bedeutung. Jesus sagt: „Ich gehe ins Haus meines Vaters, um für euch ein Heim zu bereiten, denn im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen“ (Johannes 14,2). Jesus spricht da von diesem großen Heim, diesem Haus, worin uns ein Festmahl erwartet und der Kelch überfließend ist, und worin das Leben ein einziges großes Fest ist.
Das Johannesevangelium beginnt mit einer unglaublichen Vision dieses Heims. „Im Anfang war das Wort, und das Wort war mit Gott, und das Wort war Gott, und im Wort war alles, was geschaffen war, und das Wort ist Fleisch geworden und hat sein Zelt unter uns aufgeschlagen“ (vgl. Johannes 1,1–3.14). „Heim“ ist das, worum es bei der Inkarnation geht. Wer im Evangelium liest, hört Jesus sprechen: „Ich habe mein Heim in euch eingerichtet, und so könnt ihr euer Heim in mir einrichten“ (vgl. Johannes 15,4–8). Diese Vision vom Haus Gottes geht tiefer und immer noch tiefer. Plötzlich verschmelzen alle diese Bilder ineinander und uns geht auf, dass wir Gottes Heim sind und dazu eingeladen sind, unser Heim dort einzurichten, wo Gott Gottes Heim eingerichtet hat. Uns geht auf, dass genau da, wo wir sind, genau hier in diesem Körper, mit diesem Gesicht, mit diesen Händen, mit diesem Herzen, wir der Ort sind, an dem Gott wohnen kann.
Hören wir sorgfältig hin: Jesus möchte, dass du und ich Teil der intimen Familie Gottes werden. „Wie mich der Vater liebt, so liebe ich euch“ (Johannes 15,9). Jesus sagt: „Ihr seid nicht mehr Sklaven, Fremde oder Außenseiter; nein, ihr seid Freunde, weil alles, was ich von meinem Vater gehört habe, euer ist, alle die Werke die ich tue, ihr tun könnt, und sogar noch größere. Ich bin nicht der ganz Große und ihr die ganz Kleinen – nein: Alles, was ich tun kann, das könnt auch ihr tun“ (vgl. Johannes 15,15–16).
Die intime Beziehung zwischen Vater und Sohn hat einen Namen. Sie ist Geist, Heiliger Geist. „Ich will, dass ihr meinen Geist habt.“ „Geist“ bedeutet „Atem“. Dieser Begriff stammt vom antiken griechischen Begriff pneuma. „Ich will, dass ihr meinen Atem habt. Ich will, dass ihr an diesem innersten Bereich meiner selbst Anteil habt, sodass die Beziehung zwischen euch und Gott die gleiche ist wie die zwischen mir und Gott, und das ist eine göttliche Beziehung.“
Ihr sollt mit eurem Herzen hören, dass ihr eingeladen seid, in der Familie Gottes zu wohnen. Ihr seid eingeladen, ab sofort Teil dieser tief innerlichen Kommunion zu sein.
Geistlich zu leben heißt, Teil der Familie Gottes zu sein.
Wenn wir sagen: „Ich sage dies im Namen Jesu“ oder: „Ich tue das im Namen Jesu“, so meinen wir damit wirklich: „Ich tue das ausgehend von Gott.“ Heutzutage meinen viele Menschen, dass dann, wenn wir etwas im Namen Jesu tun, wir dies tun, weil Jesus nicht da ist und wir das also als seine Stellvertreter, seine Repräsentanten tun. Aber das ist damit nicht gemeint. Im Namen Jesu zu sprechen, uns auf den Namen Jesu zu berufen, im Namen Jesu zu handeln heißt, dass dieser Name da ist, wo ich bin. Wo bist du? „Ich lebe in diesem Namen und das ist dort, wo ich wohne; dort, wo mein Wohnort ist.“ Wenn du erst einmal dort lebst, kannst du in die ganze Welt hinausgehen, ohne diesen Ort jemals zu verlassen.
Außerhalb dieses Orts, außerhalb des Herzens Jesu sind alle unsere Worte und alle unsere Gedanken so gut wie nichts. Was immer du tust, verlass dabei nie diesen Ort, denn nur an diesem Ort bist du in Gott. Nur von diesem Ort her kommt die Erlösung, und es ist Erlösung, was wir in diese unsere Welt hineinbringen müssen.
Die Einladung lautet: „Komm und sieh den Ort Gottes.“ Anfangs meinen wir, das sei einfach sein Heim, sein physischer Platz, aber im Johannesevangelium wird das so entwickelt, dass Johannes uns zeigt, dass der Ort Gottes das Innenleben Gottes selbst ist – des Vaters, Sohnes und Heiligen Geistes, die eine Liebesfamilie bilden, in die hinein wir eingeladen sind. Die Nachfolge Jesu ist der Weg zum Eintritt in diese Liebesfamilie.
Wir müssen Jesus nicht nachfolgen. Zuerst ist da die Einladung: „Komm, komm. Komm und sieh!“
Welche Antwort geben wir?
Hinhören
Wir lassen uns auf die Einladung Jesu ein, indem wir auf Menschen wie Johannes den Täufer hören. Hätte Johannes nicht gesagt: „Seht! Das ist das Lamm Gottes“, hätten Johannes und Andreas ihn womöglich gar nicht kennengelernt. Diese Erzählung aus dem Evangelium zeigt, dass wir auf jemanden hören müssen, der uns auf Jesus verweist. Wir finden Jesus nicht von uns aus.
Dieser Mensch mag nicht aufregend, attraktiv oder leicht zugänglich sein. Der Mensch, der auf Jesus zeigt, mag uns gewaltig auf den Wecker gehen, und zwar wegen unserer Vorurteile. Womöglich kommt uns eine Abneigung gegen ihn und wir sagen: „Seht doch, wie der sich anzieht“, oder: „Ich mag diese Art Leute nicht, die dauernd von Jesus reden.“
Ich möchte dich darauf aufmerksam machen, dass wir auf diese Menschen hören müssen, auch wenn sie nicht