situationsgebunden | situationsübergreifend | |
personengebunden | 1. personengebunden und situationsgebunden Hilfe in Familien, unter Freunden, in Nachbarschaften, in Selbsthilfegruppen | 3. personengebunden und situationsübergreifend Professionelle soziale Hilfe (in Interaktionsprozessen, z. B. Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien) |
personenübergreifend | 2. personenübergreifend und situationsgebunden Spontane Hilfe unter Fremden | 4. personenübergreifend und situationsübergreifend Hilfen durch den Sozialstaat (Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe etc.), Versicherungsleistungen |
Abb.: Hilfeformen in der modernen Gesellschaft (vgl. zur Übersicht Hillebrandt 2001, S. 44)
Die Professionalisierung (Verberuflichung) der sozialen Hilfe zur Sozialen Arbeit geht einher mit der Etablierung der modernen Gesellschaft. So ist die Soziale Arbeit Teil eines Projektes, das als ein permanentes Ringen um Ordnung, Eindeutigkeit, Rationalisierung, Kontrolle, Klassifizierung, Bestimmung und Identifizierung beschrieben werden kann: nämlich des Moderne-Projektes (vgl. Bauman 1991). Die Durchsetzung der Moderne, der modernen Gesellschaft, die ihren Ursprung in der aufkommenden Aufklärung des 17. Jahrhunderts hat, kann auf die Zeit des Beginns des 20. Jahrhunderts datiert werden.
Der Wechsel vom 19. zum 20. Jahrhundert war ebenfalls der Zeitpunkt, an dem sich die soziale Hilfe von einer primär moralisch bzw. religiös inspirierten »Mildtätigkeit« (vgl. Luhmann 1973) deutlich zu wandeln begann in die professionelle – zunächst ausschließlich frauenberufliche – Sozialarbeit. Nun wurde auch versucht, soziale Hilfe, Armen- und Jugendfürsorge, mithin das, was wir heute Sozialarbeit, Sozialpädagogik bzw. Soziale Arbeit nennen, den Kriterien der gesellschaftlichen Modernisierung, sprich: der Rationalisierung, Verrechtlichung und Bürokratisierung, kurz: der formalen Organisation unterzuordnen.
In diesem Zusammenhang der Modernisierung steht auch die Entwicklung der Methoden und Arbeitsformen Sozialer Arbeit (Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien, Soziale Gruppenarbeit, Gemeinwesenarbeit); sie sind der Ausdruck dafür, dass das geplant, rationalisiert, bürokratisiert und ökonomisiert im öffentlichen Bereich der Gesellschaft anzubieten und durchzuführen ist, was in der Vormoderne wenig rationalisiert eher im privaten Bereich oder ausgehend von privaten Motivationen und Interessen geleistet wurde: eben soziale Hilfe.
Inzwischen ist Soziale Arbeit zu einem normalen Teil der modernen (Dienstleistungs-)Gesellschaft geworden. Das 20. Jahrhundert, in dem sich Soziale Arbeit entwickelt und auf alle Gesellschaftsbereiche ausgedehnt und etabliert hat, kann daher auch als das »sozialpädagogische Jahrhundert« (vgl. Thiersch 1992 oder auch Rauschenbach 1999) bezeichnet werden.
Wie sich die Soziale Arbeit in der Postmoderne des 21. Jahrhunderts weiterentwickeln wird, ob es etwa zu einer Re-Familialisierung der sozialen Hilfe kommen wird, bleibt abzuwarten.
Entwicklung der klassischen Methoden Sozialer Arbeit
Die klassischen Methoden Sozialer Arbeit sind genau genommen keine spezifischen Methoden, sondern Arbeitsformen. Innerhalb dieser Arbeitsformen wird dann methodisch etwa mit einzelnen KlientInnen oder Familien (Soziale Einzelfallhilfe), mit Gruppen (Soziale Gruppenarbeit) oder Gemeinwesen (Gemeinwesenarbeit) sozialarbeiterisch gehandelt (kommuniziert). Die Entwicklung der sozialarbeiterischen Arbeitsformen/Methoden kann in vier Phasen unterteilt werden (vgl. Schilling 1997, S. 272 ff.; Galuske 1998, S. 63 ff.):
Erste Phase: Anfänge (Anfang des 20. Jahrhunderts): In Deutschland hat vor allem Alice Salomon die Anfänge der professionellen sozialarbeiterischen Methoden maßgeblich beeinflusst. Mit der Veröffentlichung ihres Buches Soziale Diagnose (1926) versuchte sie, die aus den USA kommende (von Mary Richmond entwickelte) Methode des Case Work auch in Deutschland bekannt zu machen. Der Begriff »Diagnose« deutet es schon an, dass die Sozialarbeit in ihrer ersten Phase bestrebt war, sich konzeptionell/methodisch an die Medizin anzulehnen.
Das Ziel der sozialen Diagnose von FürsorgerInnen ist es, »Material zu sammeln (eigene Beobachtungen und Aussagen anderer), das beschaffene Material zu prüfen und zu vergleichen, es zu bewerten, Schlüsse daraus zu ziehen – schließlich ein Gesamtbild herzustellen, das erlaubt, einen Plan für die Abhilfe (Behandlung) zu fassen. […] Zum Material der Ermittlung gehören […] alle Tatsachen aus dem Leben des Bedürftigen und seiner Familie, die dazu helfen können, die besondere soziale Not und das soziale Bedürfnis des Betroffenen zu erklären und die Mittel zur Lösung der Schwierigkeit aufzuzeigen« (Alice Salomon, zit. nach Müller 1988, S. 145).
Zweite Phase: Übernahme amerikanischer Methoden (Arbeitsformen) (1950er Jahre): In dieser Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in der Bundesrepublik Deutschland die in den USA entwickelten o. g. klassischen Methoden/Arbeitsformen der Sozialen Arbeit in die Praxis und Lehre eingeführt.
Soziale Einzelfallhilfe: Sie bezieht sich auf einzelne Individuen und Familien, betrachtet deren Bedürfnisse und Probleme – auch in Wechselwirkung mit der relevanten Umwelt – und versucht, die KlientInnen und Familien zur Problemlösung anzuregen. Dabei wird von folgenden Prinzipien ausgegangen: Annehmen und Akzeptieren; Individualisieren; individuelle Selbstbestimmung; dort anfangen, wo die KlientInnen stehen; mit den Stärken des Individuums arbeiten. Methodisch wird in drei Schritten gearbeitet (»Methodischer Dreischritt«): 1. Fallstudie/Anamnese; 2. Soziale Diagnose; 3. Behandlung.
Im Mittelpunkt dieser Arbeitsform stehen die helfende Beziehung und das Gespräch.
Einen großen Einfluss auf die Einzelfallhilfe übte seit den 1930er Jahren in den USA eine Zeitlang die Psychoanalyse aus. Besonders nach der Emigration vieler deutscher und österreichischer Psychoanalytiker in die USA nach den faschistischen Machtergreifungen in Deutschland und Österreich wurden psychoanalytische Ideen in der US-amerikanischen Sozialen Arbeit bedeutend. Die Psychoanalyse wurde als die wichtigste psychologische Bezugstheorie für das US-amerikanische Social Case Work aber schnell abgelöst durch die seit den 1950er Jahren wachsende Bewegung der humanistischen Psychologie. Des Weiteren gewann zu dieser Zeit bereits die Systemtheorie, und zwar jene des Soziologen Talcott Pasons, an Bedeutung.
Soziale Gruppenarbeit: Sie bezieht sich auf (sozial)pädagogische Gruppen (von Kindern und Jugendlichen) oder auf themenbezogene Gruppen in allen Bereichen Sozialer Arbeit. In der Gruppenarbeit werden einzelne Gruppenphasen (z. B. Anfangs-, Machtkampf-, Harmonie-, Differenzierungs- und Lösungsphase) unterschieden. Die Grundprinzipien der Gruppenarbeit sind: Die Gruppe dort abholen, wo sie steht, und sich mit ihr in Bewegung setzen; mit den Stärken des Einzelnen arbeiten; Zusammenarbeit ist besser als Einzelwettbewerb; Raum für Entscheidungen geben; erzieherisch notwendige Grenzen setzen; sich als Gruppenleiter überflüssig machen.
Die Gruppenarbeit hat (nach dem bedeutenden Developmental Model) vier Ziele: 1. durch die Gruppenerfahrung den einzelnen Mitgliedern Sicherheit, Anerkennung, Unterstützung und Hilfe zu geben; 2. Werte und Normen zu vermitteln; 3. Möglichkeiten der Konfliktlösung zu bieten; 4. einen Transfer der Gruppenerfahrungen auf das Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.
Soziale Gemeinwesenarbeit: Sie bezieht sich auf eine größere Anzahl von Menschen, die etwa durch räumliche Nähe miteinander verbunden sind, die durch gemeinsame Problemlagen aufgrund äußerer Bedingungen benachteiligt sind, die durch gemeinsames Planen und Handeln ihre Benachteiligungen aufzuheben versuchen oder die in Kommunikationsprozessen ihre Fähigkeiten zur Verbesserung ihrer Situation einsetzen wollen. Während der Gemeinwesenarbeit versuchen professionelle HelferInnen, die Selbsthilfepotenziale der Menschen anzuregen, damit diese nicht nur sich selbst, sondern vor allem die sozialen Strukturen, in denen sie leben, verändern, umgestalten können. Gemeinwesenarbeit bezieht sich also nicht unmittelbar auf einzelne KlientInnen, sie ist vielmehr die Arbeitsform/ Methode der Sozialen Arbeit, die sich auf spezifische (mehr oder weniger begrenzte) gesellschaftliche (strukturelle) Veränderungen