Für die statistische Verteilung der Festigkeit im unteren Bereich wird nun eine Exponentialfunktion mit
(1.7)
verwendet. Die beiden Parameter m und k charakterisieren die Form der Verteilungsfunktion und werden aus der Auswertung von Versuchsdaten gewonnen. Zusätzlich erfolgt ein Übergang von n Teilabschnitten zum Integral über das Stabvolumen V:
(1.8)
Geht man davon aus, dass als unterer Grenzwert der Festigkeit σ0 = 0 eingesetzt werden kann, dann beträgt die Versagenswahrscheinlichkeit bei konstanter Spannung innerhalb des Volumens V
(1.9)
d. h. die Versagenswahrscheinlichkeit hängt somit von der Spannung im Bauteil und von seinem Volumen ab sowie von den aus der statistischen Auswertung von Versuchen gewonnenen Parametern m und k. Einen guten Überblick zu diesem Verfahren gibt Isaksson (2003).
Im Rahmen der Weibull-Theorie geht man davon aus, dass die Formparameter m und k unabhängig vom Volumen der Versuchskörper sind. Damit können für zwei unterschiedliche Volumen V 1 und V 2 die zugehörigen Festigkeiten σ1 und σ2 ins Verhältnis gesetzt werden, mit der Bedingung, dass die Versagenswahrscheinlichkeit in beiden Fällen gleich groß sein soll:
(1.10)
(1.11)
(1.12)
Auf diese Formulierung wird im EC5 an zwei Stellen zurückgegriffen: Die charakteristischen Werte bzw. die Bemessungswerte der Biege- und der Zugfestigkeit dürfen um einen Beiwert kn erhöht werden.
Für Vollholz gilt:
(1.13)
Für Brettschichtholz gilt:
(1.14)
Der Beiwert darf in Ansatz gebracht werden, wenn die jeweiligen Referenzhöhen, die anstelle des Referenzvolumens verwendet werden, unterschritten werden. Die Referenzhöhen betragen 150 mm bei Vollholz und 600 mm bei Brettschichtholz. Werte kleiner als 1,0, die sich bei höheren Querschnitten ergeben, dürfen unberücksichtigt bleiben.
Beim Querzugnachweis im Firstbereich von Satteldachträgern und gekrümmten Trägern aus Brettschichtholz wird der Bemessungswert der Querzugfestigkeit mit Bezug auf ein Referenzvolumen V0 angepasst:
(1.15)
Die Anwendung dieser Formulierung wird in Abschn. 2.2.1 erläutert.
Bei aller Klarheit stößt die Anwendung der Weibull-Theorie immer wieder an ihre Grenzen. Unter anderem dann, wenn es um die einheitliche Festlegung der Formfaktoren für konkrete Bemessungsaufgaben geht. Eine Alternative zu einer geschlossenen Herleitung bieten Parameterstudien mithilfe von Computersimulationen, bei denen statistische Effekte mit der Monte-Carlo-Methode berücksichtigt werden. Wichtige Beiträge dazu stammen von Foschi und Barrett (1980), Colling (1990) und Serrano et al. (2001).
1.2 Bruchmechanik – sprödes Versagen
1.2.1 B- und D-Bereiche
Die Querzugfestigkeit von Holz ist wesentlich geringer als die Zugfestigkeit in Faserrichtung. Dies ist mit der Struktur der Fasern, deren Orientierung und der daraus resultierenden Anisotropie zu begründen. Bei Überschreitung der Querzugfestigkeit des Holzes versagt der Werkstoff meist ohne Vorankündigung und ohne erkennbare Verformungen des Bauteils. Da ein solch sprödes Versagen im Bauwerk ausgeschlossen werden soll, wurden im traditionellen zimmermannsmäßigen Holzbau Konstruktionen, bei denen nennenswerte Querzugspannungen auftreten, möglichst vermieden. Im modernen Holzbau mit weit spannenden und gekrümmten Konstruktionen und bei den zugehörigen Verbindungen sind Querzugspannungen nicht zu umgehen. Dennoch ist die Vermeidung oder zumindest die Begrenzung von Querzugspannungen durch konstruktive Maßnahmen eine erste, wichtige Zielsetzung für den werkstoffgerechten Entwurf.
Allgemein unterscheidet man bei stabförmigen Biegeträgern zwischen B-Bereichen, welche nach der klassischen Biegetheorie zu berechnen sind, und den D-Bereichen, mit einem zweiachsigen Spannungszustand infolge von Diskontinuitäten. Die Biegetheorie nach Bernoulli geht vom Ebenbleiben der Querschnitte aus und von einem im Verhältnis zur Spannweite schlanken Querschnitt, der ausschließlich durch Spannungen in Längsrichtung beansprucht wird. Bereiche, wo sich der Querschnitt ändert oder wo Lasten quer zur Stabachse angreifen, weichen von diesen Annahmen ab. Es stellen sich lokal zweiachsige Scheibenspannungszustände ein. Diese ebenen Spannungszustände sind im Holzbau wegen der ausgeprägten Anisotropie besonders zu beachten. Abbildung 1.3 zeigt anschaulich, dass bei einem Träger die D-Bereiche durchaus dominieren können, wenn für deren Länge in etwa die Höhe des betrachteten Querschnitts angesetzt wird.
Für D-Bereiche könnten die Beanspruchungen direkt über Fachwerkmodelle abgeschätzt oder mit einem Finite-Elemente-Modell berechnet werden. Die Bemessung dieser Bereiche erfolgt in den normativen Regeln des Holzbaus allerdings meist indirekt. Tatsächlich auftretende Querzugspannungen werden nicht explizit ermittelt. Die Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit werden für Ausklinkungen, Queranschlüsse und Durchbrüche mit Beiwerten geführt, welche auf bruchmechanische Betrachtungen und Herleitungen zurückgehen.
Abb. 1.3 Balken mit B- und D-Bereichen infolge lokaler Diskontinuitäten.
Im folgenden Abschnitt wird dazu kurz in die Anwendung der linear-elastischen Bruchmechanik eingeführt und es wird am Beispiel der Ausklinkung gezeigt, wie eine bruchmechanisch exakte Lösung in eine vergleichsweise einfach handhabbare analytische Formulierung überführt wird. Anschlüsse und Details mit Querzugbeanspruchung werden im Kap. 3 umfassend behandelt und es werden dort auch entsprechende Verstärkungsmöglichkeiten zur Aufnahme von Querzugkräften mit den zugehörigen Bemessungsregeln erläutert.
Einen Sonderfall stellen Satteldachträger und gekrümmte Träger dar. Beim Satteldachträger resultieren die Querzugspannungen aus der Querschnittsdiskontinuität, das ist der D-Bereich beim First. Beim gekrümmten Träger gilt die Bernoulli-Hypothese aufgrund der unterschiedlich langen Randfasern des differenziellen Balkenelementes nicht und es treten keine lokalen, sondern kontinuierliche Querzugspannungen im gekrümmten Bereich auf. Diese Zusammenhänge werden in Abschn. 2.2.1 ausführlich behandelt.
1.2.2 Linear-elastische Bruchmechanik – energiebasiertes Bruchkriterium
Grundlage für die Bemessung querzugbeanspruchter Bereiche im Holzbau ist die linear-elastische Bruchmechanik (LEBM). In der Bruchmechanik wird davon ausgegangen, dass sich ein schon vorhandener Riss