Federn oder Haare neu zu bilden, bringt energetische Kosten mit sich. Bei Haaren sind sie vergleichsweise gering, sodass der Haarwechsel parallel zu anderen aufwendigen Tätigkeiten der Säugetiere, wie Austragen und Säugen der Jungen stattfinden kann. Die Bildung einer neuen Federgeneration bei Vögeln, Mauser (moult/molt) genannt, ist demgegenüber ein ungleich aufwendigeres Ereignis im Jahreszyklus, das bezüglich seiner zeitlichen Einpassung und der Geschwindigkeit des Ablaufs enge Koordination mit anderen energetisch kostspieligen Verrichtungen wie der Fortpflanzung und den Wanderungen erfordert.
Abb. 1.4 Verschiedene Hasenarten hoher Breiten wechseln zwischen braunem Haarkleid im Sommer und praktisch weißem im Winter (im Bild ein Schneehase, Lepus timidus, im Haarwechsel). Gute zeitliche Abstimmung des Umfärbens mit der Schneeschmelze ist wichtig, damit die Tarnwirkung der Fellfärbung optimal bleibt. Beim ähnlichen Schneeschuhhasen (Lepus americanus) wurde gezeigt, dass die wöchentliche Überlebensrate von Individuen mit unangepasster Fellfarbe bis zu 7 % geringer war als jene von Artgenossen, deren Fellfärbung der Umgebung entsprach (Zimova et al. 2016).
Abb. 1.5 Indischer Schlangenhalsvogel (Anhinga melanogaster), ein Verwandter der Kormorane, schwimmt häufig mit eingetauchtem Körper. Viele tauchende Wasservögel können ihr Gefieder stärker anpressen, wodurch Luft entweicht, sodass der Auftrieb geringer ausfällt.
Grundsätzlich ist die Mauser eine Folge davon, dass Federn sich abnutzen und deshalb regelmäßig ersetzt werden müssen. In der Regel geschieht das einmal im Jahr. Federn würden zwar etwas länger als ein Jahr funktionstüchtig bleiben, werden aber vor ihrem Verfalldatum erneuert. Die Mauser ist also nicht eine Reaktion auf ein bereits abgenutztes Gefieder, sondern eine Prävention gegen zu starke Abnutzung. Ausgelöst wird die Mauser nicht durch den Grad der Abnutzung, sondern wie andere jahresperiodische Vorgänge durch einen inneren Zeitgeber.
Funktionen des Federkleids
Neben den beiden bereits erwähnten Funktionen, Isolation und Signal- respektive Tarnwirkung, kommt den Federn entscheidende Bedeutung bei der Fortbewegung und Steuerung zu.
1. Die Isolation des Körpers gegenüber der Außentemperatur und der Schutz gegen eindringendes Wasser geschieht hauptsächlich über die kleinen, den Kopf, Hals, Bauch und Rücken sowie die Flügel und Schenkel bedeckenden Federn, die in ihrer Gesamtheit als Kleingefieder (body plumage) bezeichnet werden. Bei Wasservögeln ist dieses Gefieder dichter als bei Landvögeln und wird auch stärker eingefettet (Abb. 1.5).
2. Zum Fliegen kommen die größeren Federn am Flügel, die sogenannten Schwungfedern oder Schwingen (remiges) zum Einsatz, die in die distal liegenden Handschwingen (primaries) und proximal liegenden Armschwingen (secondaries) unterteilt werden. Die großen Schwanzfedern (rectrices) dienen hingegen primär der Steuerung im Flug und beim Tauchen. Zusammen werden diese Federn als Großgefieder bezeichnet (Abb. 1.6).
3. Färbung und Musterung des Gefieders haben zudem eine optische Funktion. Braune, oft dunkler gemusterte Federkleider dienen dazu, den Vogel weniger gut sichtbar zu machen, meistens im Sinne einer Tarnung (crypsis) vor Prädatoren; vor allem Weibchen und auch Jungvögel tragen ein solches Gefieder (Abb. 1.7). Bei Arten, die eine mehrjährige Jugendentwicklung durchmachen, wie etwa die größeren Möwen (Abb. 1.8), dient ein solches Gefieder auch zur Beschwichtigung adulter Geschlechtsgenossen. Es drückt aus, dass die immaturen (unausgefärbten) Träger dieses Kleids keine Konkurrenten bei der Partnersuche darstellen, womit sie sich Aggression vonseiten der Adulten ersparen. Optisch auffällige Gefieder besitzen dagegen Signalwirkung und kommen mehrheitlich bei Männchen vor (Abb. 1.7). Sie sind in der Regel das Ergebnis von sexueller Selektion und sollen dem Geschlechtspartner oder Konkurrenten die eigenen Qualitäten vor Augen führen (Kap. 4.8). Vögel in Regenwäldern können beide Funktionen – Krypsis und auffällige Signale – auch in einem Gefieder kombinieren (Gomez & Théry 2007). Auffallende Färbungsmuster sind bei Arten, die Inseln bewohnen, im Vergleich zu nahverwandten Arten auf dem Festland reduziert. Es wird angenommen, dass solche Muster auch der intraspezifischen Arterkennung dienen und dass aufgrund der geringeren Artenzahl auf Inseln der Selektionsdruck für entsprechende Differenzierung kleiner ist (Doutrelant et al. 2016).
Gefiederfolgen
Die zeitliche Abfolge der verschiedenen Gefieder im Leben eines Vogels ist das Resultat der periodischen Federwechsel und geschieht in festgelegter Weise. Das Grundmuster ist folgendes: Bereits im Ei oder dann während der Nestlingszeit wird in der Regel das Dunenkleid (natal down) angelegt, das aus Dunenfedern besteht und im Laufe des Jugendwachstums schnell durch das Jugendkleid (juvenile plumage), das erste Kleid aus «richtigen» Federn ersetzt wird. Auch dieses ist nur von kurzer Dauer; bald darauf folgt das Ruhekleid, oft auch Winter- oder Schlichtkleid (winter oder non-breeding plumage) genannt. Viele Arten tragen dieses Kleid ganzjährig, andere wechseln vor der Brutzeit ins Brutkleid respektive Pracht- oder Sommerkleid (summer oder breeding plumage). Anschließend alternieren in diesem Fall Winter- und Brutkleid. Bei größeren Arten folgen nach dem Jugendkleid noch weitere Immaturkleider; alle sind «schlichter» als Adultkleider (Abb. 1.8). Vögel in solchem Gefieder werden als «unausgefärbt» bezeichnet.
Abb. 1.6 Der landende Basstölpel (Morus bassanus; oben) demonstriert, wie Hand- und Armschwingen je spezifische Aufgaben beim Landemanöver übernehmen; auch die verschiedenen Reihen von Deckfedern, die normalerweise eine Schutzschicht für die Schwingenbasen bilden, unterstützen den Bremsvorgang. Unter Belastung nützen sich die Federn ab. Besonders deutlich kommt dies beim zerschlissenen Gefieder des Nepalhaubenadlers (Nisaetus nipalensis) im Bild unten zum Ausdruck. Dieser Greifvogel schlägt bodenlebende Beute im Wald und stürzt sich dabei mit Wucht durch das Unterholz.
Abb. 1.7 Deutliche Unterschiede in der Gefiederfärbung zwischen den Geschlechtern zeigen sich beim Kalifasan (Lophura leucomelanos). Das braune Gefieder des Weibchens (links) wirkt als Tarnkleid während des Brütens im Bodennest, während das auffälligere blauschwarzweiße Gefieder des Männchens vor allem Signalfunktion im Kontext des Paarungsverhaltens besitzt.
Die hier verwendete traditionelle Nomenklatur der Gefieder ist auf die Verhältnisse der temperierten Gebiete abgestimmt. Eine vor allem in Nordamerika gebräuchliche Benennung verwendet hingegen genereller anwendbare Bezeichnungen, die nur auf die Abfolge, nicht jedoch auf Zeitpunkt, Färbung oder Funktion der Gefieder Bezug nimmt. Das Grundgefieder, das auf das Jugendkleid folgt, ist das basic plumage (entspricht dem Ruhekleid), das allfällige zweite Kleid im Jahr (bei Adulten das Brutkleid) ist das alternate plumage. Die adulten Gefieder werden als definitive, die immaturen Gefieder (Abb. 1.8) als first, second etc. (basic oder alternate) bezeichnet oder, falls es sich um Zwischengefieder ohne spätere Entsprechung handelt, als formative. Die Mauser wird nach dem Gefieder benannt, das sie bewirkt: Die pre-juvenile molt führt zum juvenile plumage, die pre-basic molt zum basic plumage und die pre-alternate molt zum alternate plumage (Howell 2010).
Mausertypen und -strategien
Die Mauser ist meist ein geordneter und zeitlich regelmäßiger Prozess, der aber – je nach dem zu bildenden Gefieder – unterschiedliche Gefiederpartien erfasst. Bei der Vollmauser werden sowohl Körperfedern als auch Schwung- und Steuerfedern erneuert, bei einer Teilmauser meist nur das Kleingefieder, allenfalls noch einzelne Schwanzfedern. Die Anzahl Mausern pro Jahr und deren Umfang sind artspezifisch, auch wenn innerhalb einer Art eine gewisse Variation möglich ist. Vereinfacht lassen sich, unter Einbezug des Zeitpunkts des Mauserns, vier Mauserstrategien unterscheiden:
1. Eine jährliche Vollmauser nach der Brutperiode. Viele große Vögel, aber auch der Großteil der Singvögel, verfolgen diese Strategie (Abb. 1.9).
2. Eine Vollmauser