Abb. 3.11 Streifenkopf-Laubsänger (Phylloscopus reguloides; links) und Scharlachmennigvogel (Pericrocotus speciosus; rechts) sind beide stete Teilnehmer in gemischten Schwärmen in den Wäldern des östlichen Himalajas. Der Laubsänger als gleaner ist eher in Schwärmen der unteren Straten anzutreffen, der Mennigvogel erhascht Insekten nach kurzem Flug von einer Warte aus (sallying) und zieht vorzugsweise durch das Kronendach. Die Gilde dieser Fluginsektenjäger profitiert davon, dass benachbarte gleaners Insekten aufscheuchen (Sridhar & Shanker 2014).
Abb. 3.12 Welche Gruppengröße Afrikanischer Wildhunde bei der Jagd als optimal betrachtet werden kann, hängt auch davon ab, welche currency zur Berechnung benutzt wird. Im Bereich der häufigsten Größe (etwa 8–12 Individuen) erreichten die Wildhunde zwar die geringste Ausbeute pro Tier und Tag, bei Umrechnung auf den zurückgelegten Weg – und damit der Berücksichtigung der energetischen Kosten – hingegen den höchsten Ertrag (Creel & Creel 1995). Wildhunde können täglich große Strecken zurücklegen: im Bild ein Mitglied einer Männchengruppe im schnellen Trab auf der Suche nach Beute.
Die Frage, ob die Notwendigkeit kooperativen Jagens zur Evolution sozialer Strukturen bei Prädatoren geführt hat, ist wie andere Aspekte anhand spieltheoretischer Modelle erkundet worden (Packer & Ruttan 1988). Es zeigte sich, dass mit zunehmender Gruppengröße mit Profiteuren (scroungers) gerechnet werden muss, nämlich Individuen, die vom Jagderfolg anderer Gruppenmitglieder (producers) Nutzen ziehen, selbst aber wenig dazu beitragen. Deshalb nimmt der Jagderfolg bei Wölfen schon ab einer Rudelgröße von vier Tieren nicht mehr weiter zu (McNulty et al. 2012), während Afrikanische Wildhunde die besten Erfolge in größeren Gruppen erzielen (Creel & Creel 1995). Profiteure sind dann erfolgreicher als die producers, wenn deren Zahl gering ist, während sie in deren Überzahl weit unter dem zu erwartenden Erfolg bleiben (Barnard & Sibly 1981; Giraldeau & Dubois 2008). Dieses Muster ist auch im Feld bei Trauergrackeln (Quiscalus lugubris), einer neotropischen Stärlingsart, gefunden worden, doch erzielten «unter dem Strich» alle Individuen etwa denselben Nutzen, weil sie zwischen den Strategien wechselten (Morand-Ferron et al. 2007a).
Ein letzter möglicher Vorteil sozialer Nahrungssuche ist noch nicht erwähnt worden: der allfällige Gewinn von Information über Nahrungsquellen. Eine ganze Anzahl von Experimenten, viele von ihnen mit Vögeln, hat gezeigt, dass manche Tiere aus dem Verhalten ihrer Nachbarn Schlüsse ziehen können, wie sie selbst an versteckte und nur kurzzeitig vorhandene Quellen herankommen können (Krause & Ruxton 2002). Ward & Zahavi (1973) entwickelten die Idee, dass Ansammlungen von Vögeln, etwa am Schlafplatz oder in Brutkolonien, auch als Informationszentren dienen (information centre hypothesis). Demnach sollen erfolglos gebliebene Tiere aus dem Verhalten ihrer zu- und wegfliegenden Artgenossen (Bringen sie Nahrung mit? Fliegen sie anschließend zielstrebig in eine bestimmte Richtung weg?) auf deren Sucherfolg schließen können und den erfolgreichen, über die Nahrungsquellen informierten Individuen dorthin folgen. Die empirische Beweislage ist nicht eindeutig, doch gibt es einige gut belegte Beispiele für die Existenz eines solchen Mechanismus bei sozial lebenden Vögeln, etwa der nordamerikanischen Fahlstirnschwalbe (Petrochelidon pyrrhonota; Brown C. R. 1986) oder des Kolkraben (Corvus corax; Marzluff et al. 1996). Zudem lässt sich auch spieltheoretische Unterstützung finden (Danchin et al. 2008). Die Untersuchungen an Brutkolonien von Meeresvögeln machen im Allgemeinen aber eher folgendes Szenario plausibel: Die Tiere kennen die Hotspots, die Zonen mit guten Nahrungsvorkommen, auf einer größeren Skalenebene und steuern einen Hotspot unabhängig vom Verhalten anderer Individuen an; sobald sie aber irgendwo Artgenossen sehen, die gerade einen Fischschwarm ausbeuten, schließen sie sich an (Davoren et al. 2003). Das Szenario entspricht dem Suchverhalten von Geiern, die große Flächen im Suchflug bestreichen, zugleich aber ihre entfernt fliegenden Artgenossen im Auge behalten und ihnen folgen, sobald deren Verhalten auf die Entdeckung von Aas schließen lässt. Dieser Effekt wird als local enhancement bezeichnet.
3.7 Nahrung horten
Vor allem Tiere in saisonalen Klimazonen sehen sich damit konfrontiert, dass zu gewissen Zeiten Nahrung im Überfluss da ist, zu anderen Zeiten – meist im Winter – jedoch nicht. Eine Möglichkeit, Nahrung für später verfügbar zu machen, haben wir in Kapitel 2.7 kennengelernt: Hyperphagie. Die täglich aufgenommene Nahrungsmenge liegt über dem Bedarf für den normalen Gesamtumsatz, und die Differenz wird in Form von Körperfett angelagert. Diese Form der Nahrungs- respektive Energiespeicherung bringt allerdings vielfältige Kosten mit sich, nicht zuletzt durch die energetische Verteuerung der Fortbewegung und teilweise auch Erhöhung des Prädationsrisikos, wenn die Manövrierfähigkeit durch die Fettanlagerung beeinträchtigt wird. Am Rotkehlchen (Erithacus rubecula; Abb. 6.5) wurden solche Effekte experimentell untersucht: Schwerere Vögel können zwar bei einem Angriff eines Prädators gleich schnell starten wie jene ohne Fettpolster, doch ist ihr Abflugwinkel geringer und weniger an jenen des Angreifers angepasst (Lind et al. 1999).
Eine andere Möglichkeit ist die externe Speicherung von Nahrung als Vorrat (food hoarding), die als Strategie auch mit Fettspeicherung und Energieeinsparungen mittels Torpor kombiniert werden kann. Vorratshaltung eignet sich nur bei sedentärer Lebensweise und nur für Ware, die nicht verderblich und auch geruchlich schlecht lokalisierbar ist. Carnivoren können Beute deshalb höchstens kurzfristig aufbewahren; eine Ausnahme ist möglicherweise der Vielfraß (Gulo gulo), der in seinen arktischen Lebensräumen ganzjährig mikroklimatisch günstige Stellen zum Horten von Fleisch vorfindet (Inman et al. 2012). Getrocknetes Pflanzenmaterial ist ebenfalls schlecht zur Aufbewahrung im Freien geeignet, kann aber von überwinternden Nagetieren und Hasenartigen, besonders Pfeifhasen (Ochotona sp.) in ihre Baue eingetragen werden. Bei Insektenfressern geschieht dies auch mit Invertebraten (Merritt 2010). Prädestiniert zum Horten sind hingegen fettreiche Samen und ganze Nüsse, da sie nicht nur lange haltbar sind, sondern mit ihrer hohen Energiedichte auch die Kosten für Eintragen, Verstecken und Wiederfinden rechtfertigen. Vorratshaltung wird deshalb hauptsächlich von Samenfressern in gemäßigten und hohen Breiten betrieben, zumeist kleineren Nagern und gewissen Vogelarten aus den Familien der Meisen (Paridae), Kleiber (Sittidae) und Rabenvögel (Corvidae; Pesendorfer et al. 2016). Die gehortete Nahrung muss versteckt werden (caching), damit sie nicht an Konkurrenten fällt. Dies kann an einem Ort geschehen (larder hoarding), oft im Bau selbst. Doch viele Nager und die hortenden Vögel verteilen die Nahrung dezentral (scatter hoarding), indem sie sie in kleinen Ritzen oder Löchern an Bäumen, im Boden, unter Steinen oder ähnlich verstecken. Allenfalls muss verhindert werden, dass Samen frühzeitig keimen. Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) beißen etwa den Embryo aus Eicheln heraus; diese Fähigkeit scheint angeboren zu sein (Steele M. A. et al. 2006). Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes; Abb. 3.13) präferieren Mikrostandorte als Verstecke, die ungünstige Keimbedingungen bieten (Neuschulz et al. 2015). Übersichten über die vielfältigen Formen mit spezifischen Verhaltensweisen bei der Vorratshaltung von Tieren findet man bei Vander Wall (1990), kürzere Zusammenfassungen für die Säugetiere bei Feldhamer et al. (2007), Merritt (2010) oder Vaughan et al. (2011).
Abb. 3.13 Tannenhäher und Arvenkeimling. Es ist noch nicht lange her, dass Tannenhäher als Samenprädatoren und vermeintliche Verursacher eines Rückgangs von Arven vom Menschen verfolgt wurden. Auch wenn Tannenhäher bei ihren Suchgrabungen in alpinen Arvenbeständen um 80 % der Verstecke wiederfinden, bleiben bei der Menge der vergrabenen Arvensamen sehr viele keimfähige Samen zurück. Am Baum hängen gebliebene oder auf den Boden gefallene Samen werden hingegen fast vollständig von Nagetieren und Vögeln konsumiert. Dazu kommt, dass der Tannenhäher die Samen bis 15 km weit und über Höhendifferenzen