Ökologie der Wirbeltiere. Werner Suter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Werner Suter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Математика
Год издания: 0
isbn: 9783846386750
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      Abb. 2.4 Endothermie benötigt morphologische Anpassungen zur Regulation des Wärmeaustauschs über die Körperoberfläche. Reduktion des Wärmeverlusts über die Füße ist bei Vögeln in kalten Umgebungen wichtig, besonders bei Wasservögeln, die wie diese Lachmöwe (Chroicocephalus ridibundus) mit kalten Oberflächen in dauernder Berührung sind. Dies wird unter anderem über Wärmeaustauschnetze in den Blutbahnen der Extremitäten erreicht sowie durch die Möglichkeit, den Blutfluss bis zum Verhältnis 1:600 zu regulieren (Bezzel & Prinzinger 1990).

      Zwischenartliche Vergleiche sind nicht nur innerhalb der Endothermen, sondern auch zwischen diesen und Exothermen (Box 2.1) aufschlussreich. Auch bei Exothermen (und selbst Einzellern) folgt der BMR der Körpermasse mit ähnlicher Steigung b wie bei den Endothermen. Absolut gesehen, liegt der BMR bei Exothermen jedoch um ein Vielfaches tiefer, da diese nur wenig Körperwärme selbst generieren und ihre Körpertemperatur deshalb mit der Umgebungstemperatur variiert. Bei einer Umgebungstemperatur von 20 ° C beträgt der Unterschied gegen das 30-Fache (entspricht einer Differenz beim Achsenabschnitt a). Auch bei Exothermen steigt der BMR jedoch mit der Körpertemperatur an. Bei etwa 37 °C, einer Körpertemperatur, welche auch von vielen Reptilien bevorzugt wird, beträgt der Unterschied im Vergleich zu Endothermen gleicher Körpergröße noch etwa das 5-Fache.

      Der Energieverbrauch für die Aktivitäten, besonders die lokomotorischen, ist ökologisch bedeutsamer als der BMR. Gern wird der relative Aufwand für die einzelnen Tätigkeiten (Leistungs- oder Arbeitsumsatz), aber auch für den Gesamtumsatz innerhalb einer bestimmten Zeitspanne, im Verhältnis zum BMR angegeben (factorial aerobic scope); statt des eigentlichen BMR wird bei Wildtieren oft der weniger streng definierte Ruheumsatz verwendet. Tätigkeiten wie Stehen erhöhen den Grundumsatz um 10–30 %. Am aufwendigsten sind spezielle Fortbewegungsarten wie schneller Ruderflug großer Vögel (siehe unten) oder Nahrungstauchen bei gewissen Wasservögeln, die das 10- bis 20-Fache des BMR betragen und in Extremfällen noch deutlich höher liegen können. So wurde ein Wert von etwa des 47-Fachen des BMR bei stoßtauchenden Dreizehenmöwen (Rissa tridactyla) gemessen, das heißt für eine Aktivität, zu welcher die Möwen keine speziellen morphologischen Anpassungen besitzen ( Jodice et al. 2003). Säugetiere besitzen eine etwas geringere aerobe Kapazität als Vögel, doch erbringen spurtstarke Läufer wie Hunde (Canis familiaris), Pferde (Equus caballus) oder Antilopen kurzfristig ebenfalls Leistungen im Bereich des 30-fachen BMR. Länger dauernde Höchstleistungen können aber sowohl bei Vögeln als auch Säugern nicht wesentlich über dem 15-Fachen des BMR liegen. Gleichmäßig fliegende Vögel auf dem Zug erreichen das 16-Fache des BMR, bei forciertem Fliegen unter experimentellen Bedingungen jedoch nur etwa das 6,4-Fache des BMR bei tropischen und etwa das 9-Fache des BMR bei vergleichbaren Arten aus gemäßigten Klimazonen (Wiersma et al. 2007a).

      Morphologische Anpassungen reduzieren die Kosten von intuitiv aufwendig erscheinenden Tätigkeiten deutlich. Der Aufwand des Tauchens entspricht bei Wasservögeln, die den Vortrieb mit den Füßen erzeugen (Enten, Kormorane etc.), etwa 4- bis 10-mal dem BMR, bei Arten, die mit den Schwingen rudern (Alken, Pinguine), sogar nur 2,2- bis 4,2-mal (Enstipp et al. 2005). Stromlinienförmig gebaute Endotherme (zum Beispiel Robben) benötigen zum Schwimmen das 2- bis 3-Fache des BMR, Fische das 3- bis 7-Fache; der Unterschied ist aber dadurch bedingt, dass bei Endothermen der Grundumsatz bereits sehr viel höher liegt (Barboza et al. 2009). Grundsätzlich kostet Schwimmen dank des Auftriebs (und trotz des höheren Widerstandes) weniger Energie pro Einheit Körpermasse als vergleichbare terrestrische Fortbewegung wie Gehen oder Laufen; Fliegen liegt kostenmäßig dazwischen. Allerdings muss im Einzelfall zwischen unterschiedlich kostenintensiven Bewegungsformen (beim Fliegen etwa Segelflug, Ruderflug oder Schwirrflug) differenziert werden; zudem spielen Körpermasse und Geschwindigkeit eine Rolle. Bei fast allen Fortbewegungsarten nehmen die Kosten pro Masseneinheit und zurückgelegter Distanz mit zunehmender Körpergröße ab, die maximal erreichbaren Geschwindigkeiten hingegen zu. Für Schwimmen und Laufen ist diese Allometrie deutlich enger als für Fliegen, da beim Ruderflug die benötigte Energie im Vergleich zum Grundumsatz mit der Körpermasse sogar ansteigt. Ein gut 7 kg schwerer Geier (Gyps sp.) benötigt im Ruderflug etwa das 20-Fache des BMR, ein 4 g schwerer Kolibri im Schwirrflug nur etwa das 3,3-Fache (Bicudo et al. 2010). Große Vögel haben deshalb sehr kostensparende Formen des Fliegens entwickelt, die noch etwa das 1,5- bis 3-Fache des BMR kosten (McNab 2002; Abb. 2.5).

      Der Gesamtumsatz wird häufig auf 24 Stunden bezogen und dann als Tagesumsatz (average daily metabolic rate, ADMR) bezeichnet. Grundsätzlich lässt sich der Gesamtumsatz für eine beliebige Zeitspanne bei Vorliegen eines Aktivitätsbudgets und der Kenntnis der relativen Kosten der verschiedenen Aktivitäten errechnen. In der Regel jedoch wird er direkt gemessen. Bei Wildtieren ist das oft nicht einfach, da etwa bei Messungen des O2-Verbrauchs im Labor auch gut eingewöhnte Tiere Stresssymptome zeigen und damit zu hohe Werte generieren. Seit Längerem ist deshalb die Messung mittels Deuterium-Injektion (doubly-labeled water technique) gebräuchlich: Über die Ermittlung der Verlustraten von Sauerstoff- (18O) und Wasserstoffisotopen (3H), mit denen das injizierte Wasser versetzt ist, lassen sich die Kohlendioxidproduktion und damit der Energieverbrauch errechnen. Diese Methode kann gut auch bei frei lebenden Tieren angewandt werden, sofern mindestens zweimaliger Fang möglich ist. Bei solchermaßen erhobenen Werten spricht man vom Umsatz unter Freilandbedingungen (field metabolic rate, FMR).

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      Abb. 2.5 Röhrennasen-Arten wie Sturmvögel (im Bild ein Madeirasturmvogel, Pterodroma madeira) und Albatrosse (Diomedea und andere) sind lang- und schmalflügelige Hochseevögel. Sie fliegen vor allem mit Seiten- und Rückenwinden und nutzen dabei Windscherung (dynamic soaring) und Auftrieb über den Wellen, wobei sie über lange Distanzen ohne Flügelschläge auskommen. Die relativ breitflügeligen Greifvögel und Störche nutzen hingegen die Thermik über den Landmassen für stundenlanges Segeln.

      Der FMR ist mittlerweile für eine größere Zahl von Wirbeltieren gemessen worden; im Vergleich zum BMR ist der Datensatz aber immer noch viel kleiner. Da sowohl Grundumsatz als auch Tätigkeitsumsatz in allometrischen Beziehungen zur Körpermasse stehen, ergibt sich eine solche auch für den FMR. Wenn man die wärmephysiologischen Unterschiede zwischen Exothermen und Endothermen berücksichtigt und die allometrischen Beziehungen für Reptilien, Vögel und Säugetiere separat rechnet, so zeigt sich für alle drei Gruppen, dass die Körpermasse allein für 94–95 % der Variation beim (logarithmierten) FMR verantwortlich ist (Abb. 2.6). Dennoch unterscheiden sich je nach verwandtschaftlicher Zugehörigkeit die Steigungen b von jenen des äquivalenten BMR, da offenbar auch der Tätigkeitsumsatz gruppenspezifischen Mustern folgt. Für Vögel wurde eine mittlere Steigung b von 0,71 (95 %-Vertrauensbereich 0,63–0,80) und für Säugetiere von 0,64 (0,56–0,72) errechnet, wobei die Variation innerhalb der Vögel respektive der Säugetiere größer war als zwischen den beiden Klassen (Hudson et al. 2013). Ähnlich dem BMR können diese Muster mit bestimmten Biomen (Tropen/temperierte Zonen), Habitaten (Wüsten-/Nichtwüstenbewohner, marine/terrestrische Arten), Ernährungsformen (Carnivorie, Granivorie/ Herbivorie) oder taxonomischen Gruppierungen, vor allem auf der Ebene der Ordnung, in Verbindung gebracht werden (Nagy 2005; Hudson et al. 2013). Bei Vergleichen innerhalb näher verwandter Artengruppen und ähnlicher Körpermasse, zum Beispiel bei kleineren Vögeln (<150 g), zeigen sich oft aber relativ geringe Unterschiede im Energieverbrauch (Bryant 1997).

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      Abb. 2.6 Gesamtumsatz (gemessen als FMR) in Abhängigkeit der Körpermasse bei 229 Arten terrestrischer Wirbeltiere. Die Gerade ist die aus allen Werten berechnete Regressionslinie (Abbildung neu gezeichnet nach Nagy 2005).

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      Abb. 2.7 Bei der Schmalfuß-Beutelmaus (Sminthopsis crassicaudata), einem kleinen carnivoren Beuteltier aus den Trockenzonen Australiens, wurde mit 6,9-mal BMR einer der höchsten Gesamtumsätze