Mobilität und Migration in der Frühen Neuzeit. Marta Fata. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marta Fata
Издательство: Bookwire
Серия: Einführungen in die Geschichtswissenschaft. Frühe Neuzeit
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783846354148
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Belastung der Fahrt mit Zöllen, die saisonale Befahrungsmöglichkeit der Flüsse und die meistens in eine Richtung verlaufende Talfahrt stellten Hindernisse für längere Fahrten dar. Nur im Fall von größeren Warenmengen war der Wasserweg gegenüber dem Landweg rentabler: so etwa beim Holztransport aus dem Schwarzwald für die niederländischen Schiffswerften und Städtebauten auf dem Rhein oder bei der Verlegung der Truppen des Schwäbischen und des Bayerischen Reichskreises an die ungarische Türkenfront im 17. Jahrhundert auf der Donau. Dennoch waren längere Fahrten auf den größeren Flüssen auch für Passagiere in der Regel die bequemere Art des Reisens. Auf der Donau wurde 1696 die planmäßige Schifffahrt zwischen Regensburg und Wien eingerichtet, 1712 folgte Ulm mit seinen bis Wien verkehrenden Ordinarischiffen, als die große Auswanderungswelle nach Ungarn eingesetzt hatte.

      Gegenüber dem Schiff, das pro Tag bis zu 200 Kilometer zurücklegen konnte, war die Fahrt auf dem Landweg mit dem Wagen, der lediglich 20 Kilometer pro Tag fahren konnte, unverhältnismäßig langsamer. Sogar ein Fußgänger schaffte je nach Wegbeschaffenheit und Wetterlage 30 bis 50 Kilometer an einem Tag. Dennoch gehörte dem Wagen auf Europas Straßen die Zukunft. Frachtwagen, die dem Nah- und Ferntransport von Gütern aller Art dienten, wurden in der Frühen Neuzeit immer sicherer und größer und konnten bei guten Straßenverhältnissen Warenmengen zwischen vier und acht Tonnen transportieren. In Frankreich wie auch in den deutschen Territorialstaaten wurde der Transport auf Rädern bis ins 18. Jahrhundert hinein durch anliegende Bauern im Nebenerwerb oder als Frondienst geleistet. Nicht selten spezialisierten sich mit der Zeit ganze Gemeinden auf den Transport von Gütern und Personen.

      Parallel zum Gütertransport entwickelte sich auch der Personenverkehr mit dem Wagen. Für die Mobilität auf den Landwegen war der seit dem 16. Jahrhundert allmählich erfolgte Mentalitätswandel des männlichen Adels von großer Bedeutung, der neben dem Reiten die Beförderung per Wagen als standesgemäß akzeptierte. Dieser Wandel begann nach den Quellen in Ungarn. Die aus leichtem Holz gebaute und deshalb eine hohe Elastizität und Bequemlichkeit aufweisende ungarische Kutsche (kocsi) erlangte dort eine so große Beliebtheit, dass den Militärdienst leistenden Adeligen in einem königlichen Dekret von 1523 bedeutet werden musste, nicht mit der Kutsche, sondern zu Pferd ins Feldlager zu ziehen. Der ungarische Wagentyp wurde europaweit übernommen und für den Personenverkehr weiterentwickelt. Zunächst noch von Fürsten und dem Hochadel zu offiziellen Anlässen benutzt, wurde die Kutsche in italienischen Werkstätten aufwendig und prachtvoll ausgestattet. Im 17. Jahrhundert von Ludwig XIV. gefördert, entstand in Frankreich ein wichtiges Zentrum des Kutschenbaus. Die Kutsche erhielt jetzt eine mit Türen und Fenstern versehene geschlossene Kabine, die den Reisenden vor den Unbeständigkeiten der Witterung und dem Staub der Wege schützte. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts spielte auch Großbritannien eine führende Rolle bei der technischen Entwicklung und der Massenproduktion der Kutsche. Die große Beliebtheit dieses Transportmittels in den Städten zeigte sich in der Entstehung der ersten Mietkutschenunternehmen in London und Paris. In England verkehrten zwischen den Städten bald auch coaches und wagons, die bis zu 20 Personen auf einmal beförderten.

      Schnelligkeit war größtenteils von den Straßenverhältnissen abhängig und diese ließen trotz erster großer Anstrengungen beim Chausseebau im 18. Jahrhundert noch viel zu wünschen übrig. Bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts waren die Trassen der Fernwege in der Regel unbefestigt, was dazu führte, dass die Räder der Wagen und Postkutschen Spurrillen im Untergrund der Straßen hinterließen und sich stellenweise Hohlwege herausbildeten, die vor allem bei schlechtem Wetter die Fahrt erheblich einschränkten.

      Der Wunsch nach rentablem Transport von Gütern und nach schnellerer und besserer Mobilität der Menschen führte zu neuen Innovationen in Technik und Organisation des Transports- und Verkehrswesens. Doch trotz aller Neuerungen konnte sich die Mobilität während der gesamten Frühen Neuzeit nicht von der Natur emanzipieren. Sie blieb auf See von den Wind- und Wasserströmen und auf der Straße vom Pferd als Kraftmaschine abhängig. Bis Ende des 18. Jahrhunderts waren die meisten Menschen allerdings „auf Schusters Rappen“ unterwegs, war dies doch die erschwinglichste Form der Fortbewegung.

      [38]Warhaftige Historia und beschreibung eyner Landt=schafft der Wilden/ Nacketen/ Grimmigen Menschfresser Leuthen/ in der Newen welt America gelegen/ vor und nach Christigeburt im Land zû Hessen vnbekant/ biß vff diese ij nechst vergangene jar/ Da sie Hans Staden von Hom=berg auß Hessen durch sein eygne erfarung erkant/ vnd yetzo durch den truck an tag gibt, Marburg 1557, S. 1.

      [39]Zit. nach Schmitt, E. (Hg.), Das Gold der Neuen Welt. Die Papiere des Welser-Konquistadors und Generalkapitäns von Venezuela Philipp von Hutten 1534–1541, Berlin 19922, S. 126.

      [40]Zit. nach Federmann, N., Indianische Historia. Mit einer Einführung v. J. Friede, München 1965, S. 77.

      [41]Abgedruckt in: Metzler, J. (Hg.), America Pontificia, 3 Bde., Vatican 1991–1993, hier Bd. 1, S. 364–366.

      [42]Wallerstein (wie Anm. 18), Bd. 1.

      [43]Zit. nach Siegert, B., Passagiere und Papiere. Schreibakte auf der Schwelle zwischen Spanien und Amerika (1530–1600), München 2006, S. 104.

      [44] Hakluyt, R., A Discourse Concerning Western Planting, Written in the Year 1584, hrsg. v. Ch. Deane, Cambridge 1877.

      [45]Kurtze Reise Beschreibung Hr. Heinrich von Uchteritz, Lieutenants, Erbsassen auff Modelwitz in Meissen, [et]c.: Worinnen vermeldet, was er auf derselben für Unglück und Glück gehabt, sonderlich wie er gefangen nach West-Indien geführet, zur Sclaverey verkaufft, und auff der Insel Barbados […] wunderlich errettet und erlöset worden, o. O. 1705, S. 13.

      [46]Kuhlmann-Smirnov, A., Schwarze Europäer im Alten Reich. Handel, Migration, Hof, Göttingen 2013, Anh.: Tab. – „Mohren“ im deutschen Raum, um 1600 bis ca. 1800.

      [47]Seume, J. G., Mein Leben, hrsg. v. D. Sangmeister, Göttingen 2018, S. 70.

      [48]Döhla, J. K., Tagebuch eines Bayreuther Soldaten aus dem Nordamerikanischen Freiheitskrieg 1777–1783, in: Archiv für Geschichte und Altertumskunde von Oberfranken 25 (1912), S. 97.

      [49]Zit. nach Gräf, H. Th. u. R. Pröve, Wege ins Ungewisse. Reisen in der Frühen Neuzeit 1500–1800, Frankfurt a. M. 1997, S. 19.

      [50]Zedler