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Wie beurteilen Akteure die Glaubwürdigkeit von Drohungen?
Auf der Grundlage von Erfahrungen haben Akteure die folgenden Maßstäbe herausgebildet, um zu beurteilen, ob die Gegenseite droht oder blufft:
Selbstfesselung
Das dritte Interaktionsproblem entsteht dadurch, dass in Verhandlungen gemachte Drohungen nicht ohne Gesichtsverlust zurückgenommen werden können. Vielmehr fesseln sie die Hände der drohenden Seite. Auf diese Weise verringern Drohungen auch die Möglichkeit, den Konflikt auf friedliche Weise zu beenden, denn es werden Erwartungen auch im eigenen Lager geweckt. So kann es sein, dass man die Geister, die man rief, nicht mehr loswird. In diesem Fall spricht man von einem unbeabsichtigten Krieg, weil er aus einer oder sogar einer Serie von Interaktionen heraus entstand, deren Ergebnis — Krieg — nicht beabsichtigt war. Als Beispiel für einen solchen unbeabsichtigten Krieg wird zumeist der Erste Weltkrieg genannt (Clark 2013; Münkler 2013). Aber auch im hier benutzten Beispiel Golfkrieg wird deutlich, dass diese Interaktionsdynamik wirksam war. Denn schon früh hatten sich die britische Premierministerin Margret Thatcher und der amerikanische Präsident George H. Bush öffentlich darauf festgelegt, dass Iraks Besetzung von Kuwait »keinen Bestand haben werde«. Sowohl in den USA als auch in Großbritannien wurden dadurch erhebliche Erwartungen geweckt, dass beide Länder Kuwait militärisch befreien würden, sollte Irak nicht friedlich abziehen. Der Spielraum für einen auszuhandelnden Kompromiss war sehr beschränkt. Zusätzlich stand auch die Glaubwürdigkeit der USA und Großbritanniens in anderen Ländern auf dem Spiel. Wäre die Drohung nur ein Bluff gewesen, wer hätte spätere Drohungen dieser beiden Länder noch ernst genommen?
Bestand von Friedensabkommen
Das vierte Interaktionsproblem entsteht aus der Unsicherheit, ob alle Beteiligten sich an eine ausgehandelte Verhandlungslösung halten werden oder nicht. Denn nur dann können diese Kriege wirksam verhindern. Allein schon die Befürchtung, dass eine Seite eine Vereinbarung mit dem Hintergedanken schließen könnte, sich nicht daran zu halten, verringert die Möglichkeit, dass eine Übereinkunft überhaupt zustande kommt. Die beteiligten Akteure versuchen also einschätzen, ob alle Seiten sich an eine getroffene Vereinbarung halten werden oder nicht. Wenn sie zu dem Schluss kommen, dass eine oder mehr Seiten dies nicht tun werden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es statt zu einer friedlichen Lösung zu Krieg kommt (Frieden/Lake/Schultz 2012: 105; Levy 2013: 592).
Nicht-Einhaltung
Das fünfte und letzte Interaktionsproblem entspringt der Möglichkeit, dass die Konfliktparteien zwar ein Abkommen zur friedlichen Konfliktlösung schließen, aber zumindest eine Seite das Abkommen nicht erfüllt oder einhält. Wenn es nicht gelingt, die Einhaltung geschlossener Abkommen sicherzustellen, steigt die Wahrscheinlichkeit einer kriegerischen Auseinandersetzung. Die Nicht-Einhaltung internationaler Vereinbarungen selbst kann auf unterschiedlichen Ursachen beruhen (
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Unter welchen Umständen werden Vereinbarungen nicht eingehalten?
Zwischenfazit
Interaktionsprobleme als Kriegsursachen
Die folgenden Interaktionsprobleme können zu Krieg führen:
3.1.3 | Mangelnde Glaubwürdigkeit und Nicht-Einhaltung als Kriegsursachen
Wenn eine Seite eine getroffene Vereinbarung nicht einhält oder zumindest im Verdacht steht, ein Abkommen nicht einhalten zu wollen oder zu können, spricht man von Glaubwürdigkeits- und Verpflichtungsproblemen, aus denen Kriege entstehen können. Das gegenseitig gegebene Versprechen, in der Zukunft zur Konfliktbeilegung keine Gewalt anzuwenden, muss deshalb auf seine Glaubwürdigkeit geprüft werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn keine neutrale sogenannte dritte Seite bereit oder fähig ist, die Einhaltung des Versprechens wirksam zu garantieren.20 Hierfür sind die zahlreichen Vereinbarungen für Waffenstillstände in Bosnien-Herzegovina ein wichtiges Beispiel.