Abb. 1.6: Jährliche Sonneneinstrahlung in Abhängigkeit vom Breitengrad.
Die Artenvielfalt vieler Organismengruppen ist in den Tropen am höchsten. Welche Erklärungsmöglichkeiten gibt es dafür?
Das Leben von Organismen hängt, neben physikalischen und chemischen Umwelteigenschaften, von der Vegetation ab, die sowohl Nahrung als auch Schutz bietet. Der tropische Regenwald ist aufgrund der ganzjährigen hohen Sonneneinstrahlung mit den regelmäßigen und verlässlichen Niederschlägen das produktivste Biom der Erde. Die Produktion wird von der enormen Diversität der Pflanzen geleistet und bringt ein entsprechend großes Angebot an Ressourcen für die Tierwelt hervor. So produziert jede Pflanze zu unterschiedlichen Zeiten Früchte, sodass spezialisierte Früchtefresser während des gesamten Jahres Nahrung zur Verfügung haben. Gleichzeitig ist das vielfältige Angebot an frischen jungen Blättern für Herbivore eine verlässliche Nahrungsquelle. Die Lebensräume in den Tropen sind außerdem sehr heterogen und reich strukturiert und ermöglichen eine hohe Diversität von Organismen. Evolutionsgeschichtlich gesehen wird angenommen, dass die Vegetation der tropischen Regenwälder mit ihren Tiergemeinschaften während den Eiszeiten in isolierte „Inseln“ zurückgedrängt wurden, die dann später erneut miteinander verschmolzen sind. Diese „Inselbildung“ hat zur genetischen Isolation von Populationen geführt und ist bei der Artbildung von zentraler Bedeutung (s. Kap. 2).
Warum findet man die meisten Wüsten im Bereich des nördlichen und südlichen 30. Breitengrades?
Bei etwa 30° nördlicher und südlicher Breite sinken abgekühlte und relativ trockene Luftmassen, die von der innertropischen Konvergenzzone in der Höhe polwärts strömen, nach unten (s. Kap. 1.1.2, Frage 3 und 6). Die herabsinkenden und sich dadurch erwärmenden Fallwinde bilden an der Bodenoberfläche Hochdruckzellen aus, die gekennzeichnet sind durch minimale Niederschlagsmengen im Bereich der Subtropen. Warme Luft welche durch ihren hohen Sättigungsdampfdruck mehr Wasserdampf aufnehmen kann, zieht durch Verdunstung Wasser aus der Erdoberfläche und dem Boden und verursacht somit die trockenen Klimabedingungen der in diesen Zonen liegenden großen Trockenwüsten. Zugleich begünstigt der wolkenlose Himmel im Sommer und die intensive Sonneneinstrahlung die Bildung heißer Wüsten im Bereich des nördlichen und südlichen Wendekreises.
Welche Biome der Erde wurden durch menschliche Aktivitäten am stärksten beeinflusst?
Durch menschliche Eingriffe am stärksten verändert wurden natürliche Gras- oder Steppenlandschaften der gemäßigten Breiten, die zu großen Teilen in landwirtschaftliche Nutzflächen wie Acker- und Weideland umgewandelt wurden. Nur durch Ackerbau und großflächige Nutzung des Graslands zur Produktion von Fleisch und Milch, war die starke Zunahme der Weltbevölkerung möglich. Ein weiteres, vom Menschen stark beeinträchtigtes Biom, ist der tropische Regenwald, der zu landwirtschaftlichen Zwecken gerodet wird bzw. dessen Bäume zur Holznutzung gefällt oder durch Feuerrodung zerstört werden.
2 Evolutionärer Hintergrund
Stellen Sie sich vor, Sie haben einen großen Garten, in dem Sie zwei Nistkästen aufgehängt haben. In beiden Kästen nisten Kohlmeisen (Parus major) mit einem Gelege aus jeweils sechs Eiern. Aus den Eiern schlüpfen nach 2–3 Wochen die Küken, und die Eltern müssen nun das Futter für ihre Nachkommen heranschaffen. Das eine der beiden Männchen ist allerdings sehr auffällig gefärbt, wodurch ein Sperber (Accipiter nisus) schnell auf es aufmerksam wird und es nach kurzer Jagd mit seinen Fängen ergreift und tötet. Das Weibchen muss seine Jungen nun alleine großziehen. Da es aber alleine deutlich weniger Futter einträgt, überleben nur drei der sechs Küken, bis sie flügge werden. Zwei von Ihnen sind ebenfalls auffällig gefärbt, da sie dieses Merkmal von ihrem Vater geerbt haben. Auch diese beiden werden kurz nach dem Ausfliegen von dem Sperber erbeutet und gefressen und das dritte überlebt den darauffolgenden sehr harten Winter nicht, weil es nicht ausreichend Energiereserven hatte. Bei dem anderen Meisenpaar tragen beide Eltern das Futter ein. Hier sind alle Küken unauffällig gefärbt und überleben bis zum Ausflug, allerdings sterben drei davon ebenfalls im darauf folgenden Winter. In diesem Beispiel werden also nur die unauffällig gefärbten Küken im nächsten Jahr zur Fortpflanzung kommen, da alle Individuen mit einer auffälligen Gefiederfärbung durch den Prädator ausselektioniert wurden. Das Männchen mit der auffälligen Gefiederfärbung hat daher eine geringere Fitness als das Männchen mit der unauffälligen Gefiederfärbung und bringt keine Gene in die nachkommende Generation ein.
Diese Geschichte soll Ihnen die Grundprinzipien der Evolutionstheorie von Darwin veranschaulichen. Individuen mit dem größten Reproduktionserfolg haben die größte Fitness und beeinflussen die genetischen Merkmale der nachfolgenden Generationen. Hier ist es allerdings wichtig zu bemerken, dass sich die auffällige Gefiederfärbung unter anderen Umweltbedingungen auch positiv auf die Fitness des Männchens auswirken könnte. Wäre der Prädator z.B. nicht vorhanden gewesen, hätte die auffällige Gefiederfärbung auch den Reproduktionserfolg des Männchens erhöhen können, da es durch seine auffällige Färbung eine hohe Attraktivität für Weibchen hat (Sexuelle Selektion) und daher auch mit dem Nachbarweibchen in einem Seitensprung Nachkommen gezeugt hätte. Dies zeigt, dass die Selektion von Merkmalen von den jeweils vorherrschenden Umweltbedingungen abhängt und nicht zielgerichtet ist.
2.1 Fragen und Antworten
Die natürliche Selektion
Die Evolution innerhalb von Arten
Die Ökologie der Artbildung
Klimatische Auswirkungen und Kontinentaldrift
Konvergente oder parallele Evolution
2.1.1 Die natürliche Selektion
A Auf welchen fünf grundlegenden Erkenntnissen baut die Evolutionstheorie von Darwin auf?
1 Die Individuen einer Population sind nicht identisch.
2 Die Variabilität zwischen Individuen ist zumindest zum Teil erblich, d.h. sie hat eine genetische Grundlage, welche an die Nachkommen weiter vererbt werden kann.
3 Alle Populationen reproduzieren Nachkommen im Überschuss. Die Nachkommen haben aber keine maximale Überlebens- und Vermehrungsrate und die meisten dieser Individuen sterben, bevor sie sich fortpflanzen können. Das heißt, es werden weit mehr Nachkommen produziert als in der nächsten Generation auftreten.
4 Unterschiedliche Individuen hinterlassen eine unterschiedliche Anzahl an Nachkommen. Das bedeutet aber nicht nur, dass die Anzahl der produzierten Nachkommen variiert, sondern auch dass deren Überlebenswahrscheinlichkeit bis zur Geschlechtsreife sich unterscheidet und von den Eigenschaften der Individuen abhängt. Dies betrifft ebenso die Nachkommen der folgenden Generationen.
5 Die Anzahl der Nachkommen, die ein Individuum hinterlässt, hängt entscheidend von den Interaktionen zwischen den Merkmalen eines Individuums und seiner Umwelt ab.
S Welche Individuen tragen überdurchschnittlich zu den nächsten Generationen bei?
Individuen, die am besten in der Lage sind, Risiken und Gefahren zu überleben und sich am erfolgreichsten reproduzieren, tragen überdurchschnittlich zu den folgenden Generationen bei.
D Wie ist Fitness definiert und durch welche Hauptkomponenten wird sie bestimmt?
Individuen, die am meisten fortpflanzungsfähige Nachkommen in die nächste Generation einbringen, haben die höchste Fitness. Die Fitness wird durch Überleben und Reproduktion bestimmt.
F Warum wird die Fitness durch den Lebensraum beeinflusst?
Die Anzahl der Nachkommen, die ein Individuum