Der Heinzi seufzte: »Na ja, bei echter Kunst kann i ned naa sag’n, noch dazu, wenn’s so elegant geamacht is’, des weißt ja eh. Wann kummt der Kieberer?«
Max sagte: »Morgen Abend. In deinen Laden beim Bahnhof, dem XXL? Um neun?«
»Jo, wennsd maanst.«
»Noch was, Heinzi, ich komme alleine nach Salzburg. Und ich will lebendig, an einem Stück und ohne Löcher wieder hier in Rosenheim ankommen. Freies Geleit, zusammen mit dem Typen, wenn wir ihn finden.«
»Den Gschrappen host scho’ so guad wia in da Daschn. Und aus dem Stand nimmt di hier ohne meinen Segen kaana. Wia haasd der Hawara?«
»Josef Schiermeier, Bayer, um die 30, notorischer Zocker.«
»Is’ guad. Bis muagn. Gschamster Diener, Habediehre und Servas.«
Der Chili legte das Telefon beiseite und schaute den Max an: »Und, zufrieden? Weißt du, was mich das kostet? Das war eine extrem aufwendige Produktion.«
»Doch nicht wirklich auf Schloss Neuschwanstein, oder?«
»Spinnst? Aber wir haben einen begnadeten Kulissenbauer. Die Chinesen sind asiatische Küchenhelfer aus München, die Kostüme aus einem Theater in Traunstein geliehen, und die Kettensägen waren ebenfalls Leih-Ware, von OBI. Willst mal in den Film reinschauen? Alleine für das Finale haben wir 80 Liter Ketchup gebraucht. Aber das war Gott sei Dank beim LIDL im Angebot.«
Der Auer Max winkte ab: »Passt schon. Ich bin nicht so der fachkundige Kunst-Mäzen wie der Heinzi. Was meinst du, kann ich ihm trauen? Von wegen freiem Geleit und so?«
Der Chili kratzte sich am Ohr: »Er wird ein bissel sehr exzentrisch, höre ich. Und jähzornig und unbeherrscht war er ja schon immer. Also, Wetten auf deine Unversehrtheit würde ich ab deinem Eintreffen in Salzburg nicht mehr annehmen.«
»Wie?«
»Das war ein Spaß. Der Heinzi ist ein gesalbter Irrer von höchsten Gnaden, aber er hält sein Wort. Das gilt allerdings immer nur für die aktuelle Absprache. Wenn du später noch mal nach Salzburg musst, stehen Neuverhandlungen an. Haben wir sonst noch was?«
Der Auer stand mit einem Ächzen auf: »Nein. Jetzt werde ich so langsam müde. Servus, mein Alter.«
»Warte, nimm deine Lebensversicherung mit!« Chili kramte in einer seiner Schreibtischschubladen: »Wo ist er denn? Ich hab ihn doch gestern noch … ah, da isser ja. Bitte sehr. Der neue Blockbuster für den Heinzi.«
»Danke. Und warum ist das jetzt meine Lebensversicherung?«
»Der Code. Der Film ist codiert und der Schlüssel ist mein Geburtstag. 1811. Erinnere den Heinzi gleich am Anfang des Gespräches daran. Sicher ist sicher. Nur damit er weiß, dass, wenn dir was passiert, er es mit mir zu tun bekommt. Und jetzt: Bon Rasage, wie die chinesischen Pornodarsteller immer sagen.«
New York schläft nie.
Rosenheim schon.
Es war schon halb zwei, als der Auer den Porsche leise in die Tiefgarage fuhr. Im Lift betrachtete er sein Gesicht, lächelte und zwinkerte sich zu. Oben im Flur zog er seine Schuhe aus und versperrte die Lifttür mit dem Code. Der Flur war bis auf das Notlicht über dem Telefon dunkel.
Im Wohnzimmer warf eine Eckleuchte einen fahlen Lichtstreifen über den Esstisch, und von der Terrasse her kam ein lauer Luftzug.
Sitzen die zwei um diese Zeit noch draußen, dachte er und ging ins Wohnzimmer. Die Sanduhr mit Ottis Asche drin glitzerte, als wären die kleinen Ascheflocken lebendig und würden sich gut amüsieren. In der Luft lag ein angenehmer, leichter Duft nach Bratensauce.
Durch die offene Schiebetür sah er den Manfred, Tante Friedls LAP (Lebensabschnittspartner), nahe an der Brüstung sitzen und große, runde Rauchkringel zu den Topfpalmen rüberhauchen. Neben dem hellen Regie-Leinenstuhl mit der Rückenaufschrift »GEORGE CLOONEY« stand ein kleiner Rattan-Beistelltisch mit einer Flasche Rotwein und einem halb vollen Glas. Von der Münchner Straße stieg das Licht der Schaufenster-Beleuchtungen an der gegenüberliegenden Hausfassade hoch, und ab und zu fuhr noch ein Auto vorbei und man hörte das Wummern der Bässe.
Der Auer hüstelte, um den Manfred nicht zu erschrecken, dann holte er sich auch einen der Leinenstühle aus der Ecke. Auf seinem stand »BETTE DAVIS«.
Er setzte sich neben den Manfred: »Warum bist du noch auf?«
»Dasselbe könnte ich dich fragen.«
»Ich war bei der Rosi und dann noch beim Chili. Jetzt bist du dran. Wo ist die Friedl?«
»Als ich sie zum letzten Mal gesehen habe, holte sie sich eine kleine Flasche Champagner aus dem Kühlschrank und ist damit in ihrem Schlafzimmer verschwunden.«
»Eurem Schlafzimmer, meinst du?«
»Oder so. Findest du mich dick?«
Der Auer griff zu der Weinflasche, studierte im Halbdunkel das Etikett und trank einen Schluck aus Manfreds Glas. »Von Wein hab ich keine Ahnung. Aber der schmeckt gut. Weißt du was? Vor ein paar Stunden hat mich schon mal einer gefragt, ob ich finde, dass er dick ist. Wirke ich jetzt anziehend auf dickliche Männer, oder was? Wer sagt, du bist dick? Die Friedl?«
Manfred trank ebenfalls und goss dann den Rest aus der Flasche ins Glas: »Nicht direkt. Aber wenn man so viele Jahre in meinem Beruf gearbeitet hat, dann spürt man so was. Ich meine, bei mir war es systemrelevant, dass ich die Gedanken einer Frau erraten konnte, bevor sie überhaupt dran dachte, drüber nachzudenken.«
»Heute stand in der BILD, dass japanische Forscher endlich herausgefunden haben, was Frauen wirklich wollen.«
»Ach was. Das ist ja hochinteressant. Und was genau wollen sie, die Frauen? Das frag ich mich nämlich schon mein ganzes Leben lang.«
Max stand auf: »Das weiß man nicht, weil es sich die Frauen mittlerweile schon wieder anders überlegt haben. Ich hol mir noch schnell ein Bier. Bin gleich wieder da.«
»Dreh den Otti um, die Friedl hat gemeint, er braucht ein bisschen mehr Bewegung.«
Ich glaube, es sind jetzt bestimmt ein paar Neue dabei, die das eine oder andere über den Manfred, die Friedl und den Otti noch nicht wissen.
Wo soll ich anfangen? Also, die Friedl, Auers Tante, war mit dem Otti verheiratet. Der war ein Spezialist in individueller Eigentumsübertragung. Er starb bei einem Autounfall, der aber sehr wahrscheinlich ein gut getarnter Mord war. Den Otti hat die Friedl einäschern lassen, und die Asche befindet sich seit drei Jahren in der Sanduhr im Wohnzimmer.
Der Manfred war diplomierter Heiratsschwindler, jetzt ist er Privatier und geht dem Auer bei diesem und jenem zur Hand, du weißt schon.
Der Max kam also mit seinem eiskalten Flötzinger Pils in der Hand über die große Dachterrasse, setzte sich wieder in seinen »BETTE DAVIS«-Regie-Stuhl, trank, rülpste und sagte: »Da fällt mir grade ein: Der afrikanische Lungenfisch nimmt ab, indem er einfach nichts mehr frisst.«
»Super Plan.«
»Warte, es kommt noch besser. Er, also, der Lungenfisch, kann eine Zeit lang ohne Fressen auskommen, weil sich sein Körper von seiner eigenen Muskelmasse ernährt. Der Fisch wird also kleiner.«
»Guter Tipp. Das sollte ich auch so machen. Dann passen mir meine alten Anzüge wieder. Baut der dämliche Fisch nur Muskelmasse ab oder wird er auch, wie soll ich sagen, von der Länge her kleiner?«
»Natürlich.«
»Dann ist das für mich nicht so geeignet, weil ich eh bloß einen Meter und 72 bin. Nach der Lungenfisch-Diät bin ich dann was? Eins 40?«
»Gut. Fisch beiseite. Hattest du Zoff mit Friedl?«
»Nein, das kann man so nicht sagen. Wir haben beim Essen über das eine oder andere geplaudert. Auf dich haben wir übrigens bis acht Uhr gewartet,