Es kommt zu hitzigen Debatten, zu Rede und Gegenrede. Dann fallen die Worte des Perikles: Das Geld gehöre denen, die es bekommen. – Seine Widersacher kontern: Aber entscheidend sei der Zweck! – Perikles erklärt: Es sei alles in Ordnung, wenn die vereinbarte Gegenleistung erbracht werde. – Das sei die Abwehr der Perser! – Das sei bis vor ein paar Jahren so gewesen. Inzwischen seien die Griechen so gut gerüstet, dass sie das Geld auch für andere Dinge ausgeben könnten. Oder jedenfalls einen Teil davon. – Und dann verrät Perikles der brodelnden Menge, welch einen wirtschaftlichen Segen sein Projekt darstelle: »Wir müssen die Überschüsse auf Werke lenken, die uns nach ihrer Vollendung ewigen Ruhm, während ihrer Ausführung aber allgemeinen Wohlstand versprechen.« Als erfahrener Politiker wusste Perikles, dass man mit dem Argument der Arbeitsplätze immer punkten kann: »So wird es Arbeit in Hülle und Fülle geben. Die vielfältigsten Aufgaben werden jedes Handwerk beleben und jeder Hand Beschäftigung bringen.«
Und so begannen denn im Jahr 447 v. Chr. die Arbeiten auf der Großbaustelle Akropolis. Gelegentlich schauten Besucher aus Rhodos, Samos oder einer anderen Geldgeberstadt vorbei und freuten sich, dass sie ihren Beitrag zur Leistungsschau der Athener hatten beisteuern dürfen – etwa in Form einer marmornen Säule für einen der Tempel oder in Gestalt einer Treppenstufe. Tatsächlich entwickelte sich die Akropolis in den folgenden Jahren zu einem wahren Schmuckstück. Die Oberaufsicht über die Arbeiten übertrug Perikles einem guten Bekannten, der bis heute als einer der größten griechischen Künstler gilt. Zu diesem Zeitpunkt war Phidias noch eher am Anfang seiner Karriere, später sollte er mit der Zeus-Statue im Tempel des obersten griechischen Gottes in Olympia eines der Sieben Weltwunder der Antike produzieren. In Athen aber befehligte er mit Unterstützung seines Freundes Perikles ein Heer von Arbeitern. Genannt werden in den Quellen Zimmerleute, Kupferschmiede, Steinmetzen, Goldarbeiter, Elfenbeinschnitzer, Sticker, Graveure – und dazu auch Färber und Maler. Deren Aufgabe war die farbige Gestaltung der Gebäude und der sie zierenden Figuren. Die Antike war bunt, Tempel und Götterfiguren strahlten einst in den schönsten Farben – in Blau, Gelb, Grün, Rosa. Erst der Zahn der Zeit und spätere Restaurationen führten dazu, dass sie marmorweiß wurden und man sich also die Antike in Weiß vorstellte. Mit speziellen Methoden wie dem Einsatz von ultraviolettem Licht können die originalen Farben heute rekonstruiert werden.
Ein schöner Körper ist desto schöner, je weißer er ist, schrieb Johann Joachim Winckelmann. Er wusste, dass die Antike bunt war, denn das steht bereits bei antiken Schriftstellern. Aber Farbe, so dozierte der Altmeister, trage zur Schönheit bei, sei aber nicht die Schönheit selbst. Theodor Mommsen hat sich nicht zur Farbe der Antike geäußert, weil er anders als Winckelmann kein Kunstexperte war. Ihn interessierte mehr das bunte Leben, die antike Kultur. Und damit hat er Maßstäbe gesetzt, die bis heute nichts von ihrer Aktualität und Modernität verloren haben.
Kompass Antike: Die Zeit – Der Raum – Wichtige Phasen
Die Menschen der Antike wussten natürlich nicht, dass sie in der Antike lebten. Für sie war ihre Zeit die Gegenwart. Erst nachfolgende Generationen machten aus der Antike die Antike. Es begann im 15. Jahrhundert mit Gelehrten, die sich nach alten Zeiten zurücksehnten und ihr Ideal bei den Griechen und den Römern entdeckten. Diesen Humanisten, wie man sie später nannte, folgten im 18. Jahrhundert die Vertreter der Klassik, die, rekrutiert aus Literaten und Kunstfreunden, den alten Kulturen weitere Lorbeerkränze flochten. Zur gleichen Zeit traten erstmals Historiker auf den Plan, mit der bis heute kanonischen Einteilung der Geschichte in Antike, Mittelalter und Neuzeit. Mit dieser Periodisierung wurden die Menschen der Vergangenheit, ohne dass sie daran noch etwas ändern konnten, bestimmten Epochen zugeteilt. Und die Historiker an den Universitäten und anderen Bildungsinstitutionen gehören seither klar definierten Abteilungen an. Im akademischen Sprachgebrauch heißen sie dementsprechend Althistoriker, Mediävisten und Neuzeitler.
Warum wird man eigentlich Althistoriker? Ist die Geschichte der Neuzeit nicht spannender und aktueller? Diese Fragen werden mir häufig gestellt. Und ich gebe darauf immer zwei ernste Antworten und eine nicht so ernste Antwort. Die weniger ernste lautet: Im Gegensatz zum Zeithistoriker muss ich bei Vorlesungen und Vorträgen nicht befürchten, dass sich Zeitzeugen melden und sagen, es sei alles ganz anders gewesen. Die erste ernste Antwort lautet: Es ist ungemein faszinierend, aus dem Puzzle der Quellen, die für die Antike naturgemäß weniger üppig sprudeln als für spätere Epochen der Geschichte, ein Bild von dieser Zeit zu formen. Das gleicht nicht selten einer aufregenden Detektivarbeit. Und das zweite Argument: Die Antike steht am Anfang und bietet daher die einmalige Gelegenheit zu erforschen, wie die Menschen sich verhielten, als sie noch (fast) alles vor sich hatten – den Staat, die Stadt, die Politik, die Technik, den Krieg, den Frieden und vieles andere mehr, was uns heute als selbstverständlich erscheint.
In welcher Phase der Geschichte genau aber dürfen sich Althistoriker und überhaupt Anhänger der Antike zu Hause fühlen? Das muss geklärt sein, damit sie nicht, was fatal wäre, Geschichts- und Kulturfreunden, die eher mit anderen historischen Epochen sympathisieren, ins Gehege kommen. Zunächst einmal haben sie den unschätzbaren Vorteil, dass sie niemanden vor sich haben. Schließlich ist doch vor der Antike nichts gewesen, von der Steinzeit abgesehen – aber ist das wirklich so? Für die Gelehrten des 18. Jahrhunderts war die Sache klar: Antike – das waren die alten Griechen und Römer. Doch was war mit den Kulturen des Alten Orients? Die ersten Hochkulturen entwickelten sich, lange vor Griechen und Römern, in Mesopotamien und Ägypten, um 3000 v. Chr. Sichtbare Merkmale dieser frühen Zivilisationen waren die Erfindung der Schrift, Sternstunden der Architektur, die Entstehung von Städten und differenzierten Formen des Wirtschaftens, dazu bedeutende Leistungen auf dem Gebiet von Wissenschaft und Technologie. Nicht viel später legten frühe Kulturen im Nahen Osten und in Anatolien nach. Also beginnt die Antike um 3000 v. Chr.?
Ein Gelehrter wie Eduard Meyer hätte diese Ansicht ohne weiteres unterschrieben. 1855 wurde der berühmte Forscher in Hamburg geboren. Er starb 1930 in Berlin, wo er zuletzt als Professor für Alte Geschichte gelehrt hatte. Sein auch heute noch sehr lesenswertes Hauptwerk trägt den schlichten Titel Geschichte des Altertums. Das Vorhaben war überaus ambitioniert: Meyer wollte die Geschichte des gesamten Altertums schreiben. Und er begann nicht bei den Griechen, sondern bei den Ägyptern und den alten Völkern Mesopotamiens. Er konnte dies wagen, weil er, universal gebildet, auch Kenntnisse in den altorientalischen Sprachen und Schriften hatte und daher in der Lage war, die alten Quellen zu lesen und zu verstehen. So erschienen mehrere Bände, der erste 1884, der letzte 1902. Doch während er an den späteren Bänden arbeitete, waren viele Ausführungen in den ersten Bänden durch neue Forschungsergebnisse bereits wieder überholt, was wiederum bedeutete, dass diese Bände für neue Auflagen zu überarbeiten waren. Also musste Meyer erst einmal hinter sich selbst herschreiben, bevor er sich wieder dem eigentlichen Plan widmen konnte, die Geschichte des Altertums bis zu den Griechen und den Römern fortzusetzen. Zu einem organischen Abschluss kam er indes nicht: Das Werk reicht nur bis zum Jahr 366 v. Chr. – an sich ein schönes, aber nicht gerade epochales und schon gar nicht eine historische Zäsur rechtfertigendes Datum. Die Römer hatten sich bis dahin zwar auch bereits in der Geschichte angemeldet, aber nur in bescheidenen Ansätzen, ihre größten Zeiten standen ihnen noch bevor. Auf sie mussten und müssen Meyers Leser aber weitgehend verzichten. Die Geschichte des Altertums von Eduard Meyer blieb ein voluminöser Torso.
Es war das letzte Mal, dass sich ein einzelner Gelehrter an einer solchen Herkules-Aufgabe versuchte. Eduard Meyer war der finale Vertreter der im Aussterben begriffenen und nach ihm tatsächlich ausgestorbenen Spezies des Universalhistorikers. Die verschiedenen Disziplinen der Altertumswissenschaften schritten in seiner Zeit mit hohem Tempo voran, entwickelten