Sie überhörte die Spitze. »Stand auch auf Ihrer Liste«, murmelte sie nur. Sie schenkte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Salat. Er wartete, bis sie die Gabel weglegte, dann wollte er wissen, wie sie mit den Ermittlungen vorankam.
»Dazu darf ich nichts sagen, das wissen Sie. Aber wollten nicht Sie mir etwas erzählen?«
Er nickte bedächtig. »Ja, schon. Ist wahrscheinlich gar nicht wichtig.«
»Nicht wichtig?«, rief sie überrascht aus. »Und dafür opfere ich meinen Feierabend?«
»Ist doch gut hier.«
»Sie haben Nerven.«
Er reagierte bestürzt: »Jetzt sind Sie sauer.«
Die Pasta ersparte ihr die Antwort. So sehr sie auch kaute, der Gedanke ließ sich nicht vertreiben, dass sie einem Verdächtigen gegenübersaß. Zu allem Überfluss schien er sich in ihrer Gegenwart wohlzufühlen. Noch schlimmer: Ihr erging es ebenso. Warum konnte Dr. Roberts nicht einer der arroganten Sorte sein, die versuchten, die Polizei mit lateinischen Fachwörtern in die Flucht zu schlagen? Mit solchen Typen wusste sie umzugehen. Warum war ausgerechnet ihr Verdächtiger ein liebenswerter Kerl, den sie am liebsten ans Herz drücken würde wie ihren Teddy, so besorgt, wie er sie dauernd anblickte?
Der Teller war leer. Sie nippte an ihrem Wasserglas, dann forderte sie ihn auf: »Nun schießen Sie mal los.«
Seine Sorgenfalte verschwand für einen Augenblick. Sie spricht wieder mit mir, schien er zu denken. Er trank den Rest des Rotweins aus, tupfte sich die Lippen trocken, dann sagte er kleinlaut: »Professor Pickering führt eine Privatklinik. Fast ausschließlich Nierentransplantationen.«
Sie starrte ihn an, als hätte er sie ins Gesicht geschlagen. »Und das erfahre ich erst jetzt?«, schnaubte sie erregt.
»Es – tut mir leid, wirklich. Ich habe einfach nicht daran gedacht. Erst später ist mir eingefallen, dass es vielleicht wichtig sein könnte für Ihren Fall, obwohl ich mir das, ehrlich gesagt, nicht vorstellen kann.«
»Das zu entscheiden, überlassen Sie besser uns.«
Kopfschüttelnd fragte sie sich, wie sie so etwas bei der Vorbereitung des Besuchs in Cambridge übersehen konnte. Er beantwortete die Frage gleich selbst:
»Die Klinik heißt ›Winchmore Manor‹. Sie liegt im Westen von Cambridge und läuft auf den Mädchennamen seiner Frau, Lady Warton.«
»Deshalb ist sie uns nicht aufgefallen«, murmelte sie. »Ausschließlich Nierentransplantationen? Lohnt sich das?«
»Oh ja. ›Winchmore Manor‹ ist eine sündhaft teure Privatklinik, und der Name des Professors steht für medizinische Spitzenqualität. Ich selbst habe nichts mit der Klinik zu tun, aber ich weiß, dass dort nur Top-Leute operieren. Die Erfolgsquote liegt denn auch deutlich über dem Durchschnitt.«
»Wer kann sich diese teure Medizin leisten?«
»Vor allem Ausländer. Die Patienten kommen vorwiegend aus Israel und der Golfregion.« Er zögerte, bevor er lächelnd beifügte: »Kaum aus Pakistan.«
Sie stutzte. Hatte sie ihm erzählt, dass der Tote Pakistani war? Sie hatte. Die nächste Frage musste sie stellen, obwohl seine Antwort nur »Nein« lauten konnte. Der Gesichtsausdruck würde ihn verraten, falls er versuchte zu lügen. »Halten Sie es für möglich, dass in ›Winchmore Manor‹ eine Schweineniere verpflanzt wurde?«
»Ausgeschlossen.«
Kein Zögern, kein Wimperzucken, keine Spur von Stress in Gesicht und Stimme. Wenn sie nicht alles täuschte, sagte er die Wahrheit.
»Darum erscheint mir die Klinik ja auch nicht wichtig«, fuhr er fort. »Das Transplantationswesen ist streng reglementiert. Das ›NHSBT‹, das Direktorat des National Health Service für Organ- und Bluttransplantationen, kontrolliert und koordiniert Spender und Empfänger. Da bleibt kein Spielraum für solche Experimente. Trotzdem würde mich Ihre Gewebeprobe interessieren.«
»Sie haben selbst nichts mit der Klinik zu tun, sagten Sie?«
»Richtig. Der einzige Kontakt besteht in periodischen Informationsveranstaltungen, an denen wir unsere Forschungsergebnisse präsentieren.«
Nach dieser Bestätigung kehrte ihr Appetit zurück. Während sie die nur noch lauwarmen Schnitzel aß, überlegte sie, was die neue Information bedeutete. Vielleicht gar nichts. Ein weiteres Teil des Puzzles, von dem sie noch nicht einmal wusste, ob es sich am Ende zu einem Bild fügen würde.
»Enttäuscht?«, fragte er, nachdem der Kellner das Geschirr abgeräumt hatte.
Schau nicht so gequält, flehte sie im Stillen. Laut meinte sie: »Keineswegs. Es ist gut, dass Sie uns informiert haben.«
Das dienstliche Uns. Um die Härte der kühlen Formulierung etwas abzufedern, schenkte sie ihm ein warmes Lächeln. Das musste genügen als Nachtisch für ein dienstliches Dinner.
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