Erste Übersetzungen
Der französische Jesuitenpater und Missionar Jean Joseph Marie Amiot soll als erster Sunzi bingfa ins Französische im Jahre 1782 übersetzt haben und es heißt, das Buch habe auf Napoleon Bonaparte großen Einfluss ausgeübt. Der Titel des Buches lautete Les Treize Articles. Die Übersetzung ist ausführlich und ist eher eine Interpretation, um die Gedankengänge Sunzis einem französischen Publikum leichter zugänglich zu machen.
Im Jahre 1805 übersetzte Captain E. F. Calthrop das Buch ins Englische. Die Übersetzung lehnt sich stärker an das Original an, als das von Amiot und ist, wie die Vorlage, knapp in der Aussage. Weitere Übersetzungen folgten, unter anderem von Lionel Giles, Sohn des Sinologen Herbert Giles, der das Buch 1910 herausbrachte. Giles fügte zwischen die Originaltextteile Beispiele ein, die das behandelte Thema verdeutlichen sollten. Die meisten der heute erhältlichen Ausgaben basieren auf den englischen Übersetzungen.
Der chinesische Text, der, wie gesagt, bereits früh kommentiert wurde, ist in der chinesischen Ausgabe von elf Kommentaren umgeben. Cao Cao, selbst Militärführer, Staatsmann und Gründer des Reiches Wei nach dem Zusammenbruch der Han im dritten Jahrhundert, Sima, Verfasser einer militärischen Abhandlung namens Sima-fa, Ouyang Xiu, Historiker, Essayist und Dichter der Song-Dynastie (960 bis 1279), sowie andere Gelehrte erläuterten aus ihrer Sicht die Abhandlung Sunzis, die nicht nur Erfahrung im Kriegshandwerk beweist, sondern in der Menschenführung, was das Werk auch heute nach über 2.500 Jahren noch immer aktuell sein lässt.
KAPITEL 1 Planung und Vorbereitung
Kapitel 1
Planung und Vorbereitung
Sunzi sprach:
Der Krieg ist für einen Staat eine bedeutende Angelegenheit, denn er entscheidet über Leben und Tod und kann zum Untergang oder Weiterbestehen eines Staates führen. Auf jeden Fall ist Krieg eine Angelegenheit, die einer genauen Untersuchung unterzogen werden muss. Aus diesem Grund sind für den Erfolg fünf Faktoren zu berücksichtigen, die für die Dauer und die Berechnung der Kapazitäten ausschlaggebend sind. Diese fünf Faktoren sind folgende:
1. Die Führung[1]
2. Der Himmel
3. Die Erde
4. Der General
5. Die Taktik.
Die Führung bedeutet, dass das Volk mit dem Willen des Herrschers eins ist, und es für ihn sterben oder leben, und sich nicht gegen ihn stellen wird.
Der Himmel ist dem Wetter gleichzusetzen, Tag und Nacht[2], Kälte und Hitze sowie den Jahreszeiten. Günstiges oder ungünstiges Wetter kann für den Sieg entscheidend sein.
Die Erde ist das Schlachtfeld, das hoch oder tief, breit oder eng, fern oder nah, schwer oder leicht einzunehmen sein kann, was über Leben und Tod entscheidet.
Der General muss Weisheit, Vertrauenswürdigkeit, Mitmenschlichkeit, Mut und Strenge besitzen.
Die Taktik umfasst die richtige Einteilung und Rangordnung des Heeres, der Offiziere und das Kommando, sowie die finanziellen Mittel.
Diese fünf Faktoren muss der General genau kennen. Ist er sich dieser Faktoren bewusst, führt das zum Sieg, wenn nicht, zur Niederlage, weshalb die Planung diese Faktoren und deren Beschaffenheit zum eigenen Vorteil berücksichtigen muss.
Dabei stellt sich wiederum die Frage nach der Weisheit des Herrschers und den Fähigkeiten des Generals, aber auch die Frage nach dem Wetter und der Beschaffenheit des Schlachtfeldes, der Taktik und des Kommandos, der Stärke der Soldaten, der Ausbildung der Offiziere und der Gerechtigkeit von Belohnung und Strafe. Wenn ich diese Fragen beantworten kann, weiß ich, wer der Sieger sein wird.
Wenn der General meinen Plan verstanden hat und ihn beherzigt, wird er auf jeden Fall siegen, und ich werde ihn weiterhin in meinen Diensten behalten; hat er jedoch meinen Plan nicht verstanden, ist er zum Scheitern verurteilt und wird davongejagt.
Die eigenen Vorteile zu berechnen, aber auch die Gesamtlage begriffen zu haben, trägt dazu bei, auch in ungewöhnlichen Situationen sich den Vorteil und die Macht zu sichern.
Krieg ist Täuschung. Wer fähig ist, zeigt Unfähigkeit, wer aktiv ist, zeigt Untätigkeit. Wer nahe ist, demonstriert dem Feind noch fern zu sein und wer fern ist, zeigt Nähe. Ködere den Feind, indem du ihm einen Vorteil einräumst, täusche Verwirrung vor und entziehe dich ihm. Wenn er sich sicher glaubt, sei vorbereitet, wenn er stärker ist, meide ihn. Ist er von hitzigem Temperament, so reize ihn. Gib vor schwach zu sein, damit er sich überlegen fühlt. Ist der Feind untätig, lass ihm keine Ruhe, zerstreue sein Heer, wenn es vereint ist. Greif ihn an, wenn er unvorbereitet ist und dich nicht erwartet. Der Sieg über einen solchen Gegner darf nicht im Voraus bekanntgegeben werden. Ein General, der vor dem Kampf alles bis ins kleinste Detail kalkuliert, wird siegen, und er hat vieles zu berücksichtigen. Wer jedoch vor dem Kampf nur wenig bedenkt, wird verlieren. Wer alles bedenkt, wird siegen, wer wenig bedenkt, wird besiegt und wehe dem, der nichts bedacht hat! Anhand dieser Vorbereitungen und Ansichten kann ich den Sieger bereits erkennen.
KAPITEL 2 In den Krieg ziehen
Kapitel 2
In den Krieg ziehen
Sunzi sprach:
Für einen Krieg wird Folgendes benötigt: 1.000 Streitwagen, vor die vier Streitrosse[3] gespannt werden, 1.000 schwere Streitwagen[4] und 100.000 gepanzerte Soldaten. Proviant für 1.000 Meilen, finanzielle Mittel für den Aufenthalt im Feld und für Zuhause, Bewirtung von Gästen, Klebstoff- und Lackvorräte für die Reparaturen, Unterhalt der Wagen und Rüstungen werden täglich 1.000 Geldstücke verschlingen. Mit diesen Mitteln kann eine Armee von 100.000 Mann aufgestellt werden.
Auf den tatsächlichen Kampf angewandt bedeutet ein Sieg, der lang auf sich warten lässt, dass die Waffen stumpf werden und ihre Schärfe verlieren. Belagert man eine Stadt, erschöpft sich die Kraft und führt zum Ruin, sodass selbst die Mittel des Staates nicht mehr ausreichen. Sind die Waffen der Soldaten erst einmal stumpf geworden und der Kampfgeist erlahmt, die Kräfte erschöpft und die Vorräte aufgebraucht, werden alle anderen Fürsten diese Schwäche ausnutzen und sich erheben. In solch einem Fall kann auch der Klügste die Lage nicht zum Besseren wenden.
Wenn bekannt wird, dass ein Krieg hastig geführt wird, bedeutet das nicht unbedingt Klugheit, doch wenn der Krieg lange andauert, ergibt sich für den Staat daraus kein Vorteil. Wer sich nicht vollkommen im Klaren darüber ist, welchen Schaden ein Krieg anrichten kann, ist auch nicht in der Lage, den Krieg zu seinem Vorteil zu nutzen.
Wer Material und Truppen richtig einsetzt, muss kein zweites Mal rekrutieren und seinen Proviant nicht ein zweites Mal auf die Wagen laden. Material für den Krieg bezieht man vom Staat, aber Nahrung für die Truppen holt man vom Feind, auf diese Weise hat das Heer immer genug zu essen.
Ein Staat kann durch seine Armeen verarmen. Sind sie weit entfernt, ist der Transport über weite Strecken zu bewältigen, was für die