Die norddeutschen Bracks und Blänken bieten Lebensraum für eine artenreiche Flora und Fauna – nicht zuletzt für das Wasserwild.
Vorwort
In meinen letzten Büchern war ich immer bestrebt, dem eigentlichen Erzählstrang einige Gedankengänge in Form eines nicht zu langen Vorwortes, eines Gedichtes oder zumindest eines aussagekräftigen Weidspruches voranzusetzen. So möchte ich den geneigten Leser begrüßen, einstimmen auf die geistigen Ausflüge in das Jagdrevier mit spannender Erlebnisschilderung und einige Worte zu einem mir am Herzen liegenden Thema der weidmännischen Tradition und aktuellen Jagdkultur äußern.
Auch dieses Mal ist es mir ein Anliegen, an dieser meines Erachtens löblichen und von vielen Autoren gepflogenen Sitte festzuhalten.
„Panta rhei“ – alles fließt (Heraklit), alles ist in Bewegung und in Veränderung, so hat sich auch das Jagen im Laufe der Menschheitsgeschichte gravierend gewandelt, das ist ein natürlicher Prozess. Vergessen wir aber nicht, dass unsere Vorfahren seit Tausenden von Generationen Jäger waren und danach nur etwa, um eine Zahl zu nennen, zweihundert Generationen die sesshafte Lebensweise mit Ackerbau und Viehzucht ausübten.
Die Jagd als Überlebenskampf zur Sicherung von Nahrung und Kleidung war bis zur neolithischen Revolution und Jungsteinzeit höchst existenziell. Bei Naturvölkern war es wesentlich länger und bei den leider immer weiter zurückgedrängten Buschleuten oder Buschmännern (heute San genannt) Südafrikas ist sie es bis heute. Die lebensfeindlichen Wüstenlandschaften der Kalahari und der Namib, wo die Natur keine in sich geschlossenen Einheiten bildet, sondern Fauna und Flora in der Auseinandersetzung mit den unendlichen Kräften der unbelebten Materie um jeden Quadratzentimeter Boden kämpfen müssen, fordern diesen Menschen einiges ab.
Über lange Jahrtausende der Evolution des Homo sapiens galt: Wer ein schlechter Jäger war, musste um seine bzw. auch um die Existenz seiner Familie fürchten.
Das war schon im Mittelalter nicht mehr so. Die Gene des Jägers wurden „verwässert“, aber sie sind keineswegs verschwunden. Nur ihre Ausprägung manifestiert sich nicht mehr unbedingt nur in der Jagd an sich, also dem Nachstellen und Töten von Wildtieren (ich bin der Letzte, der das Weidwerk auf diese Ziele reduziert), sondern wir finden ihren Ausdruck in fast allen Bereichen des menschlichen Lebens in irgendeiner Form wieder und entdecken plötzlich an nicht erwarteter Stelle die Sehnsucht nach urmenschlicher Betätigung.
Die Jagd und ihre vielschichtige Kultur, die die allgemein menschliche Kultur in vielerlei Hinsicht so reich befruchtet hat, ist zu einem kostbaren Gut geworden, zu schade, um im Mainstream unterzugehen oder von Unkundigen und Banausen mit Füßen getreten zu werden. Den hohen volkswirtschaftlichen Nutzen der Jagdwirtschaft kann man zur Not noch erklären, aber der wahre Sinn des Weidwerkes wird einem großen Bevölkerungskreis niemals aufgehen.
Es ist doch nicht Schuss und Beute allein, um derentwillen wir immer wieder in die grünen Gefilde des heimischen Revieres eintauchen oder der Unrast unserer Zeit entfliehen wollen und gespannt sind auf Erlebnisse in noch unbekannten Wildbahnen. Das Drum und Dran, die Landschaft, die Menschen, die so überaus vielfältige Natur mit ihren Pflanzen, Tieren und ihrer Stimmung, all das vermittelt uns Zufriedenheit und Ausgeglichenheit, auch wenn wir – und das betrachten wir als ein Stück Normalität – einmal wenig oder gar keinen Anblick haben. Wenn aber das Stück zur Strecke gelegt werden kann, dem das ganze Sinnen und Trachten des Jägers galt (egal, ob es ein Gehörn, ein Geweih, Krucken, Schnecken oder Gewehre und Haderer aufweist oder keine Trophäe trägt), verfahren wir nach dem altem Brauchtum unserer Väter. Mit meiner Stimme möchte ich mich an dieser Stelle dafür einsetzen, dass dieses Brauchtum im deutschen Jagdwesen seinen sicheren, unantastbaren Platz für immer behält. Es ist eine Quelle freudigen und hehren Erlebens, ein gutes Gefühl, niemals eine lästige Pflicht. So wird das jagdliche Handwerk zum gerechten Weidwerk, und je tiefere Wurzeln es hat, desto höher ist die Kulturstufe des Handelnden, des jagenden Homo sapiens. „Sage mir, was du empfindest am gestreckten Wild, und ich sage dir, wer du bist.“
Meine Jagdfreunde denken genauso, und deswegen habe ich auch ihre mir erzählten Erinnerungen niedergeschrieben. Ich danke Simon, Stefan, Hermann, Werner und Peter und entreiße damit ihre ungewöhnlichen Erlebnisse dem Vergessenwerden.
Der Geist ist es, der den Unterschied ausmacht, und ich rufe alle Jäger auf, diese Kulturstufe ihrer Passion zu pflegen und zu bewahren und Auswüchse und negative Veränderungen zu bekämpfen. Dann bin ich zuversichtlich, dass der grüne Pfad nie ein Ende hat. Weidmannsheil!
Die Sikahirsch-Jagd ist eine der Passionen des Verfassers.
Im letzten Dämmerlicht
Etwas mürrisch sah ich auf die vor mir liegende Schneise hinaus. Der erwartete Anblick war bis jetzt ausgeblieben. Wo blieb der Verursacher der frischen Fegestellen, der Herr im Haus?
So paradiesische Zustände wie im Revier des Wildmeisters Janke gab es hier nicht. Zusammen mit einem Gast hatte er doch tatsächlich von einer Kanzel aus sage und schreibe 14 Rehböcke in Anblick gehabt, sechs davon in Büchsenschussentfernung, vier davon jagdbar und zwei davon geschossen!
Das Revier in der Nähe meiner Geburtsstadt Korbach weist aber auch einen idealen Biotop für Rehwild – und Sauen – auf.
Nun hat der Ansitz an einer Schneise den unbestreitbaren Vorteil, dass man nicht ständig bis zur Nackenstarre nach allen Seiten gucken muss, sondern den Rauch seiner Zigarre gemütlichen Blickes nach vorne verfolgen kann, bis der Seitenwind ihn in das junge Laubholz mitnimmt.
Es gab aber weiterhin keinen Anblick, und ich verließ den fahrbaren Ansitzwagen und bewegte mich schnellen Schrittes zum abgestellten Fahrzeug zurück. Eine Sache hatte ich noch im Kopf: Im freien Feld war es noch hell genug, um den Wachstumsfortschritt des Blühstreifens zu kontrollieren. Im letzten Jahr in der Blattzeit hatte ich dort im Getreide einmal kurz einen besonders hoch aufhabenden Bock gesehen. An ihn erinnerte ich mich im Februar, als ich bei Mondlicht vom Sau-Ansitz zum abgestellten Auto zurück pirschte und dort an gleicher Stelle zwei Stück Rehwild draußen standen. Eins hatte nichts auf – eine Ricke, das andere überlauscherhoch geschoben. „Um den Bock musst du dich mal kümmern“, schoss es mir damals durch den Kopf. Ich hatte ihn nicht vergessen und vermutete, dass er dem geplanten Blühstreifen – das war sein Territorium – durchaus hin und wieder einen Besuch abstatten würde.
Also, mal schauen, was die Saat dort macht. Ich hatte mir auch schon eine Örtlichkeit ausgesucht, wo ich eine transportable Leiter aufstellen wollte.
Dreißig Meter vor der Heckendurchfahrt zum Feld stoppte ich meinen Wagen, schnappte mir nur das Glas und zog los. Im Wald zu meiner Rechten hatte die Dunkelheit schon die Überhand gewonnen, und ein Bock wäre nach seinem Gehörn kaum noch anzusprechen gewesen. Auf dem freien Feld hatte der späte Maientag noch nicht ganz kapituliert, ich sah sofort den Wachstumsfortschritt der gemischten Saat mit Stickstoffsammlern