Günter Huth
Der Schoppenfetzer
und die Satansrebe
Günter Huth wurde 1949 in Würzburg geboren und lebt seitdem in seiner Geburtsstadt. Er kann sich nicht vorstellen, in einer anderen Stadt zu leben. Von Beruf ist er Rechtspfleger (Fachjurist). Günter Huth ist verheiratet und hat drei Kinder.
Seit 1975 schreibt er in erster Linie Kinder- und Jugendbücher sowie Sachbücher aus dem Hunde- und Jagdbereich. Außerdem veröffentlichte er zahlreiche Kurzerzählungen. In den letzten Jahren hat sich Günter Huth vermehrt dem Genre »Krimi« zugewandt und bereits einige Kriminalerzählungen veröffentlicht. 2003 kam ihm die Idee für einen Würzburgkrimi. Der Autor ist Mitglied der Kriminalschriftstellervereinigung Das Syndikat.
Die Handlung und die handelnden Personen dieses Romans sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ist nicht beabsichtigt und rein zufällig.
Günter Huth
Der Schoppenfetzer und die Satansrebe
Der zehnte Fall des Würzburger
Weingenießers Erich Rottmann
Buchverlag
Peter Hellmund
im Echter Verlag
Günter Huth
Der Schoppenfetzer und die Satansrebe
© Echter Verlag, Würzburg
Alle Rechte vorbehalten
Gestaltet von Peter Hellmund
E-Book-Herstellung und Auslieferung von Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
Dritte Auflage 2018
E-Book ISBN 978-3-429-06399-3
Würzburg im Jahr 1525
Der Bauernaufstand wird durch die Hilfstruppen des Fürstbischofs blutig niedergeschlagen. Ungefähr 8000 Bauern verlieren an den Hängen der Festung Marienberg ihr Leben. Alle Rädelsführer werden hingerichtet oder in Kerkerhaft genommen, darunter auch die Ratsherren der Stadt, die mit den Bauern gemeinsame Sache machten. Unter ihnen befindet sich auch der bekannte Bildhauer Tilman Riemenschneider.
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Das Kellerverlies, in das die beiden Kerkerknechte den erschöpften Mann schleppen, ist nicht ganz so düster wie die langen Gänge, durch die er gezerrt worden ist. Er spürt die Hitze auf seinem Gesicht, die von einer Art Esse ausgeht, in der Holzkohlen glühen. Auf den ersten Blick könnte der Keller auch eine Schmiede sein. Aber das Feuer ist nicht dafür bestimmt, Eisen auf dem Amboss formbar zu machen oder Menschen Wärme zu spenden – dies ist die Glut der Hölle. An den Wänden des Kellers hängen zahlreiche Werkzeuge, die bei genauem Hinsehen schnell ihre einzige Bestimmung verraten: Menschen unaussprechliche Qualen zu bereiten.
Fünf Männer erwarten den Gefangenen. Der Gerichtsschreiber, der mit gespitzter Feder hinter einem eichenen Pult steht, blickt dem Delinquenten mit gleichgültiger Miene entgegen. Dieser ist nicht zum ersten Mal in diesem Raum, dessen aus Kalkstein gemauerte Wände vom Ruß der in eisernen Halterungen steckenden Pechfackeln geschwärzt sind.
Auf ein Zeichen des Scharfrichters hin packen zwei der Gesellen den Mann, dessen zerrissene und schmutzige Kleidung davon kündet, dass er sich schon seit längerer Zeit in Kerkerhaft befindet. Er zeigt keinerlei Gegenwehr, als die Männer ihm die Kleidung grob vom Körper reißen.
Der Schreiber sieht auf seine Papiere. „Meister Til, dies ist nun die vierte peinliche Befragung, derer Ihr Euch unterziehen müsst. Zu Beginn wieder die Frage: Seid Ihr nunmehr bereit, Eure Führerschaft beim Aufstand der Bauern gegen unseren hochwürdigen Herrn Fürstbischof zu gestehen? Ihr könntet Euch weitere Torturen ersparen, indem Ihr Eure Schandtaten zugebt. Wenn Ihr Euch weiterhin verstockt zeigt, wird der Scharfrichter das Verhör mit härteren Mitteln fortsetzen.“ Er weist mit dem Finger auf den Henker, der mit vor der Brust verschränkten Armen im Raum steht und den Gefangenen mit grimmiger Miene mustert.
Dieser gibt ein leises Schluchzen von sich, dann schüttelt er jedoch entschieden den Kopf.
Der Schreiber macht sich eine Notiz, dann erklärt er mit emotionsloser Stimme: „Scharfrichter, waltet Eures Amtes.“
Auf einen Wink des Henkers zerren die beiden Knechte den Gefangenen zur Streckbank an der Längsseite des Kerkers.
„Setzt den gespickten Hasen ein!“, befiehlt der Henker knapp. Einer der Knechte holt eine hölzerne Rolle von einem Regal, durch die der Länge nach ein eiserner Stab als Achse hindurchführt. Wie die Rolle zu ihrer ungewöhnlichen Bezeichnung kam, war offensichtlich, denn sie ist gleichmäßig mit langen spitzen Nägeln gespickt. Der Folterknecht fügt die Rolle in eine entsprechende Aussparung in der Streckbank ein. Er kontrolliert, ob sie sich auch leicht drehen lässt, dann packt er den Gefangenen von hinten an den Schultern, während der andere das gleiche an den Beinen macht. Sekunden später liegt der Inhaftierte auf der Streckbank und die Nagelspitzen des gespickten Hasen dringen tief in seinen Rücken. Während die Folterknechte seine Füße und Arme an der Streckvorrichtung der Folterbank festbinden, hallen die Schmerzensschreie des gequälten Mannes von den Wänden des Folterkellers wider. Anschließend tritt der Henker an das seitlich befestigte Rad, mit dem man die Riemen, die an den Handgelenken des Mannes befestigt sind, aufrollen und dadurch eine Streckung des ganzen Körpers erreichen kann – für sich allein schon eine äußerst schmerzhafte Tortur, die durch die Nagelrolle nochmals verstärkt wird.
Der Scharfrichter wirft dem Schreiber einen fragenden Blick zu. Dieser wendet sich an den Gefangenen: „Meister Til, Ihr solltet Euch die Schmerzen durch ein Geständnis ersparen. Es ist ganz einfach. Gesteht und Ihr seid erlöst.“
Der Gefangene wirft den Kopf in heftiger Verneinung von einer Seite auf die andere, woraufhin der Schreiber dem Henker ein Zeichen gibt, das Rad zu drehen. Die Schreie des Mannes steigern sich zu einem unmenschlichen Brüllen.
Margarete fuhr erschrocken aus dem Tiefschlaf hoch. Noch immer hallte in ihren Ohren der Schrei, der sie aus dem Schlaf gerissen hatte. Es dauerte einen Augenblick, ehe sie in die Wirklichkeit zurückfand. Sie setzte sich im Ehebett auf und warf einen besorgten Blick hinüber zu ihrem Mann, der sich unruhig im Bett wälzte und dessen Arme krampfartig zuckten.
Sie legte ihre Hand sanft auf seinen Brustkorb und rüttelte ihn leicht. Sein Nachthemd war völlig nassgeschwitzt. „Til, wach auf!“, sagte sie leise. Sie musste ihre Worte mehrfach wiederholen, ehe Tilman Riemenschneider mühsam aus seinem schlimmen Albtraum erwachte.
„Es war nur ein Traum“, flüsterte sie ihm ins Ohr und drückte seinen Kopf gegen ihre Brust. „Es ist ja alles gut.“ Sanft wiegte sie ihn in ihren Armen.
Tilman Riemenschneider, der bekannte Würzburger Holzschnitzer und Bildhauer, wurde seit dem Tag vor einem Dreivierteljahr, als er aus der fürstbischöflichen Kerkerhaft entlassen worden war, beinahe täglich von derartig schlimmen Träumen gequält. Es hatte Wochen gedauert, bis es Margarete und dem Wundarzt gelungen war, die körperlichen Wunden und Verletzungen der Folter halbwegs zu heilen. Manche Folgen der Verhöre würden wohl nie mehr verschwinden. Man hatte ihm mehrfach die Schultergelenke ausgerenkt. Noch immer hatte er Schwierigkeiten, sich allein anzukleiden. Unermesslich waren die seelischen Verletzungen. Margarete konnte nur ahnen, was ihr Mann hatte erleiden müssen. Er selbst sprach nicht darüber.
Für sie zählte nur, dass der Fürstbischof dem Mann, dessen vierte Ehefrau sie war, das Leben geschenkt hatte. Dafür hatte