Schwarzfahrt. Alexander Pelkim. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexander Pelkim
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783429064327
Скачать книгу
Chris, dass der Fahrer nicht von hier stammt, sollten wir nicht ganz von der Hand weisen, da wir im Dunkeln tappen und alles möglich sein kann. Denkt an die Anweisung von Kriminaloberrat Schössler, in alle Richtungen zu ermitteln. Noch ist die Theorie mit dem Taxi eben nur eine Theorie. Warum soll es kein Urlauber sein, der ab und zu mal hierherkommt, oder ein Monteur, der hier zeitlich begrenzte Arbeitseinsätze hat und dann wieder für Jahre verschwindet? Daher vielleicht die großen Zeitabstände zwischen den Morden.« Habich traf eine Entscheidung. »Aber wir konzentrieren uns jetzt zuerst mal auf die Taxis und dabei auf die Bereiche Würzburg und Kitzingen. Sucht die Unternehmer auf, fragt bei den Verbänden nach. Die Behörden wissen, wer alles Taxikonzessionen hat und wer einen Taxischein besitzt. Also ran an die Arbeit.«

      In der Güllegrube

      Das Haus sowie das gesamte bäuerliche Anwesen in Repperndorf standen seit über zwanzig Jahren leer. Die Alten waren verstorben, die Kinder in alle Winde zerstreut und nicht mehr daran interessiert. Potenzielle Käufer oder Kaufinteressenten hatte es bisher keine gegeben. Jetzt endlich hatte sich ein finanzkräftiger Privatmann gefunden, der das marode Bauernhaus samt Nebengebäude gekauft hatte und sanieren lassen wollte. Noch viel länger als das Anwesen selbst war die Güllegrube nicht mehr in Gebrauch gewesen, nachdem die alten Bauersleute ihre Tiere abgeschafft hatten. Nun sollte sie unter den neuen Besitzern als Wasserzisterne genutzt werden. Ein Spezialunternehmen war beauftragt, die alte, unter dem Hof liegende, etwa 80 Kubikmeter große betonierte Grube zu säubern. Der neue Besitzer wollte damit das Regenwasser von den umliegenden Dachflächen auffangen und als Brauchwasser nutzen. Dazu mussten zuerst die jahrzehntealten Hinterlassenschaften von Mensch und Tier sowie der angeschwemmte Schlick, der sich durch Regen angesammelt hatte, entfernt werden. Das Ganze sollte mit Wasser aufgeweicht und abgesaugt werden. Dazu stieg einer der Arbeiter hinab in die Grube, um das Saugrohr zu bedienen. Wegen des Drecks und möglicher lebensgefährlicher Gase ging dies nur mit entsprechender Schutzausrüstung.

      Die Arbeiten hatten kaum begonnen, als man den Mann aus der Grube rufen hörte.

      »Schaltet die Pumpe ab! Stoppt die Maschine!«, klang es dumpf unter seiner Atemschutzmaske hervor.

      »Was gibt es denn? Warum schreist du so?«, kam die besorgte Nachfrage eines Arbeitskollegen von oben, als der Motor schwieg.

      »Verdammt! Oh Scheiße, ich habe was entdeckt.«

      »Scheiße!« Der Mann oben lachte. »Natürlich hast du Scheiße entdeckt. Ist ja auch massenweise da unten. Stehst schließlich knietief drin. Du bist mir ein Witzbold.«

      »Blödsinn! So meine ich das nicht«, hörte man die aufgeregte Stimme aus der Grube. »Ich … Ich habe etwas anderes …«

      »Etwa einen versteckten Schatz?«, rief einer der Arbeiter nach unten.

      »Ich glaube … Verflucht, ich glaube … Das ist ein … ein menschlicher Schädel«, hörte man eine aufgeregte und stockende Stimme von unten.

      »Was? Bist du sicher? Ist es nicht eher ein Tierkadaver?«

      »Nein, nein! Bin mir ziemlich sicher, dass es keiner ist. Da sind noch Haare an dem Schädel.«

      »Und wo ist der Rest?«

      »Weiß ich nicht. Wahrscheinlich noch im Schlick. Ich bleibe keine Sekunde länger hier unten. Holt mich sofort rauf«, rief er hysterisch.

      In Windeseile hatte man das Saugrohr aus der Öffnung entfernt und hievte den Arbeitskollegen wieder ans Tageslicht. Es erschien eine vermummte Gestalt mit Gummistiefeln, wasserdichtem Anzug, Handschuhen und einer Maske auf dem Gesicht. Seine Kleidung war bis zu den Oberschenkeln mit Dreck und Kot verschmiert. Der aufgeweichte Inhalt der Grube stank fürchterlich.

      »Wer mag das da unten wohl sein?«

      »Keine Ahnung! Ist mir auch ziemlich egal. Puh! Was für ein Schock, ich brauch einen Schnaps.«

      »Was machen wir jetzt?«

      »Es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Polizei zu rufen.«

      Zuerst tauchte eine Streifenwagenbesatzung auf. Als man den beiden Gesetzeshütern den Sachverhalt erklärte, informierten sie ihren Vorgesetzten und der wiederum die Staatsanwaltschaft. Diese ordnete die Bergung und gerichtsmedizinische Untersuchung des Leichnams an. Eigentlich war es ja gar keine Leiche mehr, sondern nur noch die Überreste in Form eines Skeletts. Mit Hilfe der Gerätschaft der Firma, die die Reinigung vornehmen sollte, versuchte man die menschlichen Knochen freizulegen. Es dauerte bis zum nächsten Tag, bis alle gefunden waren. Der Fund landete auf dem Tisch von Frau Doktor Wollner.

      Hauptkommissar Habich traf die Rechtsmedizinerin am Seziertisch an, auf dem das Skelett aus der Güllegrube lag. Inzwischen hatte Doktor Wollner die Knochen vom Schmutz befreit und so sortiert, dass sie wieder die Form eines menschlichen Körpers darstellten. Mit einer an einem Schwenkarm befestigten großen beleuchteten Lupe begutachtete sie jeden einzelnen der Knochen ganz genau. Habich trat vorsichtig näher, um sie nicht von ihrer Arbeit abzulenken. Trotzdem spürte sie seine Anwesenheit und schaute auf.

      »Ach, Sie sind es«, sagte sie locker und richtete sich auf. Die Augen auf die Akten in seiner Hand gerichtet meinte sie schelmisch: »Oh, bringen Sie mir eine ganze Mappe voller gastronomischer Empfehlungen?«

      Verlegen lächelnd schüttelte er den Kopf. »Nein, das leider nicht. Es ist eher etwas Arbeit. Aber ich habe Sie nicht vergessen«, beeilte er sich hinzuzufügen, »und wollte Sie für heute Abend einladen.«

      Ein warmer, gnädiger Blick trieb ihm den Schweiß aus den Poren. Fieberhaft überlegte er, wohin er die Pathologin einladen sollte, dann stand sein Entschluss fest. »Darf ich Sie um 19 Uhr abholen oder ist das zu spät?«

      »Nein, durchaus nicht. Ich lass mich überraschen, wohin es geht.« Sie nannte ihm ihre Wohnadresse. »So, nun aber zu Ihrem dienstlichen Anliegen.«, Sie zeigte auf die Unterlagen, die Habich immer noch in den Händen hielt. »Was kann ich für Sie tun?«

      »Ach ja, ich habe hier zwei alte Fälle und möchte Sie bitten von der medizinischen Seite her noch mal einen Blick darauf zu werfen. Außerdem möchte ich, dass Sie diese Fälle mit dem aktuellen Fall der toten Tanja Böhmert vergleichen.«

      »Vermuten Sie da Zusammenhänge?«

      »Genau das möchte ich von Ihnen wissen.«

      »Gut, dann werde ich mir die Unterlagen und die Obduktionsberichte in Ruhe anschauen.«

      »Was haben Sie denn da?«, fragte Habich, den Blick auf die Knochen gerichtet.

      »Womöglich noch mehr Arbeit für Sie und Ihr Team. Der Bericht dazu geht heute Abend noch an die Staatsanwaltschaft und die entscheidet dann, ob ermittelt wird.« Als Habich weiterfragen wollte, kam sie ihm zuvor. »Vielleicht erzähle ich Ihnen beim Essen Details, aber jetzt muss ich weitermachen, sonst wird es nichts mit unserer Verabredung«, meinte sie freundlich, aber rigoros. Wortlos verschwand der Hauptkommissar auf der Stelle. Den abendlichen Termin mit der hübschen Pathologin wollte er nicht gefährden. Erneut schalt er sich einen Narren hinsichtlich seiner Hoffnungen, die in ihm aufkeimten.

      »So, was haben wir bis jetzt?«, begann der Hauptkommissar die Besprechung mit seinem Team. »Lasst mal eure Ergebnisse hören.«

      Rautner erinnerte noch mal an das, was er von Lackners Arbeitskollegen erfahren hatte, und das war wenig ergiebig. Sein abschließendes Urteil lautete: »Ausschließen können wir ihn nicht, solange wir kein Alibi von ihm haben. Wir sollten ihn jetzt endlich mal auf die Fahndungsliste setzen.«

      » Okay, mach das«, gab der Hauptkommissar seine Zustimmung. »Er wird aber nur als Zeuge gesucht, nicht als Verdächtiger.«

      »Apropos Alibi«, mischte sich Jasmin ein, »Dieter Ranko, der letzte Ex von Tanja, ist außen vor. Er hat ein wasserdichtes Alibi. Ranko war mit seinem Chef und einem weiteren Kollegen im Auftrag eines Großunternehmens auf Messebau in Paris. Sie haben genau an dem Wochenende dort die Elektrik installiert, als unser Opfer verschwand, und am Wochenende darauf, als sie gefunden wurde, ist er erst am Sonntag von Paris zurückgekommen.«

      »Gut«, nickte