Unheilvolle Vergangenheit. Alexander Pelkim. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexander Pelkim
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783429065171
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Kollegen. Grillduft stieg ihr in die Nase und ihr knurrender Magen erinnerte sie daran, heute noch keine feste Nahrung zu sich genommen zu haben. Mit demonstrativ tiefen Atemzügen sog sie den Geruch ein. »Es riecht so verlockend, wollen wir nicht das Beste daraus machen und etwas Gegrilltes genießen?«, fragte Jasmin und versuchte damit Chris auf andere Gedanken zu bringen.

      »Keinen Hunger«, war dessen kurze Antwort.

      »Aber ich! So ’ne leckere fränkische Bratwurst geht immer«, entschied Jasmin und steuerte auf den Essensstand zu.

      »Ich mag jetzt außerdem kein Fleisch«, brummelte Chris weiter und dachte wehmütig an sein opulentes Frühstück und das, was danach eigentlich hätte passieren sollen.

      »Dann iss halt ’ne Tüte Pommes«, sagte Jasmin zu ihm, wie zu einem Kind, das sich nicht entscheiden kann.

      »Schau mal die ganzen Leute vor dem Grill. Dauert ewig, bis du da etwas hast.«

      »Ach Quatsch, das geht schnell«, ließ sie sich nicht beirren und reihte sich in die Schlange der Wartenden ein.

      Jasmin sollte Recht behalten. Nur wenige Minuten später tauchte sie mit einem Bratwurstbrötchen wieder auf. Inzwischen hatte sich Chris näher angeschaut, was an dem einen oder anderen Stand so geboten wurde. Kauend kam Jasmin auf ihn zu und hielt ihm ihr Essen unter die Nase. »Willst du mal probieren?« Mit einem »Nein, danke« drehte er den Kopf weg, schob sich durch die Menschen Richtung Ausgang und verschwand zwischen den Besuchern. »Dann eben nicht«, war Jasmins Reaktion. Gemächlich schlenderte sie hinterher, die Blicke abwechselnd nach links und rechts auf die Stände gerichtet.

      Ungeduldig wartete Rautner schon an ihrem Wagen. »Auch wenn ›du‹ Zeit hast, ich habe noch etwas vor«, maulte er seine Kollegin an.

      »Es wird schon nicht auf zehn Minuten ankommen oder brennt es irgendwo?«, entgegnete sie gelassen.

      Ohne darauf zu antworten, nahm Chris sein Handy zur Hand und rief eine Nummer aus seinen Kontakten an. Ungeduldig trommelte er mit den Fingern seiner freien Hand auf den Oberschenkel, während er auf Verbindung wartete. Scheinbar hob niemand ab, da er mehrmals die Wahlwiederholung drückte. Nach endlos dauernden Minuten gab er seine Versuche auf, nicht ohne eine Nachricht auf der Mailbox zu hinterlassen. »Hi, hier ist Chris, wenn du das hörst, melde dich bitte, wir können am Wochenende doch noch etwas unternehmen.«

      »Deine neue Flamme?«

      »Meine Wochenendbeschäftigung, die mir durch diesen Blödsinn hier versaut wurde«, ließ Chris weiter Dampf ab. »Warum mussten wir dort erscheinen, obwohl noch gar nicht feststeht, ob es ein Fall für uns ist?«

      »Weil jemand die Polizei informiert hat und die Angelegenheit ist bei uns gelandet. Unser Chef hat mich angerufen und mich gebeten, dass wir uns der Sache annehmen.«

      »Was, Theo?«

      »Nein, Schössler. Du kannst ihm gerne dein Ärgernis schildern.«

      Der, von dem Jasmin sprach, war Kriminaloberrat Hans Schössler, Leiter der Würzburger Mordkommission und der übergeordnete Chef ihres Teams, das aus Hauptkommissar Habich und den Kommissaren Blume und Rautner bestand.

      »Nein, danke! Der alte Sauertopf hätte sicherlich kein Verständnis für meine Wochenendbelange.«

      »Er wird seine Gründe dafür gehabt haben«, nahm Jasmin ihren Chef in Schutz. Sie wechselte das Thema. »Was hältst du von der Sache?«, fragte Jasmin mit einem Seitenblick auf ihren Beifahrer. »Ich meine, was auf dem Weingut passiert ist.«

      »Schwer zu sagen, ich tippe auf Unglücksfall. Wie das in dem Alter so gehen kann; unsicher auf den Beinen … bisschen schwindelig … falscher Tritt … mit den Gedanken woanders … dazu das schummrige Licht und bumms, liegt man unten.«

      »Und die Druckstellen?«

      Zuerst war Rautners Antwort nur ein Schulterzucken, dann bequemte er sich zu einer Antwort: »Vielleicht eine ganz andere logische Erklärung. Abwarten, was die Wollner dazu sagt.«

      Jasmin setzte ihren Kollegen vor dessen Haustür ab. Sie war froh, nicht weiter die schlechte Laune ihres Kollegen ertragen zu müssen. Sie selbst fuhr anschließend weiter ins Büro. Es ging aufs Jahresende zu und da wollte sie alle Unterlagen auf dem neuesten Stand haben. Wie so oft blieb die Büroarbeit an ihr hängen, da beide Herren Kommissare im Bezug auf Schriftlichkeiten, Statistiken und den anderen Papierkram etwas nachlässig waren. Außerdem hoffte sie, ab nächsten Freitag ein verlängertes Wochenende in Nürnberg bei ihrem Freund verbringen zu können. Sie stand in einer engeren Beziehung zu Jan-Niklas Berbakowski, einem Hauptkommissar beim Landeskriminalamt, und der hatte sie als seine Begleitung zu einer Hochzeit eingeladen. Berbakowskis Bruder heiratete an Weihnachten und wie üblich bei Frauen hatte Jasmin nichts Passendes zum Anziehen. Also war ein ausgiebiges Shopping-Weekend geplant. Aus diesem Grund hoffte sie inständig, dass sich der Iphöfer Treppensturz als Unglück herausstellte und in der folgenden Woche auch keine weiteren »ungeklärten Todesfälle« auftauchten.

      Draußen begann es zu dämmern und Jasmin dachte so langsam an Feierabend, als ihr Handy klingelte. Auf dem Display erschien ein ihr bekannter Name und sie nahm den Anruf entgegen.

      »Was ist denn mit dir los, schon wieder Heimweh? Ich denke, du bist am Feiern?«, fragte sie erstaunt.

      Der Anrufer war kein anderer als Hauptkommissar Habich. »Das ist keine Feier, das ist eine Mastveranstaltung, üppiges Mittagsbuffet, dann Kaffee und Kuchen und jetzt kommt noch ein Abendessen, obwohl nichts mehr reingeht«, hörte Jasmin ihren Chef stöhnen. »Verwandtschaftstreffen sind anstrengender als jeder Dienst.«

      Jasmin lachte: »Dann kannst du dich ja die Woche über wieder erholen.«

      »Was hat sich bei euch ergeben?«

      »Was meinst du?«, fragte die Kommissarin überrascht.

      »Na, mit der Sache in Iphofen.«

      »Woher weißt du schon wieder davon?«

      »Das kommt davon, wenn man sein Handy nicht ausschaltet und Kollegen nicht auf den Dienstplan schauen.« Was Habich damit meinte, war die Regelung der Rufbereitschaft am Wochenende, die festgelegt war und auf deren Liste Jasmin Blume stand und nicht er, den man irrtümlich angerufen hatte.

      »Und wer hat dann den Kriminaloberrat informiert?«

      »Keine Ahnung, vermutlich irgendein Kollege, der keinen Plan hatte und nicht wusste, dass du zum Wochenenddienst eingeteilt warst. Ist ja auch egal, jetzt erzähl mal, was los war.«

      Unverzüglich kam Jasmin der Aufforderung des Hauptkommissars nach und setzte ihn ins Bild. Sie schloss ihren Bericht mit den Worten ab: »Wir müssen die Obduktion abwarten, bis wir wissen, ob wir überhaupt ermitteln müssen, und die erfolgt, laut unserer Gerichtsmedizinerin, frühestens morgen Nachmittag.«

      *

      »Hallo, Frau Doktor!« Die Stimme ertönte von der halb geöffneten Tür her. »Bin ich zu früh oder können Sie schon etwas sagen?«

      Die Angesprochene blickte von ihrer Arbeit auf und schaute erstaunt den Besucher an. Im weißen Kittel mit Einweghandschuhen stand sie an einem der beiden Seziertische über einen Toten gebeugt. Ihr gegenüber beschäftigte sich ein weiterer Kollege mit der Leiche. Im Hintergrund waren zwei Sektionsassistenten dabei, den zweiten Tisch zu räumen. Der dortige Tote – ein Unfallopfer – wanderte gerade in einen Leichensack. »Ach, der Herr Hauptkommissar!«, stellte sie verwundert fest. »Schon wieder zurück aus dem Schoß der Familie? Es ist doch erst Sonntagmittag vorbei. Sie haben es aber nicht allzu lange ausgehalten.«

      Tatsächlich hatte Habich nach dem sonntäglichen Frühstück bei seinem Bruder, bei dem er auch übernachtet hatte, wieder die Heimfahrt angetreten. Schnell noch ein paar kurze Abschiedsworte an den Jubilar und die noch anwesenden Verwandten und dann nichts wie ab. Die Feier am Samstag mit Begrüßungen, Umarmungen, Händeschütteln und Fragen über Fragen hatten ihm gereicht. Theo hier und Theo da, wie ein verlorener Sohn war er herumgereicht worden, dabei hätte doch eigentlich sein Onkel die Hauptperson sein sollen. Da er