Abbildung 1: Derartige Standortsituationen führen geradewegs zu berechtigter Kritik an deren Planung, die in aller Regel jedoch Baumverantwortliche trifft.
Abbildung 2: Unverständnis, Gedankenlosigkeit und Leichtsinn führen bei Bautätigkeiten regelmäßig noch immer zu heftigsten Beschädigungen und dem anschließenden Niedergang von Bäumen.
Es erscheint zudem, als flammen diese Konflikte regelmäßig neu auf. Mit jeder nachrückenden Generation von im Straßenraum Verantwortlichen sehen sich diese einer Problematik ausgesetzt, die von ihren Vorgängern bereits intensiv diskutiert wurde und eigentlich mit Zustimmung aller behoben schien. Aufseiten der „Berufsgrünen“ ist dann beispielsweise nicht nachvollziehbar, woher das Selbstverständnis der für die Ver- und Entsorgung der Städte Verantwortlichen rührt, mit ihren Belangen sehr deutlich den Vortritt vor Bäumen und allem, was im Straßenraum mit Baumpflanzungen zu tun hat, einzufordern und ihre Ansprüche konsequent durchzusetzen.
Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts unterlag in Deutschland die Anpflanzung und Unterhaltung von Bäumen im Straßenraum ersten Regeln (z. B. VDG 1901). Trotz der steigenden Anzahl an Straßenbäumen verlor der Bereich der städtischen Grünplanung dennoch relativ früh an Einfluss. Die Zuständigkeit für Baumpflanzungen wurde bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend von den ehemals dafür zuständigen Landschaftsarchitekten an die Abteilungen der Wasserversorgung, des Kanalisationswesens und des Straßen- oder Tiefbaus übertragen.
Dies war der Beginn einer Entwicklung mit merk lichen Folgen für Bäume im Straßenraum, denn konsequenterweise stand damit auch der Schutz der technischen Anlagen zur Ver- und Entsorgung der Städte vor den Belangen des Stadtgrüns. So ist beispielsweise bekannt, dass bereits um 1900 eine Reihe von Straßenbäumen durch die Berliner Park- und Gartendeputation mit der Begründung abgelehnt wurde, eventuelle Beschädigungen der Kanalisation zu vermeiden (HENNEBO 1978). Somit ist im Laufe der Zeit fast beiläufig etwas entstanden, das bis heute weitestgehend Bestand hat.
WIEPKING (1963) verweist besonders deutlich auf die desaströse Entwicklung. Er berichtet davon, dass „[…] in den letzten Jahrzehnten ein unwürdiger Zustand eingetreten ist. Unverstand, Gedankenlosigkeit und Leichtsinn, bisweilen gar Flegelhaftigkeit und selbst die Bosheit dem hilflosen Baum gegenüber scheinen zu wachsen, je mehr die Handarbeit mit dem Gerät durch die gewaltigen Schub- und Hubkräfte im Erdbau ersetzt wird.“ (Abbildung 2)
Abbildung 3: Baumschutz und Leitungsbau schließen sich keinesfalls automatisch gegenseitig aus, wenn planvoll und kontrolliert vor gegangen wird wie in diesem Beispiel.
Baumverantwortlichen werden diese Worte wie aktuelle Aussagen erscheinen und sie sind mehr als ernüchternd. Die mittlerweile stark gehobenen Ansprüche an die Leistungen des städtischen Grüns machen einen achtsamen Umgang mit Bäumen dringend notwendig und dennoch werden solche Bemühungen von mehreren Seiten noch immer regelmäßig zunichte gemacht. Auch der gedankenlose Umgang mit dem Schutzgut Boden, der immerhin die Grundlage einer jeden Baumpflanzung bildet, wird von demselben Autor schonungslos aufgezeigt.
Besonders erschreckend daran ist, dass diese Berichte 60 Jahre alt sind und eine jahrzehntelang andauernde negative Entwicklung abbilden, die sich seitdem in weiten Teilen nicht verbessert hat. Einzig beim fachgerechten Umgang mit Bäumen bei Baumaßnahmen ist es in der jüngeren Vergangenheit lokal zu einer Umkehr von der gewohnten Praxis gekommen (Abbildung 3), sodass in einigen Großstädten mittlerweile beispielsweise Handschachtungen unter Wurzelerhalt oder der Einsatz eines Saugbaggers bei Eingriffen in den Wurzelraum zu einem Standard geworden sind (STRECKENBACH & DREß 2019; AMTAGE 2021; s. S. 301 und 225).
Über die Ausprägung von Wurzelsystemen gibt es ebenfalls unterschiedliche Auffassungen. Die Diskussion fußt dabei im Wesentlichen auf Ergebnissen, die aus Studien im Forst stammen (KÖSTLER et al. 1968). Sie trugen wesentlich dazu bei, dass Baumgattungen in der Praxis oft noch immer einzig nach Tiefwurzlern und Flachwurzlern unterteilt werden, ohne Rücksicht auf den Einfluss der Bodenbedingungen am Standort zu nehmen.
Auf städtischen Standorten ist die Entwicklung des Wurzelsystems jedoch besonders durch die Standortbedingungen geprägt (vgl. STRECKENBACH & STÜTZEL 2010, s. S. 159) und Erfahrungen zeigen, dass Bäume an urbanen (gestörten) Standorten tendenziell eher flach wurzeln. Derartigen Fehleinschätzungen sind in der Vergangenheit zahllose Bäume bei Bautätigkeiten zum Opfer gefallen – und tun dies noch heute (Abbildung 4).
Abbildung 4: Falsche Annahmen zum Wurzelsystem haben bei dieser Eiche maßgeblich zu ihrem unweigerlichen Niedergang in Folge der Umgestaltung des Standortes geführt.
3 Der Wurzelraum von Stadtbäumen
Der Wurzelraum von Stadtbäumen stellt ein Spannungsfeld aus gegensätzlichen Ansprüchen unterschiedlicher Gewerke an den Straßenraum dar. Herausforderungen ergeben sich aber nicht nur aus den Folgen der Konkurrenz zwischen Bäumen und Leitungen um denselben, meist nur begrenzt zur Verfügung stehenden Raum. Massive Beeinträchtigungen ergeben sich hinzukommend auch durch die oft extremen Standortbedingungen in der Stadt (vgl. ROLOFF et al. 2013).
Versiegelte und verdichtete Böden, die mit jenen von Naturstandorten kaum noch etwas gemein haben, bilden dort die Lebensgrundlage von Bäumen. Das ihnen zum Zeitpunkt der Pflanzung mitgegebene Volumen an „Erde“ beträgt häufig nicht mehr als 4 m3 (BENFELD 2007). Die seitens der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (FLL) empfohlenen 12 m3 an geeignetem und dauerhaft gut durchwurzelbarem Bodenvolumen werden vielerorts noch immer nicht annähernd realisiert (Abbildung 5). Man muss in diesem Zusammenhang betonen, dass ein solcher Raum lediglich ein Mindestmaß für die Anfangsentwicklung in den ersten Standjahren ist (FLL 2010).
Abbildung 5: An einem ausgehebelten Wurzelteller eines bei einem Orkan geworfenen Silber-Ahorns zeichnet sich die Größe der ihm ursprünglich zugestandenen Pflanzgrube ab.
Wenn der Baum angewachsen ist, wurzelt er innerhalb weniger Jahre aus der Pflanzgrube in den benachbarten anstehenden Boden – wenn die Möglichkeit dazu besteht. Für die weitere Entwicklung des Baumes ist der Zustand dieser Areale daher von herausragender Bedeutung. In den an die Pflanzgrube angrenzenden Bereichen sind die Böden jedoch meist zusammengetragen und stellen Konglomerate mit zum Teil höchst unterschiedlichen Eigenschaften dar (vgl. STRECKENBACH 2012, s. S. 112). Sie sind ihrer Struktur nach oft feinkörnig und deswegen anfällig für Verdichtungen. Zugleich müssen sie hohen Druckbelastungen standhalten, wie sie beispielsweise der Straßenbau fordert.
Es ergibt sich bereits aus einfachen physikalischen, geologischen und biologischen Überlegungen heraus, dass sich dies auf das Wachstum von Bäumen negativ auswirken kann.