Da ist mehr, noch so viel mehr .... Andrea Volkelt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andrea Volkelt
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783898019125
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lassen und kämpfte mit den Tränen. Ein brennender Kloß drückte sich in meinen Hals.

      Sigi kam auf mich zu, umarmte mich und sah mir liebevoll in die Augen. Er vermittelte mir wieder eine tiefe Geborgenheit und gleichzeitig eine Sicherheit, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte. Es würde alles gut gehen und die Zeit des Wiedersehens würde kommen. Schließlich musste er mich loslassen. Er stieg als letzter ein und startete sein Auto. Der Motor brummte und sie fuhren los. Drei Autos hintereinander.

      Da stand ich nun hilflos und unglücklich und winkte ihnen nach, solange ich sie sehen konnte. Unmittelbar danach eilte ich zu meinem Auto. Ich wollte nur irgendwohin, wo mich keiner sah, damit ich meinen Tränen freien Lauf lassen konnte.

      Es dauerte, bis ich mich endlich beruhigte, und von diesem Moment an hielt ich mich an dem Gedanken an meinen Plan fest. Eine große freudige Überraschung würde das werden.

      Endlich war es soweit, der Tag meines Vorhabens, mit dem Zug nach Rijeka zu fahren und weiter auf die Insel Rab zu reisen, kam näher. Am Freitag brachte mich meine Mutter um Mitternacht zum Bahnhof. Ich stieg ein und setze mich in ein Abteil, in dem bereits eine junge Mutter mit ihrem etwa siebenjährigen Kind saß. Die Frau sprach mich an. Überdreht sprudelte mein geheimer Plan aus mir heraus. Die Frau hörte mir aufmerksam zu und bot mir an, mich vom Bahnhof in Rijeka zur Fähre bringen zu lassen. Sie würde von ihrem Mann abgeholt werden, und er könnte einen kleinen Umweg in Kauf nehmen für meine bevorstehende Überraschung. Glückselig saß ich ihr gegenüber. Wenn´s läuft, läuft´s, dachte ich und konnte mich kaum mehr ruhig halten vor lauter Vorfreude auf das baldige Wiedersehen und Zusammensein mit Sigi. Als der Zug in unseren Zielbahnhof eintraf, stiegen wir gemeinsam aus und gingen auf den Mann meiner Zugnachbarin zu. Die Frau erklärte ihm meinen Plan und brachten mich zur Fähre. Ich bestieg das Schiff und suchte mir an Deck einen schönen Platz. In tiefen Atemzügen sog ich diese wunderbare Luft ein. Den salzigen Duft des Meeres, die Prise, die sofort das Gefühl von Urlaub auslöste und zusätzlich die Freude verstärkte, so nah am Ziel zu sein. Das tat gut. Die Fähre legte ab und langsam merkte ich, wie mir die Müdigkeit in alle Glieder kroch.

      Irgendwann rüttelte mich ein braun gebrannter Mann aus dem Schlaf, um mir mitzuteilen, dass wir gut angekommen seien. Da hätte ich beinahe das Aussteigen verpennt. Als Letzte verließ ich die Fähre.

      Nun stand ich also auf der Insel Rab und fühlte mich trotzdem irgendwie verloren. Vom Ferienhaus der Clique wusste ich nur, dass es in der Nähe eines Hotels mit angesagter Disco lag. Am Informationsschalter der Fähre fragte ich, ob sie diese Unterkunft kennen. Die Dame am Schalter verneinte und verdrehte genervt die Augen. Vermutlich, weil viele Touristen vor mir schon »blöde« Fragen gestellt hatten. Da fiel mir ein, dass ich die Telefonnummer hatte. Ich sah mich nach einer öffentlichen Telefonzelle um, wechselte mein Geld in die richtige Währung und ging zum Telefonieren. Ich wählte die Nummer und eine automatische Ansage teilte mir mit, dass diese Nummer nicht existierte. Das konnte doch nicht wahr sein! Niedergeschlagen legte ich den Hörer auf die Gabel und verließ die Telefon-Kabine. Jetzt war ich so kurz vorm Ziel und merkte, dass ich unnötig Zeit verlor. Was mach ich, was mach ich, was mache ich?, hämmerten meine Gedanken wie auf einen Amboss. Eine Unruhe übermannte mich und ich ging ein paar Schritte auf und ab, um mich wieder zu beruhigen. Aber das funktionierte nicht. Die Aufregung war zu groß. Die Sonne zu heiß. Und ich inzwischen kurz vorm Verzweifeln.

      Plötzlich trat ein junger Mann auf mich zu und fragte auf Deutsch: »Was ist denn dir passiert?«

      »Ich will meinen Freund, der seit ein paar Tagen hier ist, überraschen. Jetzt weiß ich die genaue Adresse nicht, und die Telefonnummer, die ich habe, ist auch falsch. Keine Ahnung, was ich jetzt machen soll und wie ich ihn finden kann.«

      »Hm«, sagte er, »hast du denn irgendeinen Anhaltspunkt, irgendetwas, was uns Aufschluss geben kann, wo dein Freund untergebracht ist? Hat er dir nicht erzählt, wie es dort aussieht oder ob etwas Besonderes in der Nähe ist?«

      »Doch! Eine angesagte Disco neben einem Hotel.«

      »Ha! Die kenn ich! Da war ich gestern mit meinen Freunden. Es gibt auch nur eine auf der Insel. Das ist einfach. Ich kann dich hinfahren. Ich hole nur schnell mein Auto vom Campingplatz unten am Meer. Warte hier, ich bin sofort wieder da.«

      Jetzt stand ich hier und wusste nicht, ob ich weinen oder lachen sollte vor Erleichterung. Die Tränen wegzwinkernd verharrte ich einen Augenblick und dachte kurz nach, ob ich denn zu einem Fremden einfach ins Auto steigen sollte. Nachdem ich mich jedoch schon so vertrauensvoll mit ihm unterhalten hatte, hörte ich auf mein Bauchgefühl, und als er vor mir anhielt, stieg ich ein. Während der Fahrt plauderten wir. In einer kleinen Gesprächspause grübelte ich, wie es gerade im richtigen Augenblick zu dieser Begegnung gekommen war. Deshalb fragte ich ihn: »Warum bist du denn überhaupt zur Anlegestelle gekommen?«

      »Ich hatte plötzlich so ein starkes Gefühl, dass ich meine Eltern anrufen sollte, um mich wieder einmal zu melden. Ich wollte zur Telefonzelle. Als ich dich dann dort so hektisch auf- und abgehen sah, dachte ich, da stimmt was nicht, du könntest bestimmt Hilfe gebrauchen. Ehrlich gesagt hast du richtig verzweifelt ausgesehen.«

      Dankbar lächelte ich ihn an. Hihi, das kann kein Zufall sein, da will wohl wirklich jemand, dass ich an mein Ziel komme.

      Kurz darauf erreichten wir den Ort. Das Hotel und die Disco waren nicht zu übersehen. Geld für die Fahrt wollte der junge Mann nicht. Ein »Danke« reichte ihm und ich stieg aus.

      Angekommen. Was hatte ich ein Glück: Diese netten und hilfsbereiten Menschen, denen ich begegnet war.

      Nun war es an der Zeit, meine Freunde zu finden und vor allem: Sigi. Tanja hatte ich von meinem Plan erzählt. Sie hatte alle anderen überredet, an diesem Tag nicht mit dem Motorboot rauszufahren, sondern gemütlich am Hausstrand zu verweilen. Dort saßen sie beieinander und unterhielten sich. Sigi saß mit dem Rücken zu mir. Langsam schlich ich näher, von hinten pirschte ich mich an, hielt ihm die Augen zu und fragte: »Na, wer bin ich?«

      Sofort sprang er auf und drehte sich zu mir um. Mit ungläubigem, aber freudestrahlendem Blick schloss er mich in die Arme. Er konnte gar nichts sagen. So verweilten wir eine Zeitlang. Die anderen waren ebenso überrascht und fragten sich, wo ich denn jetzt herkäme.

      Tanja klatschte in die Hände und rief einfach nur: »Bravo! Geschafft, Überraschung gelungen!«

      Alle jubelten. Sie beendeten den Strandtag und zeigten mir die Ferienwohnung. Jedes Paar hatte sein Zimmer und Sigi somit ein freies Bett für mich. Auf der großen Terrasse stand ein Grill bereit. Eingekauft hatten sie schon und so ging es an die Vorbereitungen für einen Grillabend. Ich wollte nur noch geschwind meine Eltern anrufen und Bescheid geben, dass ich endlich gut angekommen war. Sigi begleitete mich zum angrenzenden Hotel, in dessen Lobby eine öffentliche Telefonzelle stand. Nachdem ich den Anruf erledigt hatte, umarmte er mich und sagte: »Am liebsten würde ich dich gar nicht mehr loslassen. Das ist so eine tolle Überraschung, das hätte ich nie für möglich gehalten. Ich freue mich riesig.«

      Fest umschlungen standen wir da. Meine Müdigkeit war verflogen. Nach ein paar Minuten machten wir uns auf den Weg zurück zu den anderen zum gemeinsamen Abendessen. Wenig später zogen wir uns zurück. Endlich wieder nur wir beide.

      Doch leider verging die Zeit wie im Flug. Sandra war nun mit dem Fahrer nachgekommen und der Montag, an dem ich mit ihm zurückfuhr, rückte näher. Kurzerhand entschied Sigi, seinen Urlaub zu verkürzen und mit nach Hause zu fahren, damit wir beide noch ein paar Tage zusammen hatten, bevor ich meine dreiwöchige Reise nach Amerika antrat.

      Es war mehr geschenkte Zeit miteinander, die wir ausgiebig genossen. Jede freie Minute verbrachten wir miteinander, bis der Tag meiner Abreise kam. Sigi brachte meine Kollegin Gabi und mich zum Flughafen. Wir gaben die Koffer ab und frühstückten noch zusammen. Die letzte Umarmung. Ich wollte Sigi nicht loslassen und er mich auch nicht. Meine Tränen musste ich runterschlucken, der Hals brannte.

      Gabi räusperte sich und sagte: »Sorry Leute, aber wir müssen jetzt.«

      Ich ließ ihn los, blickte mich ständig um, damit ich noch mal und noch mal winken konnte. Aber nach der Zollabfertigung verloren wir