Thomas Frankenbach
SOMATISCHE
INTELLIGENZ
Hören, was der Körper braucht
Wichtige Hinweise
Die im Buch veröffentlichten Ratschläge wurden von Verfasser und Verlag sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Ebenso ist die Haftung des Verfassers bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen.
Der leichteren Lesbarkeit zuliebe wurde meist auf die Doppelung männlicher und weiblicher Formen nach dem Muster »der … oder die …«, »er bzw. sie« usw. verzichtet. Selbstverständlich soll die übliche männliche Form den weiblichen Teil der Bevölkerung umfassen.
© 2014 KOHA-Verlag GmbH Burgrain
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Josef K. Pöllath
Layout: Birgit-Inga Weber
Gesamtherstellung: Karin Schnellbach
ISBN 978-3-86728-735-7
eBook-Herstellung und Auslieferung
Brockhaus Commission, Kornwestheim
Gott sei Dank ist mein Körper manchmal vernünftiger als ich.
Anke Maggauer-Kirsche, deutsche Lyrikerin
Inhalt
1. Der Körper ist Wahrheit
2. Ist Naturkost wirklich ein uneingeschränktes Heilmittel?
3. Von der Naturkost zum Heilmittel – Geschichtliche Betrachtung
4. Somatische Intelligenz und Essen
5. Warum die Botschaft des Körpers oft überhört wird
6. Auf den Körper hören lernen
Übungsteil: In den Körper hineinspüren
7. Ein Ausblick – und ein Wort zum Schluss
1. DER KÖRPER IST WAHRHEIT
Seit sie schwanger ist, hat sich Beates Art zu essen stark verändert. Öfters ertappt sie sich dabei, Dinge zu essen, vor denen sie sich früher geekelt hätte. Jetzt isst sie sie mit Lust und Genuss. Und es bekommt ihr sogar.
Matthias hat den ganzen Tag noch nichts gegessen. Als er abends beim Sport schließlich in die Unterzuckerung rutscht, entwickelt er zuerst schlechte Laune und dann Heißhunger auf Süßes.
Markus hat sich gerade mit Schokolade überfressen. Würden wir jetzt messen, wäre sein Blutzucker deutlich erhöht. Binnen weniger Minuten stellen sich bei ihm Unlust auf Süßes, Sodbrennen und innere Unruhe ein.
Signale des Körpers
Alle drei Beispiele beschreiben die besondere Fähigkeit unseres Körpers, uns über Signale der Bekömmlichkeit, aber auch anhand von Lust oder Abneigung zu zeigen, was er gerade braucht, was nicht, und was vielleicht sogar schädlich sein könnte. Die Rede ist von Somatischer Intelligenz. Jeder Mensch hat sie. Nicht jeder nutzt sie gleich gut. Doch wir können trainieren, sie besser wahrzunehmen.
Sex, Aggression und Essen
Es sind vor allem diese drei Triebe, die große Teile unserer Lebensweise bestimmen. Nicht nur, weil sie uns zu Lust und Wohlbefinden verhelfen können, sondern auch, weil sie von Beginn an zur Arterhaltung der Spezies Mensch beigetragen haben.
Leicht entsteht der Eindruck, Sex und Aggression (die sich seltener in Gewalt, dafür umso mehr in unserem Drang ausdrückt, uns und die Welt zu bewegen; lat. aggredi, dt. heranschreiten, sich nähern) müssten die beiden dominierenderen Triebe des Menschen sein. Neben ihnen wird unser Nahrungstrieb gemeinhin erst einmal als unscheinbar und eher zweitrangig begriffen.
Betrachten wir allerdings die Evolution, zeigt sich, dass das Bestreben, Nahrung aufzunehmen, offenbar schon lang vor Sexualität, Paarung und geschlechtlicher Vermehrung das Zentralthema aller Lebewesen war.
Zuerst das Fressen, dann …
Einzeller waren die ersten Lebewesen auf der Erde. Kleinste Lebewesen, die aus nur einer einzigen Zelle bestanden. Sex hatten sie keinen, da sie sich durch Zellteilung vermehrten. Die Fähigkeit, sich aus eigenen Stücken zu bewegen, war bei ihnen nur sehr beschränkt vorhanden. Doch alle waren von Beginn an Experten darin, zu fressen, was sie konnten. Anders ausgedrückt: Der zentrale Trieb aller Lebewesen war weder aktive Fortbewegung noch Sex, sondern die Fähigkeit, Nahrung in Lebensenergie umzuwandeln. Denn ohne Nahrung keine Energie, weder zum Überleben noch für Evolution, Bewegung oder Sex.
Somatische Intelligenz: eine Urform von Intelligenz
Es gibt viele Formen von Intelligenz: rationale, kreative und räumliche Intelligenz. Weitaus älter ist jedoch die Somatische Intelligenz. Und obwohl sie so essenziell ist, ist sie in unserer Kultur doch eine der am wenigsten beachteten Formen von Intelligenz.
Stellen wir uns vor, wir befänden uns in unserer Entwicklung noch weit vor dem Stadium eines Wurms. Wir hätten weder ein Emotionszentrum noch ein zur Ratio fähiges Großhirn. Welche Fähigkeiten wären in diesem Fall essenziell, um zu überleben? Wir müssten zum einen auf Veränderungen in unserer Umwelt reagieren. Und zum anderen müssten wir anhand der Wirkung unserer Nahrung auf unseren Körper spüren können, ob diese Nahrung bekömmlich ist oder nicht. Und diese beiden Fähigkeiten müssten unbewusst ablaufen, da wir ja noch kein Bewusstsein haben.
Unser Nahrungstrieb – eine Naturgewalt
Wenn wir von einem Trieb sprechen, dann sprechen wir letztlich von einer Naturgewalt, die versucht, ihrem Besitzer sein Überleben und seinen Fortbestand zu sichern. Vermutlich ist das auch ein Grund, warum sich dieser Trieb auf Dauer nicht mit Diäten zügeln und einschränken lässt.
Gerade den Nahrungstrieb gab es schon vor dem Gehirn und dem Bewusstsein. Und auch Milliarden Jahre später, als bereits weit differenziertere Spezies auf der Erde lebten und lang bevor sich Ratio und Verstand entwickelten, verfügten Wirbeltiere schon über eine spezielle Form von Intelligenz, dank der sie sich auch ohne kognitives Ernährungswissen in einer oft bedrohlichen Natur voller Fallen und Giften so ernähren konnten, dass sie nicht nur überlebten, sondern sich sogar weiterentwickelten. Intelligente Nahrungsselektion war folglich bereits in Zeitaltern möglich, in denen es weder Ernährungsberatung noch Diätbücher oder -kurse gab. Getrieben von einer Instanz, die wir uns zwar bewusst machen können, die aber weit älter, archaischer ist als unser Bewusstsein. Zwar sind Menschen, verglichen mit Tieren, viel weniger instinktgetrieben. Dennoch gibt uns unser Körper noch immer Signale – die wir allerdings wieder wahrnehmen lernen müssen.
Somatische Intelligenz – noch immer vorhanden
Auf unserem heutigen Entwicklungsstand, ausgestattet mit Emotionen und Bewusstsein, hängt die Frage, was wir essen, von weit komplexeren Einflüssen ab als bei unseren Vorfahren. Ob wir etwas gern essen, ist heute vorwiegend kulturell geprägt: von unserer Bildung, vom Angebot und von unseren Moralvorstellungen. Doch wie vor Jahrmillionen steckt auch heute noch eine Urfähigkeit hinter unseren Abneigungen und Gelüsten und vor allem auch hinter der Frage, wie uns das bekommt, was wir essen. Wir nennen das die Somatische Intelligenz. Noch immer kann sie uns helfen, Nahrung auszusuchen, die den Anforderungen unserer Genetik, unserer Konstitution und unserer Lebenssituation entspricht. Und je mehr wir auf unsere Somatische Intelligenz achten, desto mehr erfahren wir durch sie. Denn unsere Essbedürfnisse sind verschieden, weil jeder Mensch anders ist. Was dem einen ein angenehmes Bauchgefühl beschert,