„Ja, das ist für dich. Komm, es ist Zeit, das Licht wartet auf dich“, lud ich die Seele ein.
„Was machst du hier?“
„Ich helfe dir dabei, den Weg ins Licht zu finden. Das ist eine meiner Seelenaufgaben. Seit undenklichen Zeiten mache ich das, Seelen ins Licht zu geleiten.“
Die Seele schwebte nun ganz nah vor der Lichtsäule und betrachtete sie fasziniert. Als sie den Schritt hinein tun wollte, wurde unsere Aufmerksamkeit durch eine Bewegung im Zimmer abgelenkt. Soeben waren drei männliche Wesenheiten hinzugekommen und bewegten sich direkt auf die Lichtsäule zu.
„He, was wollt ihr hier? Das ist mein Zimmer“, rief die Seele meines Vaters.
In diesem Moment begann die Lichtsäule zu flackern und schwächer zu werden.
„Oh nein, bitte nicht, sie soll bleiben. Bitte hilf mir“, flehte die Seele mich an.
Traurig schüttelte ich meinen Kopf. „Ich kann nicht. Du hast dich anders entschieden.“
„Was? Was soll das heißen?“
Aufgebracht stürzte sich die Seele auf die Lichtsäule und saugte sie gierig in sich ein, bis sie verschwunden war. Ich ließ sie gewähren, weil sie einen freien Willen hatte. Außerdem gab es Licht in unbegrenzten Mengen; diese Lichtsäule stellte keinen wirklichen Verlust dar.
„Du warst eben doch noch nicht soweit, deine ehemaligen materiellen Besitztümer loszulassen. Deshalb kannst du auch noch nicht ins Licht gehen. Das musst du noch lernen.“ Den letzten Satz hatte ich der Seele hinterher gerufen, weil sie sich schon entfernt hatte. Dann war sie verschwunden.
Diese drei Wesenheiten waren geschickt worden, um die Seele zu prüfen.
Dann erwachte ich in meinem Bett.
Alles war sehr real gewesen: das Zimmer, die Wand mit den Lichtorbs und die Lichtsäule mit dem Muster darauf. So war seine Seele doch noch nicht bereit gewesen, ins Licht einzugehen. Ich würde mich bereithalten für die nächste Gelegenheit ...
Aufträge 3 bis 5: In der Schule
Liebes Tagebuch,
Nach der Scheidung meiner Eltern kam ich in eine neue Schule. Alle lachten über meinen Namen, kaum hatte ich ihn genannt. Ein Junge hinter mir zog mich an meinen Zöpfen. Wegen der Scheidung und den damit verknüpften Aggressionen stand ich wortlos auf und verpasste ihm eine Ohrfeige. Er war total erschrocken und ich genauso, damit hatte er nicht gerechnet und ich auch nicht. Aber ich brauchte ein Ventil.
Ein Raunen ging durch die Klasse. Wenigstens wurde ich nicht mehr so direkt geärgert, wie andere aus der Klasse, aber die anderen hänselten mich wegen meines Nachnamens. Ich hasste meinen Nachnamen, und meinen Vornamen fand ich altmodisch.
Danach wurde ich für 2 Wochen krank und ich ließ mir die Zöpfe und ein Stück meiner Kindheit abschneiden.
Als Samuel in die Klasse kam, wurde es für mich und einige Mädchen sehr unangenehm. Samuel war der Sohn des Hausmeisters, der schlechteste und aggressivste Schüler in der Klasse, was er an uns und den Lehrern ausließ. Nachdem er in einem Stromkasten einen starken elektrischen Schlag abbekommen hatte und sein Gesicht von einer großen, hässlichen Narbe gezeichnet war, ärgerte er uns fast ohne Unterlass. In einer Pause, es war sehr warm draußen wie drinnen, trieb er es besonders dreist mit uns. Er zog uns an den Haaren, versuchte uns die Hosen herunter zuziehen und rief uns ständig sexistische Ausdrücke hinterher. Wir hatten kaum noch Ruhe vor ihm. Da packte mich eine unbändige Wut; ich ergriff einen Stuhl, hielt ihn über meinem Kopf und schrie ihn mit wutverzerrtem Gesicht voller Lautstärke an:
„Wenn du nicht sofort aufhörst, mich und die anderen Mädchen zu ärgern, noch ein Mucks von dir, dann schmeiße ich dir diesen Stuhl in die Fresse ...“
Es wurde totenstill im Klassenzimmer, alle schauten mich verdutzt an, aber am meisten Samuel. Irgendwie registrierte er, dass ich den Stuhl tatsächlich geworfen hätte. Er verstummte, blickte nach unten und verließ den Raum. Seitdem hat er uns niemals mehr geärgert.
Eine richtig dauerhafte Freundin fand ich nicht (war ja auch nicht vorgesehen), sondern ich beschäftigte mich mit drei meiner Mitschülerinnen, mit denen kein anderer etwas zu tun haben wollte.
Kerstin war die Klassenschlechteste und ihre Sachen waren oft in einem schmuddeligen Zustand. Jedes Jahr hatte sie Mühe, die nächste Klassenstufe zu erreichen. Daher ließ ich sie einige Male von mir abschreiben. Manchmal roch sie nach ungewaschenem Körper. Sie hatte noch zwei jüngere Brüder. Ihre allein erziehende Mutter war mit ihrer Vollzeitarbeit und ihren drei Kindern überfordert, daher diese Unordnung. Kerstin erfuhr schon sehr früh Ablehnung und Grausamkeiten von Gleichaltrigen und ließ sich schon mit 14 Jahren mit Männern ein.
Während einiger Krankenhausaufenthalte meiner Mutter lebte ich bei ihrer Familie. Durch meine Zuwendung und durch unsere gemeinsamen Erlebnisse verschönerte und erleichterte ich ihren Aufenthalt und die Zeit in der Schule.
20 Jahre nach Beendigung der Schule sagte sie mir mal am Telefon, dass die Zeit mit mir die schönste in ihrer Schulzeit gewesen wäre.
Cornelia kam in der 9. Klasse in meine Klasse zurück, als sie die Sportschule abbrach. Sie hatte auf der Sportschule wiederholt Anabolika zum Muskelaufbau verabreicht bekommen. Daher hätte sie nach Beendigung der Sportschule abtrainieren müssen, was sie aber nicht tat, weil sie ständig Auseinandersetzungen mit ihrer Mutter hatte, die sich fast nicht um sie kümmerte. So kam es, dass Cornelia immens zunahm und schon nach kurzer Zeit mit Übergewicht herumlief. Die anderen riefen ihr „fette Kuh“ nach. Auch ihre Sachen waren fast immer in Unordnung. Etliche Male suchte ich ihre Schulsachen zusammen, wenn einige Klassenkameraden diese durch den Raum geworfen oder draußen auf dem Flur verstreut hatten.
Wir trafen uns oft nach der Schule und in der 10. Klasse half ich ihr bei den Prüfungsvorbereitungen.
Beate nun wiederum hatte Probleme mit ihren Eltern (unordentliche Wohnung, mehrere Geschwister, Zigaretten und Alkohol, Misshandlungen). Durch mich hatte sie wenigsten einen kleinen Lichtblick, wenn sie sonst nur „alte Schlampe“ zu hören bekam. Noch heute lehnt sie, genauso wie Cornelia, die meisten ehemaligen Mitschüler ab, aber mit mir hatten beide einen freundlichen Schwatz gehalten, wenn wir uns später mal getroffen hatten.
Auftrag 6: der pessimistische Tobias
Liebes Tagebuch,
Für diesen Auftrag musste ich mich verlieben, weil ich nur so Zugang zu seiner Seele finden konnte.
Im letzten Schuljahr lernte ich Tobias kennen, der sich in der jungen Gemeinde und dessen Eltern Pfarrersleute waren. Wir trafen uns bei dem Musical „Momo“, dass seine „Junge Gemeinde“ aufführte. Er erzählte mir etwas später, dass er an diesem Morgen so eine Art Vorahnung hatte, nämlich dass er jemanden besonderes kennen lernen würde und dass ich diejenige sei. Als ich das mit der Vorahnung hörte, verspürte ich sofort eine Faszination dabei, aber auch in mir etwas, dass mir absolut vertraut vorkam und dass ich kannte.
Er schrieb mir sehr tief greifende Briefe, die jedoch jedes Mal pessimistisch und sich selbst als Versager und Trottel bezeichnend, endeten. In mir löste das seltsame Gefühle aus. So viel Pessimismus mit häufigen Wiederholungen, das machte mich nervös und war mir selbst völlig unbekannt. In einem seiner Briefe schrieb er mir, dass mich der Himmel schicken und ihm Hoffnung geben würde, weil so ein Wesen wie ich, mich mit ihm abgeben würde. Aber selbst das stellte er sehr oft in Zweifel. Bei diesem Satz machte