Historisches
Der Wunderbericht Mk 8,22-26 mag auf eine geschichtliche Begebenheit zurückgehen. Die Verwendung von Speichel als Augenheilmittel war bereits zur Zeit Jesu im antiken Judentum üblich. Eine solch abstruse Geschichte wie die vorliegende läßt sich schwerlich aus der Gemeinde ableiten.
Mk 8,27-33: Das Messiasbekenntnis und das Versagen des Petrus
(27) Und Jesus ging weg und seine Jünger in die Dörfer von Cäsarea Philippi. Und auf dem Wege fragte er seine Jünger und sagte ihnen: »Wer, sagen die Menschen, sei ich?« (28) Sie aber sagten ihm und sprachen: »Johannes der Täufer‹, und andere: ›Elia‹, und andere: ›einer der Propheten‹.« (29) Und er fragte sie: »Ihr aber, wer sagt ihr, daß ich sei?« Petrus aber antwortete und sagt ihm: »Du bist der Christus.«
(30) Und er bedrohte sie, daß sie niemandem über ihn erzählen.
(31) Und er begann sie zu lehren: »Der Menschensohn muß viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen.« (32) Und mit Freimut sagte er das Wort.
Und Petrus nahm ihn zur Seite und begann ihn zu bedrohen. (33) Er aber wandte sich um, sah seine Jünger und bedrohte Petrus und sagt: »Tritt hinter mich, Satan, denn du hast nicht Gottes Sache im Sinn, sondern des Menschen Sache!«
Redaktion
Mit 8,27 beginnt ein neuer Teil des MkEv. Den Jüngern gegenüber eröffnet Jesus, wer er wirklich ist, korrigiert aber sofort das Mißverständnis des Petrus.
V. 27 ist in seinem ersten Teil ganz von Mk geschaffen; vgl. bes. das Wegmotiv (9,33f; 10,17; 10,32; 10,52).
V. 28 erinnert stark an 6,14f. Dabei ist 6,14f offensichtlich von der vorliegenden Stelle abhängig.
V. 30 enthält das mk Motiv des Messiasgeheimnisses.
V. 31 ist die erste Leidens- und Auferstehungsankündigung, die ebenso wie die zweite (9,31) und dritte (10,32b-34) von Mk eingefügt wurde. Dies ergibt sich zwingend aus ihrem sprachlich überwiegend mk Charakter und ihrer planmäßigen Verteilung auf Mk 8-10.
V. 32a: »Freimut« erscheint nur an dieser Stelle bei den Synoptikern, ist aber beim vierten Evangelisten häufig: 7,13.26; 10,24 u.ö. Vgl. auch Apg 2,29; 4,13.29 u.ö. Gleichwohl dürfte V. 32a redaktionell sein, um so mehr, als er, wie andere mk Stellen auch, die klare Voraussicht Jesu über sein Schicksal zeigt.
V. 32b: Petrus widersetzt sich dem Gedanken, daß der Menschensohn Jesus leiden muß. Doch kann er auch die Aussage der Auferstehung nicht verstehen. Man beachte, daß für Mk »Christus« und »Menschensohn« identisch sind (vgl. zu Mk 14,61-62).
Tradition
Ausgangspunkt der Traditionsanalyse ist, daß die Anrede des Petrus als Satan auf historisch zuverlässige Überlieferung zurückgehen muß. Denn diese »Verteufelung« des angesehenen Jüngers läßt sich nicht aus der Gemeinde ableiten.
Unter Abzug der redaktionellen V. 30-32 ergibt sich ein Anschluß von V. 33 an V. 29. Der Gedankengang der rekonstruierten Tradition verläuft dann wie folgt: Jesus weist die Erwartung, er sei der Messias, die von Petrus an ihn herangetragen wird, als satanische Anfechtung zurück.
Historisches
Die Gründe, die für die historische Wahrscheinlichkeit der Anrede Petri als Satan durch Jesus sprechen, wurden bereits im vorigen Abschnitt genannt. Und auch der Anlaß zu dieser Anrede, die Messiaserwartung Petri, dürfte historisch sein. Eine andere Frage ist natürlich, ob der Zeitpunkt des in der Tradition widergespiegelten Streites zwischen Jesus und seinem ersten Jünger von Mk richtig bestimmt ist. Hier will ich mich nicht festlegen. Jedenfalls fand eine Kontroverse darüber statt, ob Jesus der politische Messias sei (der die Römer aus dem Land jagt und das Reich Davids wiedererrichtet (vgl. Psalmen Salomos 17). Jesus weist diese Erwartung des Petrus entschieden zurück und dämonisiert seinen ersten Jünger. Der Satan, dessen Sturz Jesus bereits geschaut hat (Lk 10,18), kommt ihm ausgerechnet in der Erwartung seines engsten Vertrauten in die Quere. Als Satan redet Jesus Petrus an und belegt ihn mit dem Bann.
Mk 8,34-38: Von der Nachfolge Jesu
(34) Und er rief die Volksmenge mit seinen Jüngern zusammen und sagte ihnen:
»Wenn jemand hinter mir herfolgen, verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. (35) Wer nämlich sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, wird es retten.
(36) Was nützt es nämlich dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und sein Leben einbüßt? (37) Denn was wird ein Mensch als Tausch für sein Leben geben?
(38) Wer sich nämlich meiner und meiner Worte in diesem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht schämt, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommt in der Herrlichkeit des Vaters mit den heiligen Engeln.«
Redaktion
Die Stellung der Nachfolgerede im unmittelbaren Anschluß an Jesu Zurückweisung der Einrede Petri läßt bezüglich der Intention des Mk den Schluß zu: Mk gibt seiner Gemeinde eine Belehrung darüber, wie Nachfolge in der Gegenwart aussehen kann. Man vgl. ähnliche Belehrungen im Anschluß an die zweite und dritte Leidensweissagung jeweils nach einem Unverständnis der Jünger (9,32-50; 10,35-45).
V. 34a: Die Einleitung ist redaktionell (vgl. 7,14; 8,1 u.ö.).
V. 35: Mk fügt ähnlich wie in 10,29 »um des Evangeliums willen« hinzu. Das „Evangelium ist der von den Aposteln gepredigte Christus“ (Wellhausen, 387). Vgl. auch oben, S. 19.
Tradition
In diesem Abschnitt sind verschiedene Jesuslogien zusammengestellt:
V. 34b: Dies ist ein Spruch eines nachösterlichen Propheten, denn bei dem Kreuz kann nur an das Kreuz Jesu gedacht werden; die Jünger sollen wie er das Martyrium willig über sich ergehen lassen. Das Kreuz tritt hier schon als Symbol des Christentums auf. Vgl. auch zu Mt 10,38/Lk 14,27.
V. 35: Die Q-Fassung dieses Wortes (Lk 17,33/Mt 10,39) ist älter, da sie in ihrer ursprünglichen Form (Lk) noch nicht den Bezug auf Jesus enthält.
V. 36-37: Hier liegen zwei weisheitlich geprägte Fragen vor, die beide negativ zu beantworten sind. Der Gewinn der ganzen Welt nützt nichts. Vgl. Ps 49,8-10; Koh 1,3; Lk 12,16-20.
V. 38: Dies ist ein Jesuswort, das über die anderen hinaus noch den zukünftigen Menschensohn ins Spiel bringt und eine deutlich apokalyptische Perspektive zeigt. Vgl. die Q-Parallele Lk 12,8f/Mt 10,32f und die zu Lk 12,8f gegebenen Erläuterungen.
Historisches
V. 34b: Dieses Wort ist in der vorliegenden Form, aber auch in der Q-Fassung unecht, da es auf den »Erhöhten« zurückgeht. Daß Jesus selber seiner Kreuzigung im vorhinein einen metaphorischen Sinn abgewonnen habe, scheint abwegig.
V. 35: Die Echtheit dieses profanen Sprichwortes ist auch ohne mk Hinzufügungen und ohne Bezug auf Jesus höchst unsicher.
V. 36-37 tragen weisheitliche Prägung und gehen nur vielleicht auf Jesus zurück.
V. 38 ist unecht.
Mk 9,1-13: Jesu Verklärung und Gespräch beim Abstieg vom Berg
(1) Und er sagte ihnen: »Amen, ich sage euch, es stehen einige hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis sie das