Ein Haus voller Robinsons. Adrian Plass. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Adrian Plass
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Религия: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783865067258
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noch alles. Es ging mir ziemlich auf die Nerven, muss ich zugeben, und auch ihrem Mann schien es ein bisschen zu stinken, obwohl er in unserer Gegenwart nie ein Wort darüber sagte. Eines Abends, als wir nach der Bibelarbeit noch zusammensaßen und Kaffee tranken und Julie es irgendwie geschafft hatte, das Gespräch von einer Diskussion darüber, an welcher Stelle des Gottesdienstes die Bekanntmachungen erfolgen sollten, auf die Frage umzulenken, was schöner sei, „Ralphs“ Haare oder sein Mund, stellte ich ihr eine vollkommen harmlose Frage - na ja, das hier soll ein wahrheitsgemäßer Bericht werden; also bekenne ich, dass sie ganz so harmlos nicht war, auch wenn ich es damals steif und fest behauptete.

      „Julie“, sagte ich, „darf ich dich etwas über Ralph Fiennes fragen?“

      „Oooh ja, bitte“, seufzte sie, offensichtlich etwas überrascht über mein Interesse.

      „Du schwärmst ziemlich für ihn, nicht wahr?“

      „Oooh ja!“

      „Nun, angenommen, du bekämst einen Anruf von ihm - von Ralph Fiennes, meine ich - morgen früh, okay?“

      „Oooh, ja?“

      „Und er würde sagen:, Hallo, Julie, ich komme heute um halb vier bei dir vorbei, um eine wilde Sexorgie mit dir zu feiern‘ - also, meine Frage ist, würdest du?“

      Das Schweigen, das auf diese rein sachliche Erkundigung folgte, war so tief, dass ich schon dachte, keiner von uns würde je wieder sprechen oder sich bewegen. Ob wir wohl bis zum Ende der Zeiten hier herumsitzen würden wie Schauspieler in einer eingefrorenen Theaterszene? Es war natürlich keine besonders bibelstundengeeignete Frage. Julie war puterrot angelaufen, Mike hatte sein Ich-dachte-du-hättest-dir-solche-Sachen-abgewöhnt-Gesicht aufgesetzt, und die meisten anderen schienen einfach nur peinlich berührt zu sein. Die beiden Einzigen, für die das nicht galt, waren meine Freundin Dip, die ihren Kopf in den Nacken gelegt hatte, um die Zimmerdecke zu studieren, und sich mit zusammengepressten Lippen ein Lächeln verkniff, und Bernard, der seinen Kopf in Richtung seiner Frau neigte, als brannte er darauf, ihre Antwort auf meine Frage zu hören.

      Mike war hinterher ziemlich verschnupft deswegen, und Simon Davenport, unser Hauskreisleiter, rief mich am nächsten Tag an und fragte mich, wie ich meine Äußerung empfände. Übersetzt war dies die kräuseläugige, konfliktvermeidende Fassung der Botschaft: „Du hättest das nicht sagen sollen.“ Um des lieben Friedens willen stimmte ich ihm zu.

      Schon komisch, solche Träume.

      Und mein Australien-Traum war wirklich eine heikle Sache. Ein Teil von mir wünschte sich nichts sehnlicher, als mit Felicity loszufliegen und meinen Bruder und seine Familie zu besuchen, doch ein anderer, jammervoll unreifer Teil von mir hatte eine Heidenangst vor einem tatsächlichen Zusammentreffen nach all den Jahren. Wenn ich nun alles vermasselte? Was, wenn die überwältigende Bedeutung dieser Begegnung meinen ganzen emotionalen Haushalt einfrieren und die ganze Sache unbehaglich und angespannt werden ließ?

      Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass all meine goldenen Erinnerungen sich in ein bleiernes Gewicht des Versagens verwandeln könnten. Voll Inbrunst wünschte ich mir, ich wäre jemand, der nicht bis zum Erbrechen über alles grübelt und nachdenkt; jemand wie Mike, der, wenn ich versuchte, ihm meine Ängste begreiflich zu machen, ein völlig ratloses Gesicht machte und dann nickte wie ein guter Seelsorger und sagte: „Sei einfach du selbst, dann wird schon alles klappen.“ Am liebsten hätte ich laut geschrien, dass es gerade dieses „Ich-selbst-sein“ war, das mir Sorgen machte.

      „Die Antwort auf deine Frage, Mike“, erwiderte ich, ohne mich umzudrehen oder mit meiner Spültätigkeit innezuhalten, „ist, dass ich vorhabe, hin und her zu schwanken und immer wieder meine Meinung zu ändern, bis die Entscheidung unausweichlich wird. Dann werde ich wahllos eine Entscheidung treffen, die sich als falsch erweisen wird. Ich hätte angenommen, dass du das weißt, auch ohne zu fragen. Du weißt doch, wie konsequent ich bin.“

      Ein Seufzen kam vom anderen Ende der Küche. Ich war sicher, wenn ich genau hinhörte, würde ich Mikes Gehirn denken hören, dass zu mir einfach nicht durchzukommen war, wenn ich so aufgelegt war. Trotzdem versuchte er es noch einmal.

      „Wer war denn nun vorhin am Telefon nach unserem ganzen Durcheinander?“

      „Ach ja, das war, äh - das war Joscelyn. Sie wollte mir von ihrer Woche in diesem Manor-Dingsda erzählen, und wie sehr es …“

      „Wie es ihr Leben in allen Einzelheiten revolutioniert habe, ich weiß schon.“

      In Mikes Stimme schwang ein Schmunzeln mit. Er glaubte sich hier auf sicherem Boden. Die Sache mit Joscelyns Bedürfnis nach geistlichen Abenteuern von epischem Ausmaß war zwischen uns häufig Anlass zu milder Erheiterung und echter Herzlichkeit gewesen. Zuversichtlicher fuhr er fort.

      „Na, das erklärt den frühen Zeitpunkt des Anrufs. Ich war nur deshalb so sauer, weil du dran warst, dich um alles zu kümmern, und dann dauernd aufgelegt hast, wenn ich abgenommen habe - stimmt's, du ungezogenes Mädchen?“

      Oh nein. Nicht den scherzhaften Tonfall. Bitte, Mike, fang nicht an, den scherzhaften Tonfall anzuwenden, weil du meinst, dann renkt sich schon alles ein. Dieser Tonfall ist mir selbst zu den besten Zeiten verhasst, und jetzt umso mehr. Bitte, ich flehe dich an, versuche nicht, scherzhaft zu sein …

      Da mir nichts mehr einfiel, was ich mit dem Abwasch noch hätte anstellen können, drehte ich mich schwerfällig zu meinem Mann um. Ich merkte schon, dass er das Gefühl hatte, nun bald gefahrlos zum Thema Mark überleiten zu können. Doch vorher kam zweifellos noch ein Wort über Joscelyn, nur um unseren netten kleinen Plausch abzurunden.

      „Ach, Kath, nur gut, dass wir die alte Joss so gut kennen, was? Hätte uns jemand anderes um diese nachtschlafende Zeit angerufen, um sich über seinen geistlichen Pulsschlag auszubreiten, dann hättest du ihm bestimmt gesagt, er soll dahin gehen, wo der Pfeffer wächst, stimmt's?“

      Es war unmöglich, die zusätzliche Frage in seinem Tonfall zu überhören. Ich fand einen verhärteten Klumpen ehemals essbaren Materials neben mir auf der Arbeitsplatte und begann, mit dem Daumennagel daran herumzukratzen.

      „Das habe ich.“

      Das leichte Schmunzeln, mit dem Mike seinen letzten Satz beendet hatte, erstarb abrupt in seiner Kehle. Da mir plötzlich die Knie ein wenig weich wurden, zog ich den Stuhl unter dem anderen Ende des Tisches hervor und setzte mich. Ich wartete ab, bis er sich mit der Hand durchs Haar gefahren war und den Kopf geschüttelt hatte, wie um seine Gedanken zu klären. Nachdem er beides getan hatte, sprach er weiter.

      „Was meinst du damit, du hast?“

      „Ich meine, ich habe Joscelyn gesagt, sie soll dahin gehen - na ja, nicht mit diesen Worten, aber, äh …“ Ich räusperte mich und blickte auf, bevor ich weitersprach. „Weißt du, sie erzählte das ganze übliche Zeug - du weißt schon, dass sich alles verändert hätte und so, und ich war drauf und dran, schon wieder diesen ganzen bestätigenden Blödsinn abzusondern - Mike, warum guckst du eigentlich immer so schuldbewusst zur Tür, wenn ich ein Wort sage, mit dem du nicht einverstanden bist? Wir sind hier schließlich nicht auf der Schultoilette und rauchen, oder? Oder dachtest du, vielleicht lauert ein verdeckter Ermittler von der Sitte in der Diele und sammelt Beweise dafür, wie verkorkst dein Privatleben ist?“

      „Weißt du, du kannst ziemlich unangenehm sein, wenn du in Verteidigungsstellung bist“, sagte Mike mit sehr leiser Stimme. „Ich war nur besorgt, Felicity könnte vielleicht heruntergekommen sein und dich so reden hören. Das ist alles.“ „Da hätte sie aber allerhand zu tun, da sie heute bei Caroline Burton übernachtet hat und noch nicht nach Hause gekommen ist. Offenbar reicht deine tiefe Sorge um deine zehnjährige Tochter nicht so weit, dass du dich auch nur einen Funken dafür interessierst, wo sie die Nacht verbringt.“

      „Was hast du zu Joscelyn gesagt?“

      „Ich kann es nicht fassen, dass du tatsächlich vergessen hast, dass Felicity gar nicht hier ist. Das finde ich ziemlich außergewöhnlich.“

      Mike reckte sich nach hinten über die Stuhllehne, weg von meinem erbärmlichen Versuch, das Thema