Nun verstand Mike Cadwell alles. Okland, der ihn in den Bergen zurückgelassen hatte, musste später doch Angst bekommen haben, dass seine Geschichte nicht ganz so rund war, wie er es wünschte. Er hatte Killer gedungen, und diese standen nun vor ihm und wollten das nachholen, was Okland in den Bergen vergessen hatte.
Langsam drehte er sich zu Red um. Der Mann hatte ein von Blatternarben zerfressenes Gesicht, sah mächtig unterernährt aus und schielte ein wenig. Tief an seinen Hüften baumelten zwei schwere Colts. Dieser Killer wollte sich also mit ihm anlegen.
Mike gefiel dies gar nicht. Der Mann sah ihm viel zu aufgeblasen aus, als dass er ihm wirklich eine Chance eingeräumt hätte. Nein, es würde einen toten Banditen mehr geben, weiter nichts. Aber da waren noch die anderen. Würden sie ruhig zusehen, wie ihr Kumpan umfiel? Kaum.
„Komm, Freundchen“, sagte da Red in Mikes Gedanken hinein. „Zeig mal, wozu du die beiden Dingerchen mit dir herumschleppst.“
Mike bewegte sich nicht. So wie er stand, stand er günstig. Er hatte eine Hand hinter sich auf der Theke liegen, während die andere griffbereit über dem Kolben schwebte. Sollte er es versuchen, wenn er unbedingt in sein Unglück rennen wollte.
Red schien von der Gefahr, in der er sich befand, nichts zu merken. Er schritt langsam seitwärts und blieb in zehn Schritten Abstand stehen.
„Ist es dir so recht?“, fragte er.
„Weißt du, wo Okland jetzt steckt?“, wandte sich Mike an Lute, wobei er Red nicht aus den Augen ließ.
„Okland? — Nun, er hat es mir nicht gesagt, aber ich könnte mir vorstellen, wo er mit dem vielen Geld hingezogen ist Ich muss es ja wissen, denn für deinen Kopf will ich noch etwas haben. Nun pass aber auf Red auf, sonst bläst er dein Licht aus, ohne dass du einen Finger gerührt hast.“
Mike wandte seine Aufmerksamkeit voll dem schmalen Killer zu.
Red stand leicht nach vorn gebeugt zwischen zwei Tischen und fixierte sein Opfer. Plötzlich zuckten seine Augen zusammen und in der gleichen Sekunde fuhren seine Hände zu den abgewetzten Griffen der Revolver hinunter.
Mike hatte nicht die Absicht sich durchlöchern zu lassen. Nein, ein Narr war er nicht. Und die Dummheit des Burschen machte ihn nun richtig wütend.
Blitzartig hielt er seinen rechten Colt in der Faust und schoss. Die Kugel zischte Red heiß in die Schulter, noch ehe dieser seine Waffen in Anschlag hatte.
Die Wucht der Kugel trieb den Banditen zurück, warf ihn gegen einen Tisch und ließ seinen linken Arm schlaff werden.
Aber Red gab nicht auf. Er fluchte bitter und riss die rechte Waffe hoch. Mike sah die Mündungsflamme und die Kugel streifte seine Wange und krachte in den großen Barspiegel hinter der Theke, der in Scherben ging.
Nun reichte es endgültig.
Mikes nächste Kugel traf in die Stirn des Killers. Red röchelte dumpf, auch sein zweiter Colt sank nieder. Dann brach der Bursche in die Knie und fiel auf das Gesicht.
Lute stieß einen heiseren Fluch aus.
„Da nimm!“, schrie er.
Mike warf sich zu Boden und die ihm zugedachte Kugel streifte über seinen Rücken und bohrte sich in die Wand. Aber noch im Fallen schoss Mike selbst. Er hätte Lute gern nur eine Verletzung beigebracht, aber er konnte in dieser Lage nichts riskieren. Er musste ganz sicher sein.
Als sich Mike erhob und den Staub von seinen Kleidern klopfte, war Lute tot. Er lag direkt vor der Theke und um seinen Körper bildete sich eine Blutlache, die sich schnell vergrößerte.
Der Keeper tauchte hinter der Theke auf. Er sah noch völlig verstört aus und fragte gepresst:
„Ist es vorbei?“
„Es scheint so“, gab Mike zurück. Er blickte auf die Tür, die noch leise hin und her pendelte.
„Der dritte“, rief er plötzlich. Er hastete an die Schwingtür und sah den Mann, der eben sein Pferd wendete und wie der Teufel die Straße hinunterjagte.
Mike schnellte zum Holm und blieb keuchend stehen. Es war sinnlos, sein Pferd stand noch vor der Bank.
Langsam ging er in den Saloon zurück.
Der Keeper trank eben einen großen Whisky, er erholte sich sichtlich.
Nun drängten Männer in den Raum, und bald gab es viele Meinungen über den Kampf, die einander widersprachen.
Nach einer halben Stunde erschien der Sheriff. Mike war schon an der Tür und prallte mit dem Mann direkt zusammen.
Der Sheriff maß Mike mit finsteren Blicken. „Haben Sie hier geschossen? Ich schlief gerade.“
„Dann schlafen Sie ruhig weiter, Sheriff, es ist vorbei.“
„Stopp!“, donnerte der Sheriff, als Mike an ihm vorbei wollte. „Schön langsam. Kommen Sie mit zurück.“ Mike ging mit dem Mann in den Saloon zurück. Die Männer im Saloon wichen auseinander und der Sheriff blieb vor Lute stehen. Er drehte den Mann auf den Rücken und stieß einen erstaunten Pfiff aus. Kopfschüttelnd blickte er Mike an.
„Das ist Lute Tighter“, sagte er. „Ein gefährlicher Bursche. In meinem Office hängen zwei Steckbriefe, die seinen Namen tragen. Seit wann ist er denn in der Stadt?“
„Wenn ich nicht irre, schon drei Wochen. — Kann ich jetzt gehen.“
Der Sheriff brummte vor sich hin. Mike drehte sich um und ging hinaus. Er überließ es den anderen Männern, für diesen Kampf eine Fassung zu finden, die ihren Wünschen entsprach.
Vor der Bank knüpfte Mike die Zügel seines Pferdes los und stieg in den Sattel.
Zwei Männer hatte er getötet, die hier in Oklands Auftrag auf ihn gewartet hatten. Er hatte plötzlich einen faden Geschmack auf der Zunge. Der dritte Mann war entkommen — er war nach Westen geritten. Nun würde Russ Okland sicher sehr schnell wissen, dass Mike Cadwell noch lebte und nicht in den Bergen der Capitan Mountains gestorben war, wie er anfänglich angenommen hatte. Er würde gewarnt sein, sein Geheimnis vielleicht noch besser hüten — und Mike musste sich darauf gefasst machen, dass viele Fallen seinen Weg säumen würden.
Langsam ritt er aus der Stadt. Er folgte der Spur des Banditen nach Westen.
7
Nach einer Stunde wusste Mike genau, dass er in Riverton die richtige Fährte erwischt hatte. Er hatte nur auf eine Spur getippt, die ein schnell galoppierendes Pferd hinterlassen hatte. Diese Fährte zeigte schnurgerade nach Westen, umging Ranches und kleine Ortschaften und führte am nächsten Tag in die Guadelupe Mountains hinein.
Auf dem harten Boden gab es bald kein einziges Zeichen mehr. Aber es war ein tiefeingeschnittener Canyon und diesen konnte der Bandit nicht verlassen haben. Der Canyon schlängelte sich nach Westen, bog nach einigen Reitstunden nach Süden ab, um wieder wenig später nach Osten zu verlaufen.
Mike verließ die Berge am anderen Tag in der Nähe von Hoban, und die Spur war noch vor ihm. Der Bandit war einen weiten Bogen geritten. Nun strebte er nach Osten.
Hatte dieser Mann mit einem Verfolger gerechnet? Es schien fast so. Ob er überhaupt wusste, wo Okland zu finden war? Vielleicht hatte er auch nur eine Vermutung, wie sein Kumpan Lute Highter.
Es war egal, Mike Cadwell klammerte sich an das kleinste bisschen Hoffnung. Hier war Hoffnung.
Aber inzwischen hatte der Bandit seinen Vorsprung weiter ausgebaut. Er musste die Berge besser gekannt haben als Mike. Sein Vorsprung betrug mindestens fünf Stunden.
Drei Tage lang folgte Mike Cadwell dieser Fährte. Weit unten im Süden erreichte er wieder den Pecos River und durchfurtete ihn. Auf der anderen Seite drang er in ein Waldstück, das ihm im ersten Moment, wo er aus der grellen Sonne kam, fast undurchsichtig