»Renate, du hast ja recht. Dieser Bestechungsversuch war unüberlegt. Ich wollte mir wohl Michaels Freundschaft erkaufen. Schimpfe nicht mit mir. Ich hatte noch nie eine Beziehung zu einer Frau mit Kind.«
Renate räuspert sich und ihre Stimme klingt jetzt für mich nicht mehr so aggressiv: »Entschuldige, wenn ich dich verletzt habe. Aber noch etwas anderes: Es geht um Michael. Wir besaßen bis vor kurzem noch einen alten Fernseher. Mein Sohn nervte mich immer wieder mit seinem Wunsch, einen Flachbildfernseher zu kaufen. Ich hatte dafür kein Geld. Michael musste dann heimlich irgendetwas mit dem alten Gerät angestellt haben, denn der Fernseher funktionierte auf einmal nicht mehr. Michael bat Bernd, deinen Vorgänger, den Apparat zu reparieren.«
Als sie das Wort »Vorgänger« sagt und Bernd damit meint, spüre ich ihren Blick und erahne ihren Gedanken: Was wird Swen jetzt von mir denken.
Ich höre ihr weiter zu und bin gespannt, wie die Geschichte weitergeht.
»Ich kam spät von der Arbeit nach Hause und hörte einen lauten Streit zwischen Bernd und meinem Sohn. ›Du hast unseren Fernseher kaputt gemacht. Bernd, du musst uns einen neuen kaufen. Einen Flachbildfernseher wollen wir!‹ Bernd hatte ihm geantwortet: ›Michael, du bist bekloppt. Ich habe doch nur ein paar Schrauben gelöst. Ich habe noch nicht alles untersucht, warte doch ab.‹«
»Swen«, sagt Renate und schaut mich an, »kannst du mich verstehen? Als ich das Wort bekloppt hörte, drehte ich völlig durch und schrie: ›Bernd! Spinnst du? Wieso hältst du meinen Sohn für bekloppt? Du bist nicht sein Vater.‹
Außerdem sah ich, wie Michael dem Bernd die Zunge rausstreckte. Bernds Gesicht wurde rot wie eine Tomate, und er brüllte: ›Dein Liebling ist kein Engel. Er ist ein verzogener Rotzlöffel.‹
Das war zu viel für mich. Ich habe Bernd die Tür gezeigt und er ist freiwillig gegangen.
Aber nach zwei Wochen hatte er uns einen neuen Flachbildfernseher geschenkt und mir einen Abschiedsbrief geschrieben. Den Inhalt werde ich dir nicht verraten.« Mit ernstem Gesicht beobachtet sie meine Reaktion. Ich glaube, ich habe die Kontrolle über mein Gesichtsausdruck verloren. »Swen, habe ich dich geschockt?« Ich weiß nicht, was ich in diesem Moment denken oder sagen soll. Ich bin froh, als ich die Bedienung mit Kaffee und Kuchen sehe. Irgendwie haben wir es dann geschafft, über weniger ernste Themen zu sprechen. Wir reden über Wetter und Kuchen. Ist ja auch einfacher.
Ich bezahle die Rechnung und begleite Renate zu ihrem Auto. Sie gibt mir einen flüchtigen Kuss und schaut mich mit feuchten Augen an und fragt: »Sehen wir uns wieder?«
Auch mich hat der Nachmittag nachdenklich und irgendwie traurig gemacht und ich antworte ihr: »Ich ruf dich an.« Mit dieser Botschaft setzt sie sich in ihr Auto und fährt los.
Ich glaube, meine Antwort hat sie nicht glücklich gemacht. Mir fällt plötzlich ein, dass ich ihr nicht gesagt habe, wann ich anrufen werde.
Zwei Wochen später, als ich von der Arbeit nach Hause komme, freue ich mich auf das Surfen im Internet.
Ich besuche das Internetportal »find your partner«, wo ich auch Renate getroffen hatte. Eine Ruth interessiert mich besonders. Wir chatten mehrmals und möchten unsere Hobbys, wie das Tanzen und das Wandern, bald in der Praxis verwirklichen, uns aber vorher mal in einem Museum treffen. Wir wollen uns gerade auf morgen einigen, als es mehrmals an der Tür schellt. Ich unterbreche unseren Chat und öffne ärgerlich die Tür.
»Das ist wirklich eine Überraschung! Michael, komm rein«.
»Hi, Swen, da staunst du. Ich bin es.«
Richtig, auf einmal erinnre ich mich. Ich wollte doch Renate anrufen, habe ihr nur nicht gesagt, wann. Hat sie ihren Sohn vorgeschickt, um so unsere Beziehung auf den Prüfstand zu stellen?
»Michael, warum besuchst du mich? Hat dich deine Mutter geschickt?«
»Nein! Meine Mami hat einen neuen Freund.«
Das geht aber schnell, denke ich. Michael fährt fort. »Der Neue will mich erziehen. Ich darf fast gar nichts mehr. Er geht mir jetzt schon auf den Keks.«
Ich denke: Das kann ich verstehen, spreche es aber nicht aus und sage stattdessen: »Michael, bleib im Wohnzimmer. Wenn du möchtest, kannst du fernsehen. Ich gehe in die Küche und schmiere uns ein paar Brote.« Kaum bin ich in der Küche, rufe ich Renate an: »Hallo Renate.«
»Wieso rufst du jetzt erst an? Ich habe auf deinen Anruf gewartet.« Irgendwie klingt ihre Stimme traurig. Ich möchte in diesem Augenblick nicht mit ihr diskutieren, denn ich weiß, dass sie recht hat.
»Michael ist bei mir.«
»Was? Was will er bei dir?«
»Weiß ich nicht. Kannst du ihn nicht bei mir abholen? Ich bereite inzwischen das Abendbrot vor. Ich würde mich freuen, wenn du kommst.«
»Ja, Swen, ich bin froh, dich wiederzusehen.«
» Dito«, sage ich und beende das Gespräch.
Pfeifend bereite ich ein »Luxus«-Essen vor, das heißt: mit kleinen Gurken, Tomaten und Radieschen, mehreren Käsesorten und Aufschnitt. Als Krönung für den Abend stelle ich eine Flasche exquisiten Rotwein mit Kristallgläsern auf den Tisch.
Ich gehe ins Wohnzimmer und sehe, wie Michael meinen Laptop zuschlägt. Ich Idiot, warum habe ich das Gerät nicht ausgestellt? Was hat er gesehen und gelesen? Schreckliche Gedanken flitzen in mein Gehirn. Wird Michael mich bei seiner Mutter verpetzen? Ich versuche einen Bluff.
»Michael, du hast mich belogen. Deine Mutter hat keinen neuen Freund.«
»Ja, weiß ich. Ich wollte nur sehen, wie du reagierst. Ich mache dir einen Vorschlag: Wenn du Mami nicht sagst, was ich dir erzählt habe, dann werde ich ihr auch nichts von Ruth erzählen. Außerdem brauchst du mit Ruth nicht mehr zu chatten. Den Termin mit dem Museum habe ich für dich erledigt.«
»Was hast du gemacht? Wieso schaust du meine Internetseite an? Hast du noch nichts von Privatsphäre gehört?«
»Ich habe Ruth nur gemailt, dass du morgen nicht ins Museum gehen kannst, weil deine Frau Geburtstag hat. Bleib ruhig. Ich habe sie zum Geburtstag eingeladen. Du wirst ja sehen, was sie geantwortet hat.«
Ich werde wütend und will mit Michael schimpfen. Aber in diesem Moment schellt es und ich sehe Michaels ironisches Lächeln. Ich gehe zur Tür und öffne sie.
»Tag Swen. Ich habe eine Flasche Rotwein mitgebracht. Zur Versöhnung.«
»Danke Renate, dass du so schnell gekommen bist. Komm, wir gehen ins Esszimmer. Ich habe schon alles vorbereitet. Michael, wo bleibst du? Wir wollen essen.«
Vielleicht durch den Weingenuss und weil Michael den Namen Ruth bis jetzt nicht erwähnt hat, kann ich mich allmählich entspannen.
»Swen, ich bin so glücklich.« Renate steht von ihrem Stuhl auf und gibt mir einen längeren Kuss. Meine Nase registriert einen dezenten Maiglöckchenduft und meine Hand berührt ihre Hüfte. Ich kann den Kuss nicht so heiß wie ich es möchte erwidern, weil ich Michaels Gesichtsausdruck mit halb geschlossenen Augen analysieren muss. Er schaut nicht weg. Ich kann nicht erkennen, was er in diesem Moment denkt. Mit kurzen, heftigen Atemzügen setzt sich Renate auf ihren Stuhl und ordnet ihre Frisur.
»Swen, ich habe morgen Geburtstag und ich lade dich herzlich ein. Du musst kommen.«
In meinem Gehirn hämmert es und was mache ich mit Ruth? Irgendwie muss ich Zeit zum Überlegen gewinnen, registriere Michaels Grinsen und frage mich, was er Ruth gemailt hat.
»Renate, warum hast du mir nicht früher gesagt, wann du Geburtstag hast? Dann hätte ich mehr Zeit gehabt, mir für dich eine Überraschung auszudenken.«
»Das Geschenk ist für mich nicht wichtig. Hauptsache ist, dass du kommst. Die Überraschung können wir verschieben. Ich habe dir nichts gesagt, weil ich mir noch nicht so sicher war, was ich für dich empfinde. Jetzt kann