„Clipp-Schliefer“, kaninchengroße Pelztiere, laufen und klettern zwischen den Felsspalten hindurch. Die jungen Tiere aalen sich in der Sonne. Sie sind an Besucher gewöhnt. Fast zutraulich bewegen sie sich, laufen zwischen den Touristen hin und her.
Aus dem kargen Boden wachsen einzelne Pflanzen. Neugierig strecken sie ihre Blütenköpfchen der Sonne entgegen.
Ohne auf die Plattform des Aussichtpunktes zu gehen, bietet sich immer noch ein grandioser Blick über das Wasser.
Unweit der Küste von der Südseite des Table Mountain einzusehen, präsentiert sich Robben Island, ein Gefängnis, das bekannt geworden war durch die Inhaftierung Nelson Mandelas, der hier mehr als zwanzig Jahre gefangen war.
Wenn Nebelwolken den Table Mountain einhüllen und er vom Strand aus nicht zu sehen ist, so sagen die Einheimischen, über dem Table ist ein Tischtuch ausgebreitet.
„Wendelin, schau nur, hier sind wir dem Himmel ganz nah!“
Wendelin legt seinen Arm um Wandas Schulter. „Ach Wanda, manchmal denke ich, dass ich mit dir überall dem Himmel näher bin.“
Zur linken Seite erhebt sich der Signal Hill. Man kann mit dem Auto bis zum höchsten Punkt fahren. Eine wunderschöne Landschaft breitet sich unterhalb des Signal Hills aus, in die der Botanische Garten eingebettet liegt. Etwas weiter westlich erstreckt sich eine schroffe Felswand die Küste entlang. Den Signal Hill haben schon viele Verliebte als ihr ganz persönliches Hochzeitsziel gewählt. Immer wieder sieht man Brautpaare und der durch den ständigen Wind bewegte Schleier der Braut wird meist als erstes sichtbar, wenn das Brautpaar die geschmückte „Hochzeitskutsche“ verlässt.
In einem Mietwagen unternehmen Wanda und Wendelin kurze Tages- meist Halbtagestouren. Am Atlantischen Ozean ist das Wasser unerwartet kalt. Bis zu 16 Grad Celsius. Das bewirkt der Bengoela Strom, der – entgegen des Golfstroms – vom Südpool her die poolische Kälte zur Westküste bringt. Das Wasser im Indischen Ozean, also an der Ostseite von Süd-Afrika, ist deutlich wärmer.
Kapstadt und Pretoria sind die beiden Hauptstädte von Südafrika. Hier leben Farbige und Weiße in harmonischem Einvernehmen, so scheint es jedenfalls. Sie geben der Stadt ein exotisches Flair.
Wanda und Wendelin besuchen heute eine Veranstaltung, die von afrikanischen Frauen organisiert wird. Es ist ein Projekt der UNO zur Familienplanung. Südafrikanerinnen, die in Europa und Amerika gelebt und studiert haben, wollen die Weiterentwicklung im eigenen Land fördern und setzen sich für Frauenrechte ein. Es sind die Einheimischen, die dieses Projekt ihren afrikanischen Schwestern präsentieren. Ihr Bonus zeigt sich darin, dass sie das Vertrauen der Afrikanerinnen genießen, die ungeschriebenen Gesetzte der seit Generationen übertragenen Tradition kennen und sich durchaus der sich daraus gebildeten Macht in der Gesellschaf bewusst sind. Daher wirken sie überzeugender als die Entwicklungshelfer, die aus fremden Nationen kommen. Verhütungsmittel kennen zu lernen und sie anzuwenden, ist primäres Ziel und in erster Linie Frauensache.
Es erfordert ein echtes Einfühlungsvermögen und die sprichwörtliche „himmlische Geduld“, die uns verloren gegangen ist – die die Menschen in dieser Region mit der Muttermilch aufgenommen zu haben scheinen – sie hilft ihnen, diesen Entwicklungsprozess, wenn auch zuerst zögernd, aber dann doch beständig, voran zu treiben. Vor allem ist es wichtig, dass Verhütungsmittel und Familienplanung auch von den Midland-People akzeptiert werden, somit im Landesinnern ein Umdenken bewirken. Eine über Jahrhunderte bestehende Tradition durch eine neue, fremde, völlig unbekannte Denk- und Handlungsweise zu ersetzen, ist ein nobles Ziel.
Es scheint, als würde die Sonne sich in den Farben der Garderobe widerspiegeln. Auch einige Männer gehören zu den Gästen. Es ist sehr wichtig, dass die Männer einbezogen werden und ihre Meinung in partnerschaftlicher Weise mit den Frauen diskutieren. Die Vorstellung, viele Kinder zu haben, sei eine gute Altersversorgung, muss auch in den Köpfen der Männer reformiert werden.
Ein über Grenzen, Tradition und Farbe hinweg sich zeigendes, solidarisches Verhalten, das Frauen auf der ganzen Welt miteinander verbindet, zeigt sich hier in verblüffender Weise. Sicher gibt es Unterschiede, bedingt durch genetisches Erbe, Erziehung und Bildung. Die wirkungsvollste Veränderung – Geburtenregelung – in einem Land geht oft von den Frauen aus, weil sie betroffen sind. Vor allem heißt es, bei den jungen Männer und Frauen ein Umdenken sowie Verantwortungsübernahme für sich selbst, die Familie und das Land, zu übernehmen. Es ist ein Lernprozess auf allen Ebenen.
Mit einem Gedicht in Afrikaans gesprochen, werden alle Gäste zum Buffett gebeten. Hier gibt es selbstgebackenen Kuchen und Konfekt. Unterschiedliche Getränke werden gereicht. Rotwein und Weißwein aus der Gardenregion rings um Stellenbusch. Natürlich gibt es auch alkoholfreie Getränke.
Lebhafte Konversation entsteht. In kleinen Gruppen sitzen und stehen die Menschen und diskutieren. Wanda und Wendelin sitzen an einem Tisch mit einer Französin und einer Dänin zusammen. Ein Herr aus Germany, Martin, kommt dazu. Er war als Arzt lange in Tansania und später in Äthiopien tätig. Er kennt die Probleme in diesem Land und die Notwendigkeit einer Veränderung. Einige Projekte unter deutscher Leitung haben einen Teil des erwarteten Erfolges gebracht. Interessant berichtet er von seinen Erfahrungen in diesem Land. Er erwähnt das Projekt „Menschen für Menschen“ unter der Leitung von Karl Heinz Böhm, dessen Popularität die Spendenfreudigkeit der Menschen speziell in Deutschland und Österreich positiv angeregt hat und einen entsprechenden Erfolg verbuchen kann.
Süd Afrika geht einer ungewissen Zukunft entgegen. Nelson Mandelas Werk, das er im Amt des „President of South Africa“ innehatte und nach seiner Inhaftierung mit der verbleibenden Kraft wahrnimmt, setzt er neue Impulse. Jedoch fordert das Alter seinen Tribut. Er gibt sein Amt in jüngere Hände. Mit dem neuen Präsidenten stagniert die Weiterentwicklung, Korruption wird immer häufiger entlarvt. Vor allem in den Bereichen Bildung und Schulwesen, Universitäten, Handel und Wirtschaft, Gesundheitswesen und Altersversorgung. Nicht zu übersehen ist, dass an die Stelle von Vertrauen und der daraus sich entwickelnden Motivation zur Eigenverantwortung, die Situation eines schwelenden Vulkans spürbar wird. Die farbige Bevölkerung ist unruhig, will über die Weißen herrschen, ist aber gleichzeitig unerfahren und unfähig.
Helen aus Lyon wendet sich an Wanda. „Ich bin Helen, ich glaube, Sie sind zum ersten Mal hier bei uns. Leben sie hier in Kapstadt?“
„Hallo Helen, ich bin Wanda und das ist Wendelin. Wir beide kommen aus Deutschland. Bisher haben wir nur aus Medienberichten über Süd-Afrika gehört.“
„Etwas außerhalb von Kapstadt, haben sich Townships gebildet. Flüchtlinge aus dem Kongo und Ruanda leben hier in armseligen Blechhütten. Vor Krieg und Unruhen im eigenen Land sind sie geflohen, hoffnungsvoll, sich ein neues Leben hier aufzubauen, landeten sie in den Slums von Süd Afrika. Das birgt eine große Gefahr für Kapstadt. Die Menschen haben keine Arbeit, leben oft unter menschenunwürdigen Bedingungen. Es ist der Nährboden für Gewalt, für Aids und andere Krankheiten. Die UNO versucht zu helfen, indem sie die Regierung auffordert, die Flüchtlinge zu integrieren, ihnen Land zu geben, damit sie sich eine Existenz aufbauen können. Für viele ist das zu spät. Vor allem die jungen Leute brauchen dringend eine Aufgabe. Erfreulicherweise beobachten wir immer wieder, dass ein Teil dieser Menschen Arbeit gefunden hat, in Steinhäusern wohnt und ihre Kinder zur Schule schickt. Leider gibt es immer noch zu viele Gangs, die glauben, es gebe nur eine Problemlösung, die durch Gewalt geschieht. Es ist ein langer Weg. Manchmal möchte man resignieren. Wenn das eine Problem gelöst ist, und man aufatmen will, sieht man sich plötzlich neuen, noch größer scheinenden Problemen gegenüber. Es endet nie. Eine gute Arbeit wird von Organisationen der Kirche geleistet. Dazu gehört die Betreuung der Flüchtlinge mit Hilfe zur Anerkennung des Flüchtlingsstatus. Ein erster, wichtiger Schritt, der eine Arbeitserlaubnis gewährt.“
In der Commercial Street, unweit der Regierung, gibt es Scalabrini, eine erste Anlaufstelle für Flüchtlinge. Eine Schule ist integriert, die Englisch- und PC-Kurse anbietet für Newcomer. Außerdem erhalten