Denise
Die kleine Denise (viertelnachfünf, blond, blauäugig, sehr naseweis) hat im Kindergarten eine neue Betreuerin bekommen. Sie geht auf diese zu und plappert sofort los:
„Bist du die Neue?“
„Ja, die bin ich.“
„Du bist aber viel dünner als die andere!“
„Ja, es gibt eben Dicke und Dünne.“
„Darf ich denn auch auf deinem Schoß sitzen?“
„Ja, das darfst du.“
„Und darf ich auch mit dir kuscheln?“
„Ja klar, nur zu!“
„Hast du denn auch einen Busen?“
„Ja, ich hab auch einen Busen.“
„Dann bring den doch morgen mal mit!“
HNO-Kinderstation
Die Kinder auf meiner Station wechselten fast wöchentlich. Es ist wunderschön, immer neue kleine Menschen betreuen und von ihren Ängsten ablenken zu können. Wie gern höre ich ihrem munteren Geplappere zu. Ich fragte die zierliche Sabine: „Willst du denn beim Schlafen deine Brille nicht abnehmen?“
„Nein, das ist eine ‚Dessainerbrille‛. Meine Eltern haben viel Geld dafür ausgegeben. Die sind nämlich neureich. Aber was das ist, weiß ich nicht.“
Während ich grinsen musste und die Betten aufschüttelte und ein wenig Ordnung im Zimmer machte, hörte ich, wie der kleine Martin (er hatte ein verbundenes Ohr) daraufhin laut prahlte, dass jeder es hören konnte:
„Meine Eltern haben mir keine Brille geschenkt, dafür aber ein halbes Pferd. Es steht auf dem Bauernhof.“
„Fällt es denn beim Reiten auf zwei Beinen nicht um?“, wollte Sabine wissen.
In einem anderen Zimmer lag die kleine Sophie. Sie war sehr gesprächig. Sie trug einen Schlafanzug mit Biene-Maja-Motiven und zappelte im Bett hin und her. Sie fragte mich, ob ich auch einen Opa mit Garten hätte. Ich schüttelte den Kopf und verneinte. Sie sagte: „Ich glaub, mein Opa liebt Insekten. Zu meiner Oma sagt er immer: ‚Los, mach jetzt mal ’ne Fliege!‛“
Seit Jahren bin ich auf dieser Station tätig. Die Kinder würden mir sehr fehlen, wenn ich aus gesundheitlichen Gründen diesen Job einmal nicht mehr ausfüllen könnte.
Fröhlich marschierte ich durch den Klinikpark nach Hause. Der Frühling war ausgebrochen und ich genoss das bunte und grün blühende Umfeld. Heute wollte ich auf meiner Terrasse neue Blumen pflanzen. Mein Mann hat schon die Erde besorgt.
Ich meine, wir sollten immer ein Ziel vor Augen haben …
Rüdiger
Heute hatte ich es eilig zur Klinik zu kommen. Zwei Neuzugänge wurden auf der HNO-Kinderstation erwartet. Einer war Rüdiger, acht Jahre alt und rotes Haar. Für morgen war seine Mandel-OP angesetzt. Rüdiger guckte aus dem Fenster und zeichnete die Spuren der Regentropfen nach, gleichmäßig von oben nach unten. Er war etwas zu klein für sein Alter, aber der wird ja noch wachsen. Er hörte mich kommen und drehte sich zu mir.
„Hast du schon alle Voruntersuchungen abgehakt?“, wollte ich wissen. Ich strich über seinen Rotschopf. „Ja, alles erledigt. Spritzen machen mir nichts mehr aus, hatte schon mehrere.“
„Und fühlst du dich fit?“
„Und wie! Ich bin richtig froh, eine Woche lang mal nicht zur Schule zu müssen.“
„Oh, schlechtes Zeugnis gehabt?“
„Nee, war sogar ganz gut. Meine Eltern waren zufrieden und von Oma und Opa krieg ich dann immer Geld.“
„Was ist denn dann der Grund, dass du nicht so gern zum Unterricht gehst?“
„Weil die Großen in der Pause immer zu uns kommen, wenn wir auf der Mauer sitzen und unser Pausenbrot austauschen. Das andere schmeckt immer viel besser als das von zuhause. Ein ganz Großer hat mir schon öfter meine Brotbox geklaut. Meine Schwester sagt, wenn er das noch einmal macht, soll ich ihm in die Eier treten.“
„Und, hast du?“
„Nö! Die liegen bei dem viel zu hoch, da komm ich nicht dran!“
Hannah und Max
5. September, 30 Grad, Sonne satt, tiefblauer Himmel, kein Wölkchen. Trotzdem rieselte herbstlich gefärbtes Laub von den Bäumen. Ich suchte im Klinikpark ein paar bunte Blätter und nahm sie mit auf die HNO-Kinderstation.
Heute gab es einige Entlassungen und neue Kinder kamen auf meine Station.
Die kleine Hannah war sehr zutraulich und sagte, mit einem strengen Blick auf die in unserem Zimmer werkelnde Reinigungskraft zu mir:
„Meine Mama braucht nicht mehr unsere Fußböden zu moppen und polieren. Mein kleiner Bruder krabbelt überall hin und reinigt schon mal alles vor wie ein Wischmopp.“
Und Max mit der Harry-Potter-Brille schaute mich erstaunt fragend an. Er schien zu überlegen, wie alt ich wohl sein könnte.
„Ich hab schon den dritten Papa. Wie viele hast du?“, wollte er von mir wissen. Da verließ ich ganz schnell das Zimmer, ich musste noch auf eine andere Station. Ich konnte mir vor Lachen den Bauch nicht halten. Wie herrlich war doch Kindermund.
Die bunten Herbstblätter verteilte ich im Flur auf die Fensterbank. Schön sah das aus.
Putzteufel
Meine Angetraute Hilde
Fuhrwerkt rum wie eine Wilde
Putzt die Fenster, schrubbt das Bad
Damit ichs urgemütlich hab
„Es zieht, machs Fenster bitte zu
Und lass mich endlich mal in Ruh
Ich will meine Zeitung lesen
Benimmst dich wie ein alter Besen
Hör jetzt auf, sonst werd ich grob
Kümmer dich um deinen Mop!
Der Bierkasten steht auch im Weg
Räum ihn bitte schnellstens weg
Der ist zu schwer? Dass ich nicht lach
Assauers Spots hats vorgemacht
Das Fahrrad steht vor der Garage
Tus rein und hör, was ich dir sage
Das Auto darfst du auch polieren
Ich geh derweil so lang spazieren!“
Nun lieg ich hier in meinem Bett
Was sie getan, war gar nicht