Wann immer der IS in seiner Hochburg an Terrain verlor, wurde dieser dritte Pfeiler im Kampf wichtig. Im März 2015 starben 21 Menschen bei einem Anschlag auf das tunesische Nationalmuseum, zu dem sich die Gruppe bekannte. Damals war die Terrormiliz in ihren Hochburgen in Syrien und im Irak massiv unter Druck geraten. So auch Mitte Juni 2015, kurz bevor am 26. des Monats eine Anschlagswelle in Frankreich, Kuwait und Tunesien Tote forderte. „Die Feinde Allahs sind direkt vor euren Augen. Greift sie an, wo immer in der Welt ihr sie finden möget!“ Mit diesen Worten wandte sich IS-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani nur wenige Tage später per Audiobotschaft an die Fangemeinde. Wenige Tage später enthauptete der 35-jährige französische Lastwagenfahrer Yassin Salhi seinen Chef, setzte das Betriebsgelände in Brand und schickte ein „Selfie“ von sich und dem Kopf des Toten zu seinen Freunden, die in Syrien im IS kämpften. Am selben Tag griff ein IS-Sympathisant aus Saudi-Arabien eine schiitische Moschee in Kuwait an und Seifeddine Rezgui Touristen am Strand von Sousse in Tunesien. Ob es je einen direkten Kontakt zwischen der IS-Führung und diesen Terroristen gegeben hat, ist unklar. Klar ist, dass dieser gar nicht nötig war. Der „Dschihad 3.0“ läuft wie von Zauberhand gesteuert.
Diese Strategie ist zentral für den IS. Bereits während der ersten Tage nach der Gründung des Kalifats war dies spürbar. Über das Internet lief eine Kampagne namens „Eine Milliarde Muslime zur Unterstützung des islamischen Staates“ an. Weltweit wurden Fans der Gruppe aktiv, hielten Zettel mit diesen Worten vor Sehenswürdigkeiten. In Wien war es das Riesenrad. Jemand namens „Abu Umar“ fotografierte es und stellte es ins Netzwerk Twitter. Sechzehn Mal wurde es binnen weniger Stunden weitergeleitet, dreizehn Mal wurde es „favorisiert“. Als Heimatland gibt „Abu Umar“ in seinem Profil „das Diesseits“ an.33
Und auch in Österreich zeigten erste Verhaftungen, dass Möchtegern-Dschihadisten quasi im Fernstudium die „IS-Internetakademie“ nutzen. So plante ein Vierzehnjähriger, den Wiener Westbahnhof zu sprengen. Seit acht Jahren lebte der Bub da schon in Österreich, auf die Welt kam er in Istanbul. Nach der Scheidung seiner Eltern wuchs er ohne Vater auf und besuchte die Sonderschule, stritt sich ständig mit der Mutter. Im Internet fand er in der Propaganda des IS eine Gegenwelt. Er plante, nach Syrien auszureisen, suchte Kontaktpersonen in Wien. Diese redeten ihm die Reise aus. Er könne doch auch in Österreich für den Heiligen Krieg nützlich sein, wurde ihm gesagt. Also recherchierte er online, wie man eine Bombe baut, und suchte nach Plänen des Wiener Westbahnhofs als mögliches Anschlagsziel.34
Sind Personen wie er, die mit der Anklage konfrontiert sind, Teil einer terroristischen Gruppe zu sein, vor Gericht und auch im Gefängnis am richtigen Ort aufgehoben? In diesem Fall wurde lediglich eine bedingte Strafe ausgesprochen. Dies mag auch damit zu tun haben, dass fast alle Attentäter, die zuletzt in Europa zuschlugen, nicht eine Reise nach Syrien gemeinsam haben, sondern allesamt erst im Gefängnis ihre Radikalisierung erlebten. Deshalb ist diesem Problem ein beträchtlicher Abschnitt in diesem Buch gewidmet. Zuvor gilt es aber, die Spurensuche des Phänomens IS aufzunehmen. Was sind „Dschihadismus“ und „Salafismus“, welche Bedeutung hat die Ideologie und wie konnte sie sich in eine bedrohliche Jugendbewegung verwandeln? Vor allem: Wie ticken diese Jugendlichen, wie funktioniert ihre PR-Abteilung, die Gehirnwäsche, wie werden sie rekrutiert, wie grausam gehen sie vor und wie gefährlich ist die „Dschihadmania“ für uns?
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