Im Schatten des Burn-outs. Pina Petersberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Pina Petersberg
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Современная зарубежная литература
Год издания: 0
isbn: 9783961450411
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      Pina Petersberg ist Psychiaterin und Psychotherapeutin mit langjähriger

      klinischer Erfahrung. Fantasievoll angereichert schreibt sie in verfremdeter

      Form und unter Pseudonym, inspiriert durch die unterschiedlichsten

      biografische Erfahrungen. Alle Namen und Orte wurden geändert.

      Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig. Sie können sich

      nicht wiedererkennen.

      Pina Petersberg

       IM SCHATTEN DES

       BURN-OUTS

      Engelsdorfer Verlag

      Leipzig

      2017

      Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

      Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im

      Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

      Copyright (2017) Engelsdorfer Verlag Leipzig

      Alle Rechte bei der Autorin

      Lektorat: Dr. Gregor Ohlerich

      Titelfoto © Peter Atkins - Fotolia

      Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

       www.engelsdorfer-verlag.de

       ERDBEERE TRIFFT AUF BOMBENALARM

      Eigentlich sollte es am Sonntag mit Freunden ein Spargelbuffet mit Erdbeeren zum Brunch geben, aber alles kam ganz anders.

      Unser Büro im dreitausend Mitarbeiter starken Biokoka-Konzern erinnerte in seiner dreieckigen Konfiguration mit zwei aufeinandertreffenden großen Glasfronten an ein Schiffsbug, von uns auch entsprechend dekoriert. Ein holzgeschnitzter Fisch mit glänzenden Schuppen schwamm virtuell in der Fensterbank, als Segelmast diente der kahle, hoch aufgeschossene Stamm einer Yuccapalme in der Mitte und ein buntes Feng-Shui-Fähnchen wehte von der Decke und störte gelegentlich sehr große männliche Kunden, die dann irritiert nach oben schauten, obwohl sie sich schon selbst am Zenit der starren Hierarchie des Konzerns wähnten. An den Wänden auf ihrer Seite hatte meine freundliche und stets auf Harmonie bedachte lockenköpfige Kollegin Dina Postkarten mit Meeresblick in unterschiedlichen Stimmungen platziert, auf meiner Seite gab es ein Poster mit der Schiffsbibliothek in meinem Rücken. Adäquat für unser Ambiente erachtete ich den Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek, sehr passend zu Licht und Schatten in unserem Konzern auch die Aufteilung in eine Kriegs- und eine Friedensseite. Als unser Firmament diente also die Verherrlichung Karls VI., dessen Fresko die Mittelkuppel zierte, das Bild gehalten von Herkules und Apoll. Ein weiteres Bild zeigte unsere Meerespferde, die nicht von Göttern gebändigt wurden, sondern ähnlich Lipizzanern bei der Morgenarbeit Kapriolen vollführten, Bocksprünge als Veredelung des Auskeilens aus dem natürlichen Kampfverhalten, wie schon zu Xenons Zeiten 400 v. Chr. im antiken Griechenland.

      „Das schönste Büro”, lobte unser sonst etwas griesgrämiger, vom Frust der Jahre blass gewordener Seniorchef anerkennend wie Neptun auf dem Muschelwagen und wirkte einen flüchtigen Moment lang fast jugendlich.

      Heute war die Stimmung düster, denn Regengüsse trommelten gegen die teilweise undichten, schon etwas blinden Fensterscheiben und formten unaufhörlich Rinnsale mit Überresten von unansehnlichen, schmutzigweißen Taubenexkrementen.

      Es klopfte an der Bürotür und herein schoss unsere große, sommersprossige Nachbarin Roswitha mit der neumodischen Fliegenpilzkopf-Frisur, ebenfalls eine langjährige, liebgewonnene Kollegin.

      „Hallo Pina, hallo Dina, ihr Lieben! Ich habe Erdbeeren für euch aus dem Garten geerntet, die kann ich unmöglich alle selbst essen.“

      Sie platzierte stolz ihre Ausbeute auf unseren mit Akten überladenen Schreibtischen und wir tauschten kurz die wichtigsten Neuigkeiten vom Wochenende aus.

      Plötzlich zerriss ein hoher, heulender Sirenenton die Idylle, noch ehe wir uns bedanken konnten. Ein Dauerton.

      „Nanu, es war doch gar keine Übung geplant“, murmelte ich, während wir rasch unsere Aktentaschen, Autoschlüssel und Regenschirme ausgruben, um dem schwatzenden, durch die Korridore eilenden Pulk von Mitarbeitern zu folgen, durch das Treppenhaus bis zur Drehtür im Erdgeschoß, vor der sich eine gehorsame Schlange gebildet hatte.

      „Ob es doch ernst ist?“, fragten wir uns.

      Ich drückte die mittige Glastür zwischen den beiden Drehtüren auf, sodass sich die Schlange auflösen konnte und ins Freie kroch und die schnatternden Gespräche unweit vom Firmengebäude im Regen unter bunten, hastig aufgespannten Schirmen fortsetzte. Während ich nach vertrauten Gesichtern suchte, forderten die Notfallkoordinatoren durch Sprachrohre energisch auf: „Die Sammelstellen bitte umgehend in gebührendem Abstand vom Firmengebäude aufsuchen!“

      Glücklicherweise stand mein Auto dort, sodass ich mich mit Kollegin Ilse zurückziehen konnte, schon deutlich durchnässt. Wir erfuhren, dass es sich wohl um eine Bombendrohung handelte. Polizisten mit Spürhunden suchten fieberhaft das Gebäude ab, während wir beschlossen, uns im benachbarten Teehaus aufzuwärmen. Während meine klammen Hände den Becher mit Chai-Latte umfassten, um die wohltuende Wärme aufzusaugen, sinnierten wir über Sinn und Zweck dieses plötzlichen Intermezzos.

      „Da muss wohl jemand sehr ärgerlich auf unseren vorbildlichen, mehrfach preisgekrönten Konzern gewesen sein“, vermutete die mir gegenübersitzende Ilse stirnrunzelnd, die selbst sehr ehrgeizig war und entsprechende Karrierepläne verfolgte, aber noch nicht so recht zum Zuge gekommen war.

      „Wundert dich das?“, hub ich an, um aufgestautem Ärger Luft zu machen, jäh meine Tirade abbrechend, als ich aus den Augenwinkeln wahrnahm, dass wir uns keinesfalls unter uns befanden, sondern in höchst wichtiger Gesellschaft mit der obersten Konzernleitung am Nachbartisch. Wir waren immerhin marktführend im Bereich biologischer Softdrinks und diverser Leckereien.

      „Achtung“, zischte ich und schlürfte hastig die Reste des Milchschaumes in meinen knurrenden Magen, bevor wir bezahlten und höflich grüßend das Feld räumten. Als angestellte Psychiaterin gehörte ich schon seit fast zwei Jahrzehnten zum Inventar des Konzerns und war stets bemüht, die Etikette zu wahren und nicht aufzufallen. So kleidete ich mich eher schlicht und sportlich.

      Nach unserer Rückkehr zur Sammelstelle erfuhren wir, dass die Geschäftsführung uns für heute freigab, da die Suche nach Sprengstoff zwar bisher nicht erfolgreich verlaufen wäre, aber uns aufgeweichten Pudeln andere gesundheitliche Gefahren wie eine erneute Epidemie der Schweinegrippe drohen könnten. Bereits im letzten Jahr hatte diese das Unternehmen durch eine Verdoppelung der Arbeitsunfähigkeitszeiten, darunter sogar von drei wichtigen Führungspersönlichkeiten, erheblich geschwächt. Tatsächlich klebten mir die vor Feuchtigkeit klammen Jeans samt T-Shirt auf der Haut und meine Pumps quietschten vor Nässe bei jedem Schritt. Eilig versteckte ich beides unter einem grau-violetten Blazer, der einzig trocken geblieben war, da er im Auto zurückgeblieben war.

      Am nächsten Morgen war es zunächst ein beklemmendes Gefühl, in das verlassene Gebäude zurückzukehren, aber rasch vertrieb die gewohnte alltägliche Routine sorgenvolle Befürchtungen. Die Erdbeeren waren allerdings teilweise verschimmelt und mussten entsorgt werden, sodass die Spargelvariationen am Wochenende nicht mit frischer, sonnengereifter Ernte garniert werden konnten, sondern wir mit wässrigen Treibhausfrüchten vorliebnehmen mussten.

       GENERALVERSAMMLUNG MIT PANTHER

      Pünktlich um 9 Uhr 30 schlug Yolanthe, die elegante Chefsekretärin, leicht wankend auf hochhackigen, schwarzen Lackschuhen den gewohnten Gong. „Biing“ hallte es sekundenlang durch die grauen, trostlosen Flure und mahnte uns zur Versammlung im Saal Alpha. Auch dieser Saal zeichnete sich durch eine beklemmende Atmosphäre