Das Dienstzimmer des Obersten war sehr hell, die immer noch winterliche Atmosphäre draußen ganz rein, und Oberst Jackman bedurfte keines Augenglases, um die große deutliche, wie gestochene Handschrift des Majors Smith zu lesen. So sehr ihn aber das Schriftbild befriedigte, so wenig tat es der Inhalt des Schreibens.
»Immer und ewig dieselben Klagen und Bitten! Ich bin weder blind noch taub. Auch Major Smith sollte allmählich einsehen, dass durch die unaufhörliche Wiederholung derselben Litanei diese weder neuer noch wirkungsvoller wird. Was machen wir denn nun, Leutnant Roach? Ich habe Befehl: Die Dakota sind in ihre Reservationen zu treiben! Also werden wir sie hineintreiben! Auch diese kleinen Banden, mit denen Smith unbegreiflicherweise nicht fertig wird.«
»Sehr wohl. Gestatten einen Vorschlag?«
»Bitte. Auf Fort Randall wird man sich auch schon seine Gedanken gemacht haben.«
»Sehr wohl. Wir können jetzt auf Randall einige Mannschaften entbehren und diese am Niobrara einsetzen. Entsprechende Munition und Verpflegung hat mitzugehen. Ich wäre bereit, einen solchen Transport zu übernehmen und am Niobrara zu bleiben, bis auch in dieser windigen Ecke endlich Ordnung geschaffen ist.«
»Bravo, Roach! So wünsche ich mir unsere jungen Offiziere! Sie gleichen ganz Ihrem von mir hoch geschätzten Vater. Werde dementsprechend an den Kommandanten von Randall schreiben. Noch etwas: Wie beurteilen Sie die Ursache unserer unaufhörlichen Misserfolge am Niobrara? Zu wenig Leute oder – hm – ich meine – auch zu wenig Umsicht und Energie des Kommandanten?«
»Ich möchte mir darüber kein Urteil erlauben!« Roach schaute auf seine Stiefelspitzen. »Nur, gewissermaßen, wenn ich mir die Meinung der einfachen Mannschaften, auch der Miliz, anhöre – die Leute möchten besser geführt sein. Es ist doch wie im Tollhaus, wenn ein kleiner Kriegshäuptling, ein indianischer Bandenführer, der sicherlich nicht mehr Männer zur Verfügung hat als Major Smith – wenn ein solcher roter Halunke von sich reden macht durch die Streiche, die er uns fortwährend spielt, während wir von unserer Seite – nun, bestenfalls Bettelbriefe durch die Prärie durchschmuggeln.«
»Ganz meine Meinung, Roach, ganz meine Meinung! Ich habe übrigens einen guten, westerfahrenen Berater gewonnen. Fred Clarke ist sein Name. Ein wahrer schlauer Fuchs ist das! Brauchbar. Er macht den Vorschlag, dass wir das Fort verstärken, eine junge energische Kraft hinschicken und dann, wenn wir den Dakota imponiert haben, diesen roten Halunken, diesen – Harry, ja, Harry, wegfangen. Er war früher Kundschafter bei uns. Wir können ihn wegen Verrats hängen, wenn es uns passt.«
»Ausgezeichnet! Ich werde alle Chancen in dieser Richtung erwägen.«
»Gut. Ich diktiere die Briefe. In einer Stunde wieder, bitte!«
Roach zog sich zurück. Sobald der Oberst ihn nicht mehr hören konnte, pfiff der Leutnant vor Vergnügen. Die Straße seiner Karriere lag geglättet vor ihm.
»In einer Stunde«, sagte er zu Pitt, der auf ihn gewartet hatte. »Wir bekommen alles, was wir uns nur wünschen! In einer Stunde machst du dich mit den Briefen von Oberst Jackman auf den Weg nach dem Fort. Ich selbst komme in ein paar Tagen mit unseren Dragonern nach. Ich muss die Gattin von Major Jones nach Randall geleiten!«
»Und wer geleitet mich und die Briefe in meiner elenledernen Brusttasche?«
Roach überhörte in diesem Fall den allzu vertraulichen Ton, denn er hatte selbst kein reines Gewissen.
»Du kannst die beiden Läufer mitnehmen, Jack und Bobby. Die Damen haben sich sowieso vor Jacks Bemalung erschreckt. Sie erwarten, dass der Indsman sich abschminkt!« Roach hüstelte, um nicht ungeziemend zu lachen.
Pitt grunzte vor Vergnügen. »Aber nicht doch«, meinte er dann. »Ein Schwein muss seinen Dreck und ein Indianer muss seine Farben haben. Sonst werden sie beide unverträglich. Ich nehm also den Jack und den Bobby mit mir!«
Die Abrede wurde eine Stunde später ausgeführt. Pitt erhielt zwei von einem Schönschreiber geschriebene, von Oberst Jackman unterzeichnete und mit vielen Siegeln versehene Briefe, die er als zuverlässiger Eilbote nach Fort Randall bringen sollte.
Der Kurznasige holte sich sein Pferd. Die beiden Läufer hatten im Stall übernachtet und hielten sich bereit, wieder mitzukommen. Pitt erklärte ihnen wortreich, was für Erfolge Leutnant Roach bei Oberst Jackman erzielt hatte und dass große Verstärkungen an den Niobrara gehen sollten. Bobby bewunderte das Erreichte gebührend. Jack der Ponka mochte von dem Bericht Pitts nur wenig verstanden haben oder sich nicht dafür interessieren, und es berührte ihn scheinbar gar nicht, wenn der Rauhreiter ihn darum für dumm und hochnäsig hielt.
Auf dem Herweg von Randall nach Yankton hatten die Kuriere den Missouri bei Randall überquert und die Biegung des Stromes abgeschnitten. Jetzt erklärte Pitt, er wollte gleich bei Yankton über den Strom und das Missouri-Knie umreiten. Da dies durchaus unzweckmäßig und als eine Zeitvergeudung erschien, gab er Bob gegenüber schließlich zu, er habe noch einige Privataufträge für das Städtchen Niobrara zu erledigen und wolle daher die umständliche Route wählen. Die Läufer hatten dazu nichts zu sagen. Ob sie sich gern oder ungern fügten, blieb offen; Pitt kümmerte das nicht. Wenn Leutnant Roach seine Privatinteressen mit dem Dienst zu verbinden wusste, warum nicht auch der kleine Mann Pitt mit der Stummelnase, der für kurze Zeit einmal sein eigener Herr war?
Der Kurier begab sich mit seinen beiden Läufern an das Ufer des Missouri, um mit einer Fähre überzusetzen.
Während des Aufenthalts der Kuriergruppe in Yankton hatte sich das Bild des Stromes wesentlich geändert, Hochwasser war im Kommen. Die lehmgelben Wasser leckten an den Ufern hinauf. Der Eisgang war bedrohlich. Auch auf der Oberfläche des Stromes ließen sich Wirbel erkennen, die der Schifffahrt auf dem Missouri gefährlich waren. Die Dampffähre hatte am Ostufer angelegt. Der Fährmann rauchte. Seine beiden Hilfskräfte, hochaufgeschossene, sehr junge Burschen in blauen Hosen und gestreiften Sweatern, räkelten sich. Niemand schien Anstalten für eine Überfahrt zu treffen.
Als Pitt mit Bob und Jack an das Ufer kam, warteten schon zwei Fahrgäste. Die beiden Gruppen standen zunächst still auf der Landebrücke und warteten nun gemeinsam. Die beiden Fahrgäste, die sich zuerst eingefunden hatten, zogen durch ihre Erscheinung die Aufmerksamkeit auf sich. Der eine der beiden war ein Weißer, der andere ein Indianer. Beide waren äußerst sorgfältig und sauber gekleidet, der Weiße nach Cowboyart, aber in teures weiches Leder, der Indianer nach indianischer Sitte; er trug lederne Gamaschenhosen mit Fransen an den Nähten, einen überhängenden ledernen, schön gestickten Rock und eine Kette aus Gold und Edelsteinen. Beide hatten edle Pferde bei sich. Der Indianer führte ein Maultier mit Gepäck.
»Tja«, sagte der Fährmann endlich, betrachtete die fünf Anwärter auf die Überfahrt und schob seine Pfeife in den Mundwinkel. »Wer von euch will denn nun unbedingt ersaufen? Ich nicht.«
»Wir müssen hinüber!«, schritt Pitt daraufhin ein. »Militärischer Auftrag!«
»Den Befehl gebt mal an den Missouri weiter!«, antwortete der Fährmann ungerührt. »Vielleicht gehorcht der Eisgang!« Er wies mit dem Daumen über die Schulter auf die treibenden Eisblöcke und die Stauungen. »Zahlt euer militärischer Auftraggeber eine neue Dampffähre und die Rente für meine Witwe?«
»Spar dir doch die dummen Redensarten! Wir müssen sofort hinüber!« Pitt dachte an seine kleinen Privatgeschäfte; er wollte sie sich nur ungern entgehen lassen.
Der gutgekleidete Herr zog seine Brieftasche. »Was verlangt Ihr für die Überfahrt?«
»Hm, na ja.« Der Fährmann nannte den zehnfachen Preis. »Aber für einen jeden!«, fügte er hinzu und blickte rundum. Unwillkürlich folgten alle Blicke den seinen, um die Meinung aller Fahrgäste zu erkunden. Jeder der Wartenden sah die anderen der Reihe nach prüfend an. Dabei schien der schön gekleidete Indianer, dessen Gesicht nicht bemalt war, plötzlich zu erschrecken. Er sagte aber kein Wort, sondern wandte sich nur ab und blickte über den Strom.
»Also los!«, drängte Pitt. »Bobby! Du hast Wettgewinn gemacht und noch einen Teil des Siegerpreises dazu bekommen! Du