Mit dem Fahrrad und Aphasie durch Europa. Band 2. Helmut Friedrich Glogau. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Helmut Friedrich Glogau
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9783957449603
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richtig heruntergeputzt, und wurde sogar regelrecht laut. Mit einem unfreundlichen Menschen hatte ich also zu tun, und das bei dem Deutschen Roten Kreuz, ich fasse es nicht.

      Gerade in dieser Nacht begann An diesem Tag begann ausgerechnet die Nachtfrostperiode, glaube ich jedenfalls. Auf dem Bahnhof wurde zufällig ein Zug auf dem Nebengleis abgestellt war. Heimlich habe ich mich in den Zug reingeschlichen, um dort zu übernachten. Aber es war auch hundekalt.

      Am Sonntag war ich beim Gottesdienst. Die Predigt war gut, vielleicht von dem verlorenen Schaf oder von dem verlorenen Sohn, ich hatte eine gewissermaßen freudige Hoffnung gehabt. Als der junge, vielleicht dreißig oder fünfunddreißigjährige Pastor die Predigt beendigt hatte, war ich zu ihm hingegangen. Der Pfaffe hatte aber überhaupt keine Zeit für mich, er hatte nur kurz mit einem anderen Menschen, ich glaube dem Küster gesprochen. Er hat kaum ein Sterbenswörtchen zur Kenntnis genommen, so schnell war er verschwunden. Die Predigt war gut, der Mensch, der Priester, war schlecht. Vielleicht hat der Kirchenmann wirklich keine Zeit, wer weiß.

      Aber der Küster hat sich etwas Zeit für mich genommen. Ihm habe ich mein Leid geklagt. Es war schwierig, fast ohne Worte. Nach vergeblichen Versuchen hatte ich den Küster endlich überzeugt, dass ich dringend eine Übernachtungsmöglichkeit brauchte. Der Kirchendiener hat mir sehr geduldig geholfen, er hat mir dann einen Straßenbahnschnipsel und drei DM (für Übernachtung) geschenkt ich hatte es ihm nicht einmal zurückgegeben können, ich bin schlecht. Ich fuhr zum Obdachlosenheim.

      Zum ersten Mal war ich dort. Es war verkeimt, es gab viele Spinnenganker aber Einzelzimmer für Gäste. Nachdem ich mein Zimmer bezahlt habe, hat mich mein Magen erinnert, dass ich für knapp zwei Tage nichts gegessen hatte. Ein Betreuer hat mir zum Beißen und Trinken hingestellt und ich bin überglücklich in das Bett gefallen.

      Montag, nachdem ich die Sparkasse aufgesucht hatte, holte ich den Koffer. Ich habe den Koffer, die ganzen drei Tage nicht einmal geöffnet, eigentlich für die Katz. Gestern hätte ich eine warme Jacke aus dem Koffer überziehen können, weil ich die 400 Meter zum Bahnhof zurücklegen musste, doch war ich aber zu müde und zu faul.

      Dann fuhr ich nach Leipzig zurück, selbstverständlich mit der eigenen Fahrkarte, nicht schwarz.

      Mein Wochenendausflug war beendigt, ich hätte eigentlich auf dem Weg nach Süd – Frankreich sein müssen.

      Gut zehn Jahre später war ich tatsächlich in Süd-Frankreich gewesen.

      Meinen Koffer hatte ich zu Hause abgeliefert, dann fuhr ich zur Klinik. Die Leute von der Tagesklinik hatten sich rührig um mich gekümmert, eine Sozialtherapeutin hat mir eine Schlafstelle besorgt, ich wollte auf gar keinen Fall mit »meiner lieben Frau« zusammenkommen.

      Manche Sachen habe ich manchmal falsch gemacht, meine liebe Frau (ohne Gänsefüßchen) hat sich einfach mit der ganzen Situation irgendwie überfordert gefühlt und die Kinder waren noch klein, und ich habe sowieso die Erziehungsaufgaben an meine Frau abgegeben. Die Angehörigen haben es doch doppelt so schwer, zum Beispiel »unsereiner Macken«, die Gedanken nicht mehr in Worte fassen zu können, also mit der »kaputten Sprache«, geduldig umzugehen und es zu ertragen.

      Im Osten von Leipzig war mein Zimmer, es war zirka 20 Quadratmeter groß und mit alten Möbelstücken (beinahe antik) eingerichtet. Es gab hier eine kleine Frau. Sie umarmt uns alle. Sie war schwerbehindert. Für eine Übernachtung war es zu teuer, keine Frage: Zweiundvierzig DM, einschließlich Abendessen.

      Die Tagesklinik hatte für mich alles erledigt, beispielsweise die Anmeldung für das Obdachlosenheim.

      Auf dem Weg zum Obdachlosenheim habe ich mich erst mal verlaufen. Für die Übernachtung und das Abendessen bezahlte ich je drei Mark, sagenhaft billig. Das Mahl schmeckt ausgezeichnet und man wird richtig satt. Mit meinem athletischen und großen Zimmerkumpel hatte ich überhaupt gar keine Verständigungsprobleme, denn er war besoffen. Wie ein Buch erzählte er. Ich hatte eine Pause von ihm genutzt, um meine »Unsprache« zu erklären. Ich konnte nur sehr langsam reden und mit vielen Denkpausen. »Das stimmt nicht«, sagte er abwertend, »Ich lasse mich nicht von irgendwelchen Menschen verscheißern.«

      Nicht immer, aber öfter, wurde dort die Nacht zum Tag erklärt, ich hatte sehr interessante Themen gehört, einer kam nach dem anderen zur Tür hinein, die quatschen und quatschen fast wie die Frauen, ich musste aber früh Morgens in die Tagesklinik fahren. Nur vier Tage habe ich – Gott sei Dank – im Obdachlosenheim im äußersten Westen von Leipzig zugebracht.

      Am Sonnabend fuhr ich zu einem neuen Domizil in Lützschena, etwa acht Kilometer nördlich von Leipzig, ein kleines Obdachlosenheim, ein Männerhaus.

      Für fünf Monate habe ich dort gelebt, ich habe mich von meiner Familie abgeseilt, lange genug.

      Zur Arbeit brauchte ich nicht mehr zu gehen, ich bin EU-Rentner. Durch die kognitive Tagesklinik und durch meinen ehemaligen Betrieb, die Betonbude, wurde mir ermöglicht, dass ich meine Belastungsprobe durchführen konnte. Bei der Überprüfung auf Arbeitsfähigkeit bin ich richtig mit Pauken und Posaunen durchgerauscht. Ob es für mich richtig oder falsch war, konnte ich nicht entscheiden. Aber meine Fahrradreisen hätte ich wahrscheinlich nicht gemacht.

      Nach anderthalb Jahren war meine EU-Rente durch und meine Betonbude hat mir ermöglicht, etwas zur EU-Rente dazuzuverdienen, also hatte ich zuerst 520 DM, dann 650 DM, jetzt 400 €. Meine Aufgabe war es eine Siebanalyse zu erstellen, es war recht langweilig und erheblich laut (durch das elektrische Schüttelsieb), aber ich hatte 35 Urlaubstage, also 7 Wochen.

      Kaum habe ich die Schriftsprache neu erlernt, wofür ich 13 Monate brauchte, ich hatte weiter nichts zu tun als meine Erlebnisse und Gefühle in Form eines Buches »Die Unsprache« niederzuschreiben. Es waren übrigens jahrelange (dreieinhalb Jahre) mühevoller Arbeit, am Anfang schriftlich, dann mit Hilfe eines Computers. Mein Tischtenniskumpel, ein angenehmer Zeitgenosse, hat mir ermöglicht, dass ich mit seiner Hilfe einen gebrauchten Computer kaufen konnte. Anfangs habe ich für mich geschrieben, sozusagen als Rechtschreib- und Grammatikübung, dann habe ich überlegt, dass Geschriebene kann vielleicht für Andere wertvoll sein. Also habe ich wie verrückt geschrieben, viele freundliche Menschen halfen mir.

      Zwischendurch habe ich zwei Jahre pausiert. Ich musste geduldig sein und hätte niemals erwartet aber ich habe doch gehofft, ein Buch herauszugeben. Bis es endlich, dank freundlicher Hilfe, das Buch gedruckt wurde. So hatte ich im Jahre 2003 mein Erstlingswerk in der Hand.

      Die zahlreichen Reisetagebuchnotizen fügte ich zu einem Hefter zusammen, wieder mal halfen mir viele freundliche Menschen In vielen Verlagen hatte ich diesen Hefter gezeigt, die Verlage haben äußerst höfliche Form gewahrt – aber dankend abgelehnt. Ich musste also eine neue inhaltliche Verarbeitung erstellen.

      Eine Studentin der Medizinischen Akademie (Schule für Logopädie) hat mir eine Karte für die Leipziger Buchmesse 2011 geschenkt, dadurch ließ sich der Draht zu einem verständnisvollen Verlag herstellen.

      Noch ein kurzer Schwenker. Ich möchte noch einige Fehler aus dem 1. Teil korrigieren, zum Beispiel: Meine Fußreise nach Stendal war im Jahre 1999 nicht 1997. Eine Passage fehlt: Pfingstsonntag habe ich im erstaunlich sehenswerten Kopenhagen verbracht. Am Abend waren viele Dänen besoffen – noch viel erstaunlicher, die Alkoholpreise sind gepfeffert und ich nicht einmal die »Seejungfrau« gefunden.

      Außerdem ist es erstaunlich, wie viele Rechtschreib- und Grammatikfehler sich eingeschlichen haben, ich musste noch mal korrigieren.

      Zur Ausrüstung und Übernachtung hatte ich kein Wort verloren, ich bin einfach losgefahren ohne große Vorbereitungen. Ich wusste nur das Ziel ist Kopenhagen. Und ich hatte Glück gehabt, ich hatte immer in einer freien Natur und auf der »löcherlichen« Matte geschlafen. Nachts hatte ich mich mit einer gewöhnlichen Decke eingehüllt. Eine Tasche mit Wechselklamotten habe ich mitgenommen. Erst nach Frankreich habe ich mir die Seitentaschen für das Fahrrad angeschafft.

      Da ich den Leser nicht durcheinanderbringen möchte, erlaube ich mir den Hinweis, dass nachfolgend die Vergangenheit in kursiv dargestellt wird.